Proteine für Rennradfahrer: Tipps rund um Eiweiß in der Ernährung!

06.01.2021
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Antworten auf die wichtigsten Fragen rund ums Thema „Proteine im Radsport“, gibt Ernährungswissenschaftlerin Corinne Reinhard. Die Ernährungsexpertin gibt Empfehlungen zum richtigen Timing, zur optimalen Menge und zur Art der Proteinquellen. Corinne Reinhard besitzt ein postgraduiertes Diplom in Sporternährung des Internationalen Olympischen Komitees und hat über zehn Jahre Erfahrung in der Ernährungsberatung und im Nutrition-Coaching von Sportlern.

Warum sind Proteine für Ausdauersportler so wichtig?


Protein hat zahlreiche Funktionen in unserem Körper. Der wichtige Nährstoff unterstützt unsere Gesundheit, einschließlich eines stabilen Immunsystems, und die körperliche Leistungsfähigkeit. Eine adäquate Proteinzufuhr ist daher ein wichtiges Puzzlestück für optimale Trainingsanpassungen und Leistungsfähigkeit im Sport. Bei Radsportlern nimmt Protein besonders in der Regenerationsphase eine Schlüsselrolle ein. Durch die Aufnahme von Protein wird ein kataboler Zustand der Muskeln verhindert und Muskelreparatur und -aufbau gefördert. Im Laufe der Zeit kann dies die Muskelkraft und die optimale Körperzusammensetzung unterstützen.

Haben Ausdauersportler einen erhöhten „Eiweißbedarf“?


Ausdauersportler haben einen höheren Proteinbedarf als inaktive Menschen. Denn: Ausdauertraining belastet Muskel- und Sehnengewebe. Um die Integrität und Funktion derer Proteinstrukturen zu reparieren und aufrechtzuerhalten, ist eine adäquate Aufnahme von Nahrungsproteinen erforderlich. Denn die Proteine in der Nahrung liefern letztendlich die dafür notwendigen essentiellen (unentbehrlichen) Aminosäurebausteine.

Des Weiteren können Muskel- und Körperproteine je nach Belastungsdauer und -intensität in ihre Aminosäurebausteine zerlegt und als Energiequelle genutzt werden. Körpereigene Proteine können somit in unterschiedlichem Ausmaß als Energiequelle unter Belastung herangezogen werden und müssen wiederum über die Aufnahme von Nahrungsproteinen ersetzt werden; insbesondere die essentiellen Aminosäuren, die unser Körper nicht selbst bilden kann. All diese Faktoren können zu einem erhöhten Proteinbedarf bei Ausdauersportlern beitragen.

Wie viel Gramm Eiweiß sollte ein Radsportler pro Tag aufnehmen?


Wie bei den meisten Ernährungsprinzipien unterscheidet sich auch der Proteinbedarf von Sportler zu Sportler. Eine One-size-fits-all-Empfehlung gibt es nicht. Viele verschiedene Variablen wie zum Beispiel Ernährungsform, Belastungsvolumen und -zielsetzung bestimmen den individuelle Proteinbedarf. Dieser kann sich auch je nach Trainingsperiodisierung ändern.
Führende Wissenschaftler auf diesem Gebiet empfehlen für Erwachsene, die zwischen 1 und 3 Stunden pro Tag trainieren, eine tägliche Proteinzufuhr von ungefähr 1,6 bis 1,8 Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht. Die meisten Ausdauersportler, die ausreichend Energie zu sich nehmen, um die Anforderungen für Training und Leistung abzudecken, erzielen eine solche Proteinmenge leicht. Rennradfahrer mit sehr hohem Trainingsvolumen und / oder zur Optimierung der Körperzusammensetzung im Rahmen einer energiereduzierten Diät, profitieren möglicherweise von einer täglichen Proteinaufnahme von bis zu 2,4 Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht.

Haben Frauen einen anderen Proteinbedarf als Männer?


Die meist verbreitete und zugleich praktikabelste Empfehlung für die Proteinzufuhr bezieht sich auf das Körpergewicht. Da Frauen im Allgemeinen leichter sind als Männer, sind die absoluten Proteinmengen pro Tag bei ihnen geringer.
Aktuell gelten für Frauen wie auch für Männer die gleichen Empfehlungen zur Proteinzufuhr pro Kilogramm Körpergewicht, wie weiter oben erwähnt. Frauen sind jedoch in Studien oft unterrepräsentiert, daher besteht sicherlich noch viel Forschungsbedarf. Wenige Untersuchungsergebnisse lassen jedoch vermuten, dass der Proteinbedarf möglicherweise während der verschiedenen Phasen des Menstruationszyklus nicht immer gleich ist.

Wie oft am Tag sollte Eiweiß über die Ernährung aufgenommen werden?


Idealerweise sollte die tägliche Gesamtproteinmenge gleichmäßig über 4 (bis 5) Mahlzeiten in regelmäßigen Abständen (zum Beispiel alle 4 Stunden) über den Tag verteilt aufgenommen werden. Also eine Menge von 0,3 bis 0,4 (0,5) Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht aufnehmen zum Frühstück, Mittagessen, als Snack nach dem Training und zum Abendessen – sowie bei Bedarf einen zusätzlichen Snack vor dem Schlafengehen.

So zumindest die Theorie. Die Erfahrung zeigt, dass Sportler in der täglichen Praxis eher selten so haargenau kalkulieren und dies sicherlich auch nicht immer notwendig ist. Einen groben Überblick über die eigene Proteinzufuhr sollten Sportler jedoch haben. Dies setzt voraus, dass die ungefähren Mengen an Protein verschiedenster Lebensmittel bekannt sind. Auch sollte der Athlet die gleichmäßige Verteilung der optimalen Proteinmenge über den Tag im Blick behalten, da gerade das Frühstück oft nicht die empfohlene Proteinmenge enthält.

Beispielrechnung für den täglichen Proteinbedarf eines Hobbyradsportlers

Fiktives Beispiel für einen 75 Kilogramm schweren Radsportler mit einem Bedarf von 1,8 Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht:
Ergibt 135 Gramm Protein pro Tag und könnte z.B. wie folgt verteilt werden um stets 0,3-0,4 Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht pro Mahlzeit/Snack zu erzielen
Frühstück: ca. 30 Gramm Protein
Mittagessen: ca. 40 Gramm Protein
Snack nach dem Training: ca. 25 Gramm Protein
Abendessen: ca. 40 Gramm
Eiweiß

Macht es Sinn, Eiweiß direkt nach der Belastung aufzunehmen?


Ein pragmatischer Rat ist sicherlich, in irgendeiner Form post-workout Ernährung nach langen oder intensiven Ausdauereinheiten zu integrieren anstatt gar nichts. Die Wichtigkeit der unmittelbaren Proteinaufnahme innerhalb weniger Minuten nach dem Training ist jedoch etwas übertrieben. Der Regenerations- und Anpassungsprozess nach dem Training dauert nicht nur – überspitzt gesagt – die öfters propagierten 29 Minuten und 59 Sekunden; die Phase ist deutlich länger. Der Schlüssel ist vielmehr eine regelmäßige und gut verteilte Proteinaufnahme in optimalen Mengen über den Tag.

Welches ist die wichtigste Aminosäure für Ausdauersportler?


Eine ausreichende Aufnahme aller neun essentiellen (unentbehrlichen) Aminosäuren ist für die allgemeine Gesundheit, das Immunsystem und in Bezug auf die optimale Versorgung unserer Muskeln entscheidend. Denn der Körper kann selbst keine dieser essentiellen Aminosäuren produzieren. Im Einzelnen sind das Isoleucin, Leucin, Lysin, Methionin, Phenylalanin, Threonin, Tryptophan, Valin und Histidin. Eine besondere Funktion nimmt die Aminosäure Leucin ein. Diese essentielle Aminosäure ist nicht nur ein Baustein für die Muskeln, sondern aktiviert auch den Prozess für Muskelreparatur und Muskelaufbau. Oder anders ausgedrückt: Sie ist der stärkste Trigger für die Muskelproteinsynthese. Beispielsweise Milchprotein, ganz speziell auch Molkenprotein (englisch: Whey protein) ist besonders reich an essentiellen Aminosäuren, inklusive hohem Gehalt an Leucin. Aber es gibt auch viele weitere gute Proteinquellen.

Hochwertige Proteine sind in tierischen Produkten wie Eiern, Milcherzeugnissen und Fleisch enthalten. Was können Vegetarier und Veganer tun, um sich ausreichend mit hochwertigem Protein zu versorgen?


Pflanzliches Protein in Hülsenfrüchten, Nüsse sowie Samen, Getreide und Kartoffeln weist, durchschnittlich betrachtet, im Vergleich zu tierischem Protein einen geringeren Gesamtanteil an essentiellen Aminosäuren – speziell auch an Leucin auf. Das Protein im Mais ist zwar ausnahmsweise besonders reich an Leucin, weist jedoch aber einen niedrigen Gehalt an den anderen essentiellen Aminosäuren auf. Es ist auf jeden Fall ratsam, wie generell in einer gesunden Ernährung, abwechslungsreich zu essen. Unterschiedliche pflanzliche Proteinquellen können in den Mahlzeiten kombiniert werden, damit die optimalen Mengen aller neun essentiellen Aminosäuren sichergestellt werden.

Bei einer rein pflanzlichen Ernährungsweise sollte in erster Linie aber vor allem die Gesamtproteinzufuhr im Auge behalten werden. Denn mit tierischen Proteinlieferanten wie Milcherzeugnisse, Eier, Fisch und Fleisch lässt sich ein erhöhter Proteinbedarf oft etwas leichter decken. Aber selbstverständlich ist es auch einem Veganer möglich, seinen Körper und seine Muskeln mit ausreichend Protein zu versorgen.

Protein in Lebensmitteln: Wo steckt was drin?

Ein kleiner Auszug von beliebten proteinreichen Lebensmitteln.

Wie kann Protein beim Abnehmen helfen?


Ziel des Gewichtsverlusts ist in aller Regel, den Körperfettgehalt zu reduzieren und gleichzeitig wertvolle Muskelmasse aufrechtzuerhalten. Eine erhöhte Proteinaufnahme während einer kalorienreduzierten Diät kann zu einem erhöhten Körperfettverlust führen und auch den Verlust an fettfreier Körpermasse, einschließlich Muskeln, reduzieren. Die Gründe dafür sind vielfältig. Dazu gehört beispielsweise, dass während eines Kaloriendefizites eine höhere Proteinzufuhr zur Vermeidung einer negativen Muskelproteinbalance notwendig ist und um somit auch dem Muskelabbau entgegenzuwirken. Des Weiteren ist die Verstoffwechselung und Verdauung von Nahrungsproteine im Körper aufwändig und verursacht einen deutlich höheren Energieverbrauch im Vergleich zu Kohlenhydraten und Fetten. Der sogenannte thermogenetische Effekt, auch nahrungsinduzierte Thermogenese genannt, ist also höher. Außerdem sättigt kein Nährstoff besser als Protein: Fett und Kohlenhydrate sättigen weniger effektiv.

Macht die Einnahme von Proteinen während des Ausdauertrainings beziehungsweise eines Wettkampfes Sinn?


Es gibt keine Beweise, dass die Proteinaufnahme während einer Ausdauerbelastung in Kombination mit Kohlenhydraten im Vergleich zu einer ausreichenden Kohlenhydratzufuhr, die Leistung weiter verbessert. Eine Proteinaufnahme während längerer Ausdauerbelastungen kann jedoch helfen Aminosäuren des Körpers zu ersetzen, die als Energiequelle herangezogen wurden. So kann der muskuläre Regenerationsprozess nach der Belastung schneller beginnen. Möglicherweise könnte daher eine Proteinaufnahme während sehr langandauernden Belastungen, wie zum Beispiel Ultramarathon, in Kombination mit niedriger Glykogenspeicherverfügbarkeit hilfreich sein. Während derartigen Belastungen kann Protein insgesamt 5 bis 10 Prozent der Gesamtenergiebereitstellung ausmachen. Ob jedoch Protein während der Belastung gut vertragen wird und nicht zu Magen-Darm-Beschwerden führt, muss immer individuell ausprobiert werden.