Start Profi-Sport Fab Four Teil 4: Tour de France-Favoriten beim Critérium du Dauphiné

Fab Four Teil 4: Tour de France-Favoriten beim Critérium du Dauphiné

Übersicht

Wie steht es um die aktuelle Form der Tour de France-Favoriten Tadej Pogačar, Jonas Vingegaard, Primož Roglič und Remco Evenepoel – nur vier Wochen vor dem Saisonhighlight? Mit dem Critérium du Dauphiné steht das letzte große Vorbereitungsrennen auf die Tour de France bevor. Mit Pogačar, Vingegaard und Remco Evenepoel treffen gleich der drei der Fab Four dort aufeinander. Das erste Mal übrigens trifft das Tour-Podium des vergangenen Jahres im direkten Vergleich aufeinander – ein Gipfeltreffen. Als einziger des illustren Quartetts der Fab Four fuhr Primož Roglič dagegen den Giro d’Italia und baut sich jetzt neu auf.

In dieser Kolumne begleitet Bernd Landwehr, Chefredakteur des Cyclingmagazine, die vier Top-Favoriten auf ihrem Weg zum Grand Depart der Tour de France. Er analysiert ihre Vorbereitung analysiert, ordnet die Leistungen ein und lässt so ein „Tour-Barometer der Fab Four“ entstehen. 

Hier zur ersten, zweiten und dritten Folge mit allen Infos.

Tadej Pogačar – heiß auf Rennen fahren

26 Jahre / UAE Team Emirates / Grand Tour-Siege: 3 x Tour / Tour-Teilnahmen: 5

Nach seinem herausragenden Frühjahr hatte sich Tadej Pogačar zunächst in eine Pause verabschiedet. Dem Körper etwas Ruhe geben, aber auch mental konnte der Weltmeister nach den anstrengenden Klassikern etwas Ruhe sehr gut vertragen. Typisch Pogačar, tauchte der Slowene ab. Viel mehr Infos, als dass er Zeit mit seiner Freundin Urška Žigart verbrachte, teilte Pogacar nicht mit. Den Akku wieder aufladen, dann zurück aufs Rad. Ein paar Wheelie-Videos aus dem Training auf Instagram und ein Besuch bei einem Motorsport-Event. Medial übernahm Team-Manager Matxin die Rolle des Kommunikators. Pogacar sei in guter Form, die Werte seien sehr gut, er sei heiß auf das nächste Rennen – so kann man die Aussagen zusammenfassen.

Grund daran zu zweifeln gibt es nicht. Auch die Sportliche Leitung des Teams betont, wie wichtig das Critérium du Dauphiné sei, als Härtetest und Zeichen an die Konkurrenz. Längst haben die Spielchen begonnen, mit denen man die Konkurrenz beeinflussen möchte. Pogačar aber ist kein Typ, der mit großen Worten seine Position klar machen möchte, er lässt lieber auf dem Rad die Beine sprechen.

Ganz sicher wird er beim Critérium du Dauphiné zeigen wollen, dass er bereit für die Tour ist. Aber unnötiges Risiko will er ganz sicher im Rennen vermeiden. Gut möglich, dass sich Pogačar eine Etappe raussucht, wo er seine Beine und die Konkurrenz testet, den Rest eher unauffällig agiert. Doch bei Pogačar muss man sich mit solch Prognosen zurückhalten – denn der Slowene ist bekannt dafür, dass er zwar einem Plan folgt, aber gern davon abweicht, macht, was ihm spontan in den Sinn kommt. Das kommt bei den Fans gut an, und erhöht dir Vorfreude auf „die Dauphiné“.

Jonas Vingegaard – auf zu neuen Höhen?

28 Jahre / Team Visma | Lease a Bike / Grand Tour-Siege: 2 x Tour / Tour-Teilnahmen: 4

Seit seinem Sturz bei Paris-Nizza hat der Däne kein Rennen mehr bestritten. Jonas Vingegaard hatte sich im März verletzt, dabei auch eine Gehirnerschütterung davongetragen und musste eine etwas längere Pause einlegen. Er begann nach wenigen Wochen wieder mit dem Training, schaute sich Ende April die Bergetappen der Tour an. Lange blieb es recht ruhig um den Ex-Toursieger. Doch nun rückt das große Highlight näher und das Interesse steigt.

Beim Giro holte das Team Visma | Lease a Bike den Sieg mit Simon Yates, fuhr insgesamt sehr erfolgreich. Das hat den Druck für die Tour zumindest nicht verstärkt. Und so, als hätte die Mannschaft reichlich Selbstvertrauen getankt, zeigt sich man nun auch in Sachen Toursieg sehr zuversichtlich.

Vingegaard habe die Lücke zu Pogacar verringern können, heißt es vom Team. Nach sehr gutem Training sei er nun in der Lage Pogacar anzugreifen und wohl auch zu schlagen. Er wäre so gut wie nie zu vor. Egal ob Teamboss Richard Plugge, der gegenüber Cyclingnews davon sprach, dass Vingegaard im Winter einen Schritt nach vorn gemacht hat, oder Vingegaard selbst – sie alle strahlen große Zuversicht aus. Das ganze Team ist bemüht zu zeigen, dass sie sich auf Augenhöhe mit UAE und Pogacar befinden. Er habe ein ganz anderes Körpergefühl als im vergangenen Jahr, sagte Vingegaard nun gegenüber Eurosport.

Die Kommunikation vom Team Visma | Lease a Bike zu beobachten ist interessant. Denn während man im vergangenen Jahr vor der Tour noch davon sprach, dass allein der Start von Vingegaard ein Erfolg sei und man keinerlei Erwartungen aufkommen ließ, ist es in diesem Jahr komplett anders.

Im vergangenen Jahr kommunizierte man sehr zurückhaltend. Die Teams kennen natürlich die Werte ihrer Sportler aus dem Training und können gut abschätzen, ob sie konkurrenzfähig sind, oder nicht. Bei Vingegaard mag es im vergangenen Jahr im Vorfeld der Tour ein paar Unsicherheiten gegeben haben, die Teamleitung dürfte aber gewusst haben, dass er physisch stark ist. Dennoch gab man sich zurückhaltend, stapelte fast tief. Vingegaard sei dann Karriere-Bestwerte gefahren, war  aber chancenlos gegen Pogacar – ein Schock für das Vingegaard-Lager. Visma | Lease a Bike bekam reichlich Hausaufgaben für 2025 mit auf den Weg.

In diesem Jahr wird ganz anders kommuniziert. Keine Zurückhaltung, eher das Gegenteil. Verständlich – will man auch den Teamkollegen von Vingegaard Selbstvertrauen geben. Doch sich im Vorfeld der Tour dermaßen zuversichtlich zu zeigen, geht immer mit hohen Erwartungen einher. Vingegaard wirkt nicht wie ein Fahrer, der sich groß Druck von außen machen lässt. Aber er braucht starke Helfer, die keine Fehler machen.

Ob die Aussagen aus dem Lager von Visma | Lease a Bike im Vorfeld der Tour 2025 als „Starkreden“ eingeordnet werden, oder Vingegaard tatsächlich auf Augenhöhe mit Pogacar ist, wird das Critérium du Dauphiné zeigen! Dort treffen die beiden das erste Mal in diesem Jahr aufeinander. Kann Vingegaard die Erwartungen erfüllen?

Er wird das erste Mal seit dem 14. März wieder ein Rennen bestreiten – fast drei Monate nach seinem Aus bei Paris-Nizza. Man darf zudem auch gespannt sein, ob er direkt den richtigen Tritt findet, sich im Feld wohl fühlt. Sollten die ersten Tage tatsächlich vom Wind geprägt sein, wird das auch mental ein Härtetest für die erste Tourwoche. Das kann gut gehen und im einen Push geben. Aber eben bei Misserfolg auch das Gegenteil bewirkten. Für Vingegaard ist dieses Critérium du Dauphiné sehr bedeutungsvoll!

Primož Roglič – Generalprobe Giro missglückt

Als Einziger der „Fab 4“ wählte Primož Roglič die Kombination aus Giro d’Italia und Tour de France. Mit einem erfolgreichen Giro wollte man im Team Red Bull-Bora-Hansgrohe für Rückenwind in Richtung Tour de France sorgen. Doch Roglic stürzte mehrfach, musste das Rennen dann aufgeben. Flügel für die Tour hat dieser Giro ganz sicher nicht verliehen.

Die altbekannten Probleme wurden erneut sichtbar. Der Slowene stürzt zu oft. Nicht immer selbst verschuldet, aber eben manchmal doch als Resultat aus zu viel Risiko oder schlechter Positionierung. Den Teamkollegen macht er es schwer, denn viel zu oft scheint sich Roglič lieber selbst einen Weg im Peloton zu suchen, statt den Kollegen zu folgen. Das war im vergangenen Jahr schon zu beobachten und zeigt sich auch in dieser Saison. Mit benötigter Eingewöhnungszeit im neuen Team kann das inzwischen nicht mehr glaubwürdig erklärt werden.

Roglič war zu Beginn des Giro stark, trug das Rosa Trikot. Seine Qualitäten sind unbestritten und er scheint auch mit 35 Jahren absolut konkurrenzfähig zu sein. Doch seine Schwächen verschwinden nicht. Für die Tour de France wird Roglič wohl noch etwas motivierter sein als für den Giro. Der Toursieg würde sein Palmares vervollständigen. Es ist sein großer Traum, Gelb nach Paris zu tragen. Viele Chancen wird er nicht mehr bekommen, vielleicht ist es im Juli die allerletzte.

Primož Roglič ist ein extrem erfolgreicher Radsportler, bringt herausragende Leistungen, ist brutal ehrgeizig und noch immer Weltspitze – was in ihm vorgeht bleibt von außen unsichtbar. Er wirkte beim Giro derart locker, dass dies von außen nur mit maximaler Zuversicht, oder reduziertem Fokus zu erklären wäre. Oder ist Roglič einfach anders als viele Kollegen? Beim Giro machten Gerüchte die Runde, Roglič wäre im Kopf schon bei der Tour. Seine Leistungen in Italien scheinen das zu widerlegen. Doch dass er nach seinem Giro-Aus ganz schnell den Blick auf die Tour richtete, sollte klar sein.

Primož Roglič weiß, dass dies vielleicht die letzte Chance auf Gelb ist. Er wird alles daransetzen, bei der Tour in Top-Form zu sein. Doch er würde gut daran tun, seinen Team Zuversicht zu geben und den Glauben an den Toursieg neu zu entfachen. Denn ohne 100-prozentigen Support des gesamten Teams wird es für Roglič wohl unmöglich, das „Über-Duo“ Pogacar und Vingegaard herauszufordern. Nach diesem Giro hat sich die Position von Primož Roglič vom Mitfavoriten eher zum Herausforderer verschoben. Doch vielleicht sieht man in Frankreich einen andere Roglič als in Italien.

Remco Evenepoel – Trainingsrückstand aufgeholt?

25 Jahre / Soudal-Quick Step / Grand Tour-Siege: 1 x Vuelta / Tour-Teilnahmen: 1

Nach dem schweren Trainingsunfall im Dezember war Remco Evenepoel erst zu den Ardennen-Klassikern im April ins Peloton zurückgekehrt. Er zeigte gute Rennen, es fehlte aber noch ein wenig die Basis. An dieser wurde nun intensiv gearbeitet. Höhentrainingslager, auch mit dem geplanten Tour-Team gemeinsam. An Trainingsehrgeiz mangelt es dem Doppel-Olympiasieger ohnehin nicht. Nach dem soliden Comeback im Frühjahr hat Evenepoel den Fokus komplett auf die Tour gerichtet.

Wo der Belgier im Vergleich zur Konkurrenz steht, wird man wohl beim Critérium du Dauphiné sehen. Experten und Beobachter sehen bei Evenepoel grundsätzlich noch etwas Rückstand zu Vingegaard und Pogacar, doch vor allem das Zeitfahren wäre für Evenepoel eine gute Gelegenheit zu zeigen, dass mit ihm zu rechnen ist.

Beim Belgier gibt es in Sachen Zeitfahrqualitäten keine Fragezeichen, sondern eher bezüglich seiner Kletterqualitäten. Denn dort war der Rückstand zu Vingegaard und Pogacar im vergangenen Jahr noch recht groß. Ob Evenepoel seinen „Kletter-Rückstand“ etwas verringern konnte, bleibt abzuwarten. Die schwere siebte Etappe des Critérium du Dauphiné kann diesbezüglich schon etwas Aufschluss geben. Denn es ist eine heftige Bergetappe mit drei langen Anstiegen.

Für Remco Evenepoel ist die Ausgangslage mit Blick auf die Tour de France gar nicht so schlecht. Er ist ein wenig in Lauerstellung, hinter den beiden Top-Favoriten. Seinen Tour-Etappensieg hat er schon im vergangenen Jahr eingefahren, stand am Ende auf dem Tour-Podium. Er will dem „Über-Duo“ Pogacar-Vingegaard näherkommen, seinen Status als Herausforderer Nummer eins festigen. Ein gutes Critérium du Dauphiné würde helfen Selbstvertrauen zu tanken – auch bei seinen Teamkollegen. Denn ein starkes Team braucht Evenepoel in Frankreich in jedem Fall! Die Favoritenrolle liegt weiter bei Pogacar und Vingegaard – nach dem Critérium du Dauphiné wissen wir, mit welcher Rolle Evenepoel zur Tour reist – Außenseiter, Herausforderer, oder Überraschungskandidat?

Alle Folgen des Tour de France-Favoritenchecks