Los geht’s ! Am kommenden Samstag (4. Juli) startet in Lille die Tour de France 2025. Die besten Fahrer der Welt kämpfen um das berühmteste Radtrikot der Welt. Wer wird am Ende in Gelb in Paris auf dem Podium stehen? Wir schauen auf die Fab Four – die aktuell vier besten Klassementfahrer der Welt, die in Frankreich um den Sieg bei der Tour de France kämpfen.
Bernd Landwehr, Chefredakteur des Cyclingmagazine, analysiert die Leistungen der vier Top-Favoriten auf ihrem Weg in Richtung Tour de France-Start unter die Lupe erstellt so ein „Tour-Barometer der Fab Four“.
Hier geht es zur ersten, zweiten und dritten Folge mit allen Infos.
Tadej Pogačar – der Top-Favorit in Top-Shape
26 Jahre / UAE Team Emirates-XRG / Grand Tour-Siege: 3 x Tour / Tour-Teilnahmen: 5
Ein herausragendes Frühjahr hat der Titelverteidiger abgeliefert und dann auch beim Härtetest – dem Critérium du Dauphiné – gezeigt, dass er aktuell der beste Fahrer der Welt ist. Pogačar dominierte vor allem bergauf, war deutlich stärker als die Konkurrenz. Es gibt keine Zweifel daran, dass Tadej Pogačar als Top-Favorit in die Tour de France geht. Doch ein Radrennen über drei Wochen, mit einer komplizierten ersten Woche, kniffligen Abfahrten, Stürzen, wechselnden Wetterbedingungen und intensiver mentaler Anspannung lässt sich Erfolg nur sehr eingeschränkt planen.
Beim Critérium du Dauphiné lief zudem auch nicht alles glatt. Denn im Einzelzeitfahren musste Pogačar eine Niederlage einstecken. Nicht nur Olympiasieger Remco Evenepoel war schneller, sondern auch Dauerrivale Jonas Vingegaard und dessen Teamkollege Matteo Jorgenson. Er wolle daran arbeiten, sagte Pogačar nach dem Rennen und nahm die Rennmaschine seines größten Rivalen genau in Augenschein. Am fünften Tag der Tour steht das erste Einzelzeitfahren an – man darf gespannt sein, wie er sich dort präsentiert.
Tadej Pogačar bleibt Favorit und für ihn spricht nicht nur seine physische Leistungsfähigkeit, sondern auch sein starkes Team und seine Erfahrung aus drei Tour-Erfolgen. In der ersten Woche gibt es wenig zu gewinnen, aber viel zu verlieren. Schadlos bis zum ersten Ruhetag kommen, vielleicht von den welligen Abschnitten etwas profitieren und ein paar Sekunden auf die Konkurrenz herausholen. Dann in Woche zwei in Pyrenäen klar machen, wer der Chef ist. In den Alpen in Woche drei keine Schwäche zeigen, gesund bleiben und alle Angriffe abwehren – so könnte ein Fahrplan aussehen. In der Theorie. Wie die Praxis aussieht, bestimmt auch die Konkurrenz.
Pogačar ist der Top-Favorit und diese Rolle wird er auch im Rennen annehmen müssen. Der Rest will ihn vom Thron stoßen und wird jede Chance nutzen anzugreifen. Der Schlüssel zum Sieg liegt in seiner beeindruckenden Leistungsfähigkeit, doch er wird auch die Unterstützung seiner Mannschaft brauchen.
Jonas Vingegaard – dem Herausforderer fehlen noch ein paar Prozent
28 Jahre / Team Visma | Lease a Bike / Grand Tour-Siege: 2 x Tour / Tour-Teilnahmen: 4
Vor dem Critérium du Dauphiné gab sich das Team Visma | Lease a Bike selbstbewusst und optimistisch. Er wäre so gut wie nie zu vor, hieß es vom Team. Die Lücke zu Pogačar sei kleiner geworden, weil Vingegaard im Winter einen weiteren Leistungssprung gemacht habe. Im Rennen fuhr Vingegaard tatsächlich offensiv und angriffslustig. Sein Zeitfahren war stark! Er hatte sich nicht nur gut vorbereitet, sondern kehrte rund drei Monate nach seinem sturzbedingten Aus bei Paris-Nizza in sehr guter Form zurück in den Rennbetrieb. Doch am Ende war er nur der zweitbeste Fahrer, gegen Pogačar ohne Chance.
So geht Vingegaard nun als Herausforderer in die Tour. Das kann ein Vorteil sein, denn Pogačar darf sich nicht nur auf ihn konzentrieren. Doch auch für Vingegaard gilt, die erste Woche gut zu überstehen und dann in der schweren zweiten Woche abzuliefern. Das Bergzeitfahren nach Peyragudes am 13. Renntag könnte von sehr großer Bedeutung sein. Gelingt es Vingegaard an diesem Tag schneller als Pogačar zu sein, würde das nicht nur einen Vorteil im Kampf um Gelb bedeuten, sondern könnte auch mental Auftrieb geben. Schon einmal hatte er bei einem anspruchsvollen Zeitfahren Pogačar geschlagen – bei der Tour de France 2023 auf dem Weg nach Combloux. Am Ende holte er sich den Toursieg souverän. Doch damals war Pogačar längst nicht so stark, wie etwa im vergangenen Jahr. Und vermutlich auch in diesem Sommer.
Das Team muss helfen, Pogačar zu schlagen
Für Vingegaard geht es auch darum, sein starkes Team clever einzusetzen. Taktisch schlau agieren, dem Gegner zum Kräfteverschleiß zwingen und dann selbst die Chance zum Angriff nutzen. Leichter gesagt als getan – erst recht gegen einen Tadej Pogačar in Bestform.
Auch wenn man beim Critérium du Dauphiné eine herbe Niederlage gegen Pogačar hinnehmen musste – ganz sicher wird man beim Team Visma | Lease a Bike mit einem klaren Plan in die Tour gehen und diesen versuchen optimal umzusetzen. Es geht darum, die Schwächen des Gegners zu nutzen, um ihn zu schlagen. Man darf gespannt, wo man glaubt bei Pogačar einen Schwachpunkt erkannt zu haben und angreifen wird – im Rennen wird es Aufschluss geben!
Primož Roglič – vom Giro-Ausstieg zum Tour-Start
35 Jahre / Red Bull-Bora-hansgrohe / Grand Tour-Siege: 4 x Vuelta, 1 x Giro / Tour-Teilnahmen: 6
Seit seinem Ausstieg beim Giro d’Italia ist Primož Roglič kein Rennen mehr gefahren. Nach mehreren Stürzen musste er die Italien-Rundfahrt auf der 16. Etappe aufgeben. Anschließend wurde es still um den 35-jährigen Slowenen, der vielleicht seine letzte Chance bei der Tour de France bekommt. Roglič erholte sich, absolvierte dann seine Vorbereitung auf die Tour samt Höhentrainingslager.
Der Routinier hat fast alles gewonnen, was es für einen Fahrer seiner Klasse zu gewinnen gibt. Nur der Toursieg fehlt eben noch zur vollenden Karriere. Ob es in diesem Jahr klappt, ist sehr fraglich. Pogačar und Vingegaard fahren in einer Liga über Roglič, der mit seinem Team Red Bull-Bora-hansgrohe eher in der Außenseiterrolle ist.
Roglič hatte Mühe sich im neuen Team zurechtzufinden, den Kollegen vollends zu vertrauen, wenn es hektisch und knifflig in den Rennen wurde. Zu was er in der Lage ist, kommt er gesund durch eine Rundfahrt, wurde zuletzt bei seinem Gesamtsieg bei der Vuelta 2024 deutlich. Doch Roglič stürzt sehr oft, muss immer wieder Rückschläge überwinden. So auch beim Giro d’Italia, bei dem er eigentlich um den Gesamtsieg fahren sollte und dann mit breiter Brust in Richtung Tour de France durchstarten. Daraus wurde nichts. Ganz im Gegenteil.
Ohne Sturz und große Fehler durch die erste Woche
Primož Roglič ist nicht der Top-Favorit, was ihm vielleicht etwas den Druck nimmt. Keine Fehler machen, die ersten 10 Tage gut überstehen und ohne Zeitverlust den ersten Ruhetag erreichen. Danach wird das Rennen etwas weniger hektisch, aber anspruchsvoller. Physisch ist Roglič noch immer extrem stark, auch wenn er im Herbst seiner Karriere angekommen ist. Ein herausragender Zeitfahrer, bergauf fast auf dem Niveau von Vingegaard.
Der Plan im Team könnte beinhalten, dass man versucht vom Duell der Überfahrer zu profitieren. Belauern sich Pogačar und Vingegaard, könnte das Roglič helfen und er vielleicht davon profitieren. Doch die Grundlage für eine erfolgreiche Tour de France ist, dass er möglichst sturzfrei und gesund bleibt. Sponsor Red Bull würde gern eine andere Tour de France erleben als das Desaster von 2024, als man unsichtbar fuhr und glücklos agierte. Druck wird wohl jeder im Team verspüren, auch das junge Talent Florian Lipowitz, der Roglič zur Seite stehen wird.
Für Primož Roglič ist es vielleicht der letzte große Angriff auf Gelb. Er wird alles reinwerfen, was er hat. Gegen Vingegaard und Pogačar wird es schwer, doch auch diese beiden Überflieger brauchen eine fehlerfreie Tour, um Gelb anzugreifen. Roglič fehlt zwar der Gesamtsieg, für seine schon jetzt beeindruckenden Palmares – für das Team Red Bull-Bora-hansgrohe wäre ein Platz auf dem Podium schon ein sehr großer Erfolg!
Remco Evenepoel – Herausforderer in Lauerstellung
25 Jahre / Soudal-Quick Step / Grand Tour-Siege: 1 x Vuelta / Tour-Teilnahmen: 1
Beim Critérium du Dauphiné lieferte Remco Evenepoel ein herausragendes Zeitfahren. Bergauf war er allerdings nicht konkurrenzfähig. Grund in Panik zu verfallen, gibt es keinen, denn 2024 war Evenepoel beim Critérium du Dauphiné auch nicht unter den Top-Fahrern, glänzte dann aber bei der Tour de France. Kann ihm solch Leistungssprung wieder gelingen? Das bleibt abzuwarten.
Der Plan von Evenepoel für 2025 sah vor, die Lücke zu Pogačar und Vingegaard etwas zu verkleinern. Er wollte den nächsten Schritt machen, sich vor allem auch bergauf verbessern. Doch der Trainingsunfall im Dezember störte seine Vorbereitung erheblich.
Evenepoel geht nicht als Favorit in die Tour, ist eher Herausforderer in Lauerstellung. Die ersten Tage sind für den Belgier von großer Bedeutung, denn die fünfte Etappe ist das erste Zeitfahren und eine große Chance – eventuell auch auf das Gelbe Trikot. Sollte er es tatsächlich erobern, kann er es eventuell sogar bis zum ersten Ruhetag verteidigen. Doch in den Pyrenäen wird sich schnell zeigen, wie stark die Konkurrenz ist und ob er erneut um das Podium mitkämpfen kann.
Steht er erneut am Ende der Tour auf dem Podium, wäre das ein sehr gutes Ergebnis! Doch die Konkurrenz ist nicht schwächer geworden, neue Talente drängen nach oben. Evenepoel wird eine Tour ohne Schwächen benötigen, um tatsächlich ums Podium zu kämpfen. Doch ganz sicher wird es für ihn und sein Team nicht nur um die Gesamtwertung gehen. Tim Merlier soll als Sprinter erfolgreich sein und Evenepoel will im ersten Zeitfahren angreifen. Gelingt es hier erfolgreich zu sein, wird auch das Abschneiden in der Gesamtwertung vielleicht weniger wichtig als bei den anderen drei Fahrern der „Fab Four“.