Trainingslager: Wann ist der richtige Zeitpunkt?

16.02.2023
Rennradtraining in Kaltern am See in Südtirol

Wann ins Trainingslager „gehen“? Das ist nach der Wahl der Location die zweite Frage, die sich Hobbyradsportler stellen. Doch aus Gründen der Performance ist die Beantwortung dieser Frage noch wichtiger als der Ort des Camps. Alpecin Cycling gibt Tipps, wie jeder für sich selbst den geeigneten Zeitpunkt findet.

Grundsätzlich gilt für den Zeitpunkt des Trainingslagers: je früher desto besser. Denn wer durch ein Trainingslager ein höheres Leistungsvermögen erreicht, kann danach daran anknüpfen und den Trainingsreiz steigern. Soweit die Theorie.

Ein Trainingslager sollte immer als Mehrwert im Saisonaufbau eines jeden Rennradfahrers gesehen werden. Um dieses Plus auch wirklich zu erhalten, sollte(n) diese Woche(n) auch immer mit einer geeigneten Vor- aber auch Nachbereitung absolviert werden.

Einheiten vor und nach dem Trainingslager sicherstellen

Sprich der Athlet sollte genug Zeit für das Training im Vorwege haben und auch danach genug freie Stunden haben, um an die durch das Trainingslager verbesserte Form anknüpfen zu können. Wer nach einem Trainingslager beispielsweise aufgrund beruflicher oder familiärer Verpflichtungen oder schlechten Wetters nicht wirklich auf ähnlichem Niveau weiter trainieren kann, wird nicht den 100-prozentigen Nutzen aus solch einem Camp ziehen.

Das oberste Gebot des Ausdauertrainings kommt hier zum Tragen und dieses lautet Kontinuität. Dieses muss gerade auch nach dem Trainingscamp gewährleistet sein. Denn sonst verpufft dieser Mehrwert beziehungsweise der Trainingslager-Effekt genauso schnell wieder, wie er gekommen ist. Wer also kein Training auf den im Camp gesetzten Reiz setzt beziehungsweise diesen nicht aufrechterhält, läuft Gefahr, dass der Prozess in der Folge degenerativ abläuft.

So wird es für einen typischen Hobbysportler, der in unseren Breitengraden lebt, nicht zwingend zielführend sein, kurz vor Weihnachten ins Trainingslager anzureisen, da er typischerweise über die Weihnachtszeit auch nicht das qualitative Training fortsetzen kann.

Wer nur die Chance hat, ein einziges Mal in einem Jahr in ein Trainingslager zu reisen, für den macht es Sinn, kurz vor dem Übergang zu den erwartenden wärmeren Temperaturen in Deutschland in den Süden zu fliegen, um dort an der Form zu feilen. Also März beziehungsweise April – entsprechende Vorbereitung vorausgesetzt – eignen sich gut für ein Camp.

Nach solch einem Trainingslager ist zumeist sichergestellt, dass die Anzahl der Wochenstunden aus dem Camp vielleicht nicht gänzlich aufrechterhalten werden kann, aber aufgrund der wärmeren Temperaturen und längeren helleren Tagen in unseren Breitengraden auch abends und gerade am Wochenemde dann auch zeitintensivere Ausfahrten von mehr als drei Stunden Länge möglich sind.

Trainingslager perfekt vorbereiten

Apropos Vorbereitung aufs Trainingslager– auch diese sollte Einfluss auf den Zeitpunkt des Camps nehmen. Vier bis sechs Wochen qualitatives Training vor dem Camp sind nötig, um die dort zu erwartenden Belastungen auch tolerieren zu können. Zwei bis drei Monate sind geradezu ideal.

Qualitatives Training bedeutet dann schon sechs bis zehn Stunden Training pro Woche – aufgeteilt auf drei bis fünf Einheiten. Denn im Trainingslager soll ja der Umfang auf das zwei bis zweieinhalbfache erhöht werden.

Rennradfahren als Training in Südtirol am Kalterer See

Im Trainingslager Umfänge clever steigern

Insbesondere beim Rennradfahren ist es sinnvoll, nicht einfach die Stundenzahl mit diesem Faktor zu multiplizieren, sondern stattdessen den Energieumsatz. Das bedeutet in der Praxis: wer zuhause auch schon intensiver trainiert hat, beispielsweise mit längeren GA2- oder Schwellen-Intervallen, darf dann auch „umgerechnet“ etwas länger in der Grundlagenintensität pedalieren, als wenn er nur die reine Fahrzeit multiplizieren würde.

Viele Rennradfahrer überlegen sich auch das Trainingslager nahe an den Wettkampf heranzulegen – also vier bis sechs Woche vor ihrem Saisonhöhepunkt. Das hat einerseits den Vorteil, dass man nochmal ganz intensiv trainieren und eine Schippe drauflegen kann.

Aber: wer nur eine einzige Möglichkeit für ein Trainingslager in der Saison hat, sollte es eher früher in der Saison absolvieren. Warum? Physiologisch betrachtet gibt es zwei Bereiche, in denen man sich verbessern kann: zum einen durch die Steigerung der maximalen Sauerstoffaufnahme zum anderen durch die Senkung der maximalen Laktatbildungsrate.

Während ersteres schon innerhalb von 10 bis 14 Tage einen erhofften Boost bringen kann, so braucht es für einen nachhaltige Veränderung des glykolytischen Systems hin zu einem verbesserten Fettstoffwechsel doch schon zwei bis drei Monate.

Lange Einheiten im Trainingslager und die „unvollkommene“ Pause bis zur nächsten Fahrt in „Tateinheit“ mit nicht komplett wieder aufgefüllten Glykogenspeichern sind hier ein probates Mittel.

Und damit sollte der Athlet schon mehrere Monate vor dem Wettkampf beginnen, weshalb ein früheres Trainingslager durchaus sinnvoller wäre. Immer vorausgesetzt, es gibt nur dieses eine Camp in der Saison.

Fotos: Henning Angerer