Start Profi-Sport Tour de France 2025: Formkurve der Favoriten – Fab Four Teil 2

Tour de France 2025: Formkurve der Favoriten – Fab Four Teil 2

Übersicht

Teil zwei des ‚Fab Four‘-Formbarometer zur Tour de France 2025: Wie schlagen sich die „Fab Four“ – die vier Top-Klassementfahrer und Favoriten für die Tour de France 2025 – auf dem Weg zum Saisonhöhepunkt?

Titelverteidiger Tadej Pogačar überzeugte zuletzt bei Klassikern und überraschte auf dem Kopfsteinpflaster von Paris-Roubaix. Primoz Roglic absolvierte in Katalonien sein letztes Rennen in der Vorbereitung auf den Giro d’Italia und Remco Evenepoel kehrt nach langer Verletzungspause endlich zurück ins Renngeschehen. Der April ist für die „Großen Vier“ ein Monat mit besonderen Rennen, eine Standortbestimmung, richtungsweisen und mit großen Zielen. Bei den Ardennen-Klassikern treffen erstmals in diesem Jahr Tadej Pogacar und Remco Evenepoel aufeinander. Möglicherweise eine bedeutungsvolle Begegnung. 

Bernd Landwehr, Chefredakteur des Cyclingmagazine, analysiert die Leistungen der vier Top-Favoriten auf ihrem Weg in Richtung Tour de France-Start unter die Lupe erstellt so ein „Tour-Barometer der Fab Four“.

Hier zur ersten Folge mit allen Infos.

Tadej Pogačar – Der Dominator des Frühjahrs

26 Jahre / UAE Team Emirates / Grand Tour-Siege: 3 x Tour / Tour-Teilnahmen: 5

Nach seiner überragenden Saison 2024 – mit dem historischen Giro-Tour-Double, zwei Monumenten und dem WM-Sieg – hörte man Sätze wie: „Bei Pogačar überrascht einen nichts mehr“. Doch im Frühjahr 2025 wird klar – dieses Ausnahmetalent hört einfach nicht damit auf, den Radsport auf den Kopf zu stellen. 

Fünf Rennen ist Pogacar im Jahr 2025 bislang gefahren. UAE-Tour, Strade Bianche und die Flandern-Rundfahrt hat er souverän gewonnen. Bei Mailand-Sanremo griff er an der Cipressa an und sprengte das Rennen. Am Ende wurde er im Sprint gegen Mathieu van der Poel und Filippo Ganna Dritter. Lange Zeit galt es als unmöglich, Mailand-Sanremo mit einem Angriff an der Cipressa für sich entscheiden zu wollen. Doch nun muss man festhalten: Auch diese „Radsportregel“ hat Pogačar außer Kraft gesetzt. 

Bei Tadej Pogacar scheint es immer mehr so, als wolle er mit aller Macht den Radsport aus den Angeln heben. So ließ es sich der Slowene nicht nehmen, beim Pflasterklassiker Paris-Roubaix zu starten. Und Pogačar wäre nicht Pogačar, hätte er nicht auch in der „Hölle des Nordens“ derart abgeliefert, dass die Radsportwelt ungläubig den Kopf schüttelt. 

In der Neuzeit des Radsports war es nahezu undenkbar, dass ein Toursieger beim Pflaster-Monument Paris-Roubaix um den Sieg fährt. In der „Epoche Pogačar“ ist auch das möglich. Allerdings nur für einen Fahrer im gesamten Peloton.

Wie außergewöhnlich die Leistungen des Weltmeisters sind, lässt sich am besten an seinen Kontrahenten ablesen. Im Sommer kämpft er gegen die besten Kletterer und Rundfahrer wie Jonas Vingegaard und Primoz Roglic. Leichtgewichte mit enormer Kletterfähigkeit, Ausdauer und Erholungsfähigkeit. Im Frühjahr sind es dann die absoluten Klassikerspezialisten, die Pogacar bei der Flandern-Rundfahrt scheinbar mühelos abhängt, und auf dem Kopfsteinpflaster von Paris-Roubaix sogar einem Mathieu Van der Poel in Top-Form alles abverlangt! 

Auf jedem Terrain, in jeder Disziplin des Straßenradsports ist Pogacar absolute Weltspitze – nimmt man Massensprints aus. In der Geschichte des Radsports gab es das in dieser Form wohl nur bei Eddy Merckx. Übertragen in die Neuzeit des Radsports, mit der anhaltenden Spezialisierung und Professionalissiertung des Sports, sind die Leistungen von Pogačar ganz sicher nicht geringer einzustufen. 

Das schlechteste Endergebnis Pogačar in diesem Jahr ist Rang drei in Sanremo. Allein das klingt absurd! Nun peilt das Radsport-Wunderkind das Ardennen-Triple an. Zuzutrauen ist ihm, wie wir nicht zuletzt in Roubaix gesehen haben, aktuell einfach alles!

Mit Blick auf die Tour de France dürfte der Konkurrenz schon jetzt ein wenig bange werden. Denn Pogačar wirkt fast noch stärker, als er 2024 gewesen ist. Wie will man diesen Mann schlagen, der einfach alles kann? Es bleibt für Vingegaard, Roglic & Co noch ein wenig Zeit, eine Antwort auf diese Frage zu finden. Sollte es denn überhaupt eine (realistische) geben. 


Primož Roglič – Mit Sieg „in der Spur“ Richtung Giro d’Italia

35 Jahre / Red Bull-Bora-hansgrohe / Grand Tour-Siege: 4 x Vuelta, 1 x Giro / Tour-Teilnahmen: 6

In diesem Jahr führt der Weg von Primoz Roglic zur Tour de France über den Giro d’Italia. Eine erfolgreiche Italien-Rundfahrt soll den Druck vom Slowenen nehmen, ihm Rückenwind bescheren. So zumindest die Idee seines Teams. Sein Rennprogramm im Frühjahr fällt dementsprechend knapp aus. Algarve-Rundfahrt und Katalonien-Rundfahrt waren die einzigen beiden Rennen im Vorfeld des Giro. In der Algarve war der Routinier noch ein ganzes Stück von der Top-Form entfernt. Mit unrasierten Beinen trat er demonstrativ locker bei seinem ersten Saisonrennen an. Mit dem eher glanzlosen Auftritt und Gesamtrang acht in Portugal schien man Ende Februar dennoch zufrieden zu sein. Zurecht, wie sich nun zeigte.

Denn gut einen Monat später ist klar, dass Roglic einen Leistungssprung gemacht hat und im Soll ist. Der 35-Jährige lieferte in Katalonien ein starkes Rennen und überzeugte vor allem am Schlusstag. Auf der anspruchsvollen Runde in Barcelona hängte er auch Leader Juan Ayuso ab und fuhr mit einem starken Solo zum zweiten Tagessieg und am Finaltag zurück ins Leadertrikot. Die Bergwertung und auch die Punktwertung entschied er zudem für sich.

Der Erfolg bei der Katalonien-Rundfahrt dürfte Roglic Selbstvertrauen und Zuversicht geben, besonders mit Blick auf den Giro. Auch einige seiner Teamkollegen legen nun noch ein Höhentrainingslager ein, um dann am 9. Mai in Bestform am Start des Giro in Albanien zu stehen. 

Es scheint, als würde der Plan des Teams bislang aufgehen, die Formkurve des Kapitäns den gewünschten Verlauf nehmen. Nur zwölf Renntage hat Roglic bislang in diesem Jahr in den Beinen, mit dem Giro kommen dann planmäßig 21 hinzu. So würde Roglic im Idealfall mit 33 absolvierten Renntagen zum Tourstart reisen. Zum Vergleich: Titelverteidiger Tadej Pogacar reiste 2024 mit genau 31 Renntagen in den Beinen an und holte nach dem Girotriumph auch den Sieg bei der Tour. 

Remco Evenepoel – Standortbestimmung in den Ardennen

25 Jahre / Soudal-Quick Step / Grand Tour-Siege: 1 x Vuelta / Tour-Teilnahmen: 1

Ganz Belgien schaut gespannt auf die Ardennen-Klassiker. Denn Remco Evenepoel wird nach langer Verletzungspause sein Comeback geben. Anfang Dezember 2024 war der Belgier im Training mit einem Postauto kollidiert und hatte sich schwer verletzt. Er sei am Boden gewesen und es wäre ein harter Kampf zurück gewesen, so der Belgier via Social Media. Doch nun endlich wird der Olympiasieger beim Pfeil von Brabant am Freitag wieder eine Startnummer tragen. 

In welcher Verfassung Evenepoel ist, wird sich vor allem beim Monument Lüttich-Bastogne-Lüttich am 27. April zeigen. Das sehr anspruchsvolle Rennen hat der Belgier bereits zwei Mal gewonnen. Um dort im Finale eine Rolle zu spielen, braucht es mehr als eine solide Form.

Möglicherweise lässt Evenepoel schon vorher, beim Amstel Gold Race oder beim Fleche Wallonne aufhorchen. Doch sein Team Soudal-QuickStep hat weitere Top-Fahrer am Start, die dort vielleicht die Kapitänsrolle bekommen. So beispielsweise Maximilian Schachmann beim Amstel Gold Race oder Ilan Van Wilder beim Fleche Wallonne. 

Es ist nicht das erste Mal, dass sich Evenepoel nach einem herben Rückschlag zurück kämpfen musste. Im Jahr 2020 verunglückte er bei der Lombardei-Rundfahrt schwer, stürzte einen Abhang hinunter und brach sich das Becken. Erst nach fast neun Monaten kehrte er zurück. Im vergangenen Jahr stürzte er bei der Baskenland-Rundfahrt Anfang April, brach sich Schlüsselbein und Schulterblatt. Im Juni kehrte er dann zurück ins Peloton, stand bei der Tour de France auf dem Podium und wurde Doppel-Olympiasieger. 

Nun hat sich der 25-Jährige erneut zurückgekämpft und in Form gebracht. Wie gut er im Vergleich zu den absoluten Top-Fahrern ist, wird sich bei den Ardennen-Klassikern in den kommenden Tagen zeigen. Denn dort trifft er auch auf Überflieger Tadej Pogacar. 

Spätestens nach Lüttich-Bastogne-Lüttich sollte klar sein, ob Evenepoel mit reichlich Hausaufgaben, oder großem Selbstbewusstsein aus den Ardennen nach Hause reist.

Jonas Vingegaard – kleine Fragezeichen hinter der Form

28 Jahre / Team Visma | Lease a Bike / Grand Tour-Siege: 2 x Tour / Tour-Teilnahme

Seit dem letzten „Fab Four-Text“ hat sich bei Jonas Vingegaard wenig getan. Der Däne war gut in die Saison gestartet, dann allerdings bei Paris-Nizza gestürzt. Sein Rennprogramm wurde eingedampft, die Katalonien-Rundfahrt gestrichen. Beim Team Visma | Lease a Bike hält man sich in Sachen Rehabiltation und Trainingsfortschritte grundsätzlich eher bedeckt. Bekannt wurde nur, dass Vingegaard beim Sturz auch eine Gehirnerschütterung davongetragen hatte und seine Pause etwas länger ausfiel.

Die Tour de France ist das große Saisonziel, diesem wird alles untergeordnet. Ursprünglich wollte Vingegaard vor der Tour nur das Critérium du Dauphiné  als Vorbereitung absolvieren. Ob er nach dem schwierigen Frühjahr noch ein weiteres Rennen in seinen Plan aufnimmt, ist nicht bekannt. 

Die Vergangenheit hat gezeigt, dass der Toursieger von 2022 und 2023 auch ohne Rennbelastung in guter Form zur Tour kommen kann. Im vergangenen Jahr hatte Vingegaard nach seinem Sturz bei der Baskenland-Rundfahrt im April bis zum Auftakt Tour-Auftakt in Florenz kein einziges Rennen bestritten. Dennoch war er von Beginn an hellwach, holte einen Etappensieg und musste sich am Ende nur Pogacar geschlagen geben.

Es ist nahezu unmöglich den aktuellen Formstand des Dänen seriös zu beurteilen. Eventuell wird ein geändertes Rennprogramm ein wenig Aufschluss geben, ob Vingegaard für die Tour im Soll ist. Große Zweifel an seiner Vorbereitung sind offenbar nicht angebracht, denn auch wenn die Pause nach Paris-Nizza etwas länger war, sitzt er nun wieder auf dem Rad und trainiert.

Alle Folge des Tour de France-Favoritenchecks

Fab Four: Das Form-Barometer der Tour de France-Favoriten – Teil eins