Souplesse – diesen Begriff, der den geschmeidigen Tritt des Rennradfahrers und dessen Eleganz und Anmut umschreibt, findet man in der heutigen Radsportwelt nur noch selten. Stattdessen werden die Fahrer nur noch nach purer Leistung, Schwellenwerte oder Watt pro Kilogramm beurteilt. Dabei steht diese Souplesse, wie sie ein Fausto Coppi, Jacques Anquetil, Eddy Merckx, Didi Thurau, Pedro Delgado, Miguel Indurain und Jan Ullrich besaßen, nicht nur als Inbegriff für Eleganz, sondern auch für Effizienz.
Radsportler, die mit solch einem Talent ausgestattet sind, schaffen es „relativ“ verlustfrei, die aufgebrachte Leistung in Vortrieb zu verwandeln, indem ihre einzelnen Muskeln perfekt ineinandergreifen und optimal vernetzt sowie verschaltet sind. s gibt kein stumpfes „nur nach unten treten“, kein stakkatoartiges Haken im Wiegetritt, sondern einen runden Bewegungsablauf wie aus einem Guss. Das Ergebnis: höherer Wirkungsgrad, weniger Energieverlust, geringere muskuläre Überlastung – gerade auf langen Distanzen ein echter Vorteil.
Motorik-Workouts zielen genau darauf ab, diese Ansteuerung zu verbessern. Sie zwingen das Nervensystem dazu, mehr Muskelfasern koordiniert zu rekrutieren, als es bei der immer gleichen Wohlfühlkadenz nötig wäre. Wird stets mit denselben Trittfrequenzen und im gleichen Intensitätsbereich gefahren, bleiben bestimmte Faseranteile und Bewegungsmuster unterfordert. Erst bei intensiven, hochfrequenten oder technisch anspruchsvollen Aufgaben wird das Gehirn gezwungen, zusätzliche motorische Einheiten zuzuschalten, um die Bewegung sauber kontrollieren zu können.
Alpecin Cycling hat dafür unterschiedliche Motorik-Workouts entwickelt, die sich sowohl als eigenständige Einheit als auch als Baustein in längeren Trainingsfahrten einsetzen lassen – indoor auf dem Smarttrainer genauso wie draußen auf der Straße. Gerade Übungen wie einbeiniges Pedalieren oder Trittfrequenz-Pyramiden lassen sich auf der Rolle besonders präzise steuern, weil die Konzentration vollständig auf Bewegung und Kadenz gelegt werden kann
Workout 1: Einbeinig fahren
- Einrollen: 20 Minuten GA1 bei 80–100 U/min (Wohlfühlkadenz).
- Hauptteil: 2 Serien wechselseitig je 4 × 1 Minute einbeinig pedalieren mit relativ hohem, aber gut kontrollierbarem Widerstand bei ca. 80 U/min.
- Gang so wählen, dass der Tritt nicht „würgend“ wirkt und sich besonders über die Totpunkte oben und unten sauber führen lässt.
- Pause zwischen den einbeinigen Intervallen: 1 Minute lockeres beidbeiniges Kurbeln (GA1).
- Zwischen den Serien: 10 Minuten GA1.
- Ausrollen: 10 Minuten im Kompensationsbereich (KB) bei hoher Kadenz (90–110 U/min).
- Wichtig: Das nicht aktive Bein ausklicken und entspannt mitführen, nicht mitziehen.
Workout 2: Frequenz-Pyramidentraining
- Einrollen: 20–30 Minuten GA1 in der Wohlfühlkadenz (80–100 U/min).
- Pyramide:
- Start: 1 Minute bei 80 U/min.
- Dann jede Minute die Trittfrequenz um 10 U/min erhöhen: 90, 100, 110 …
- Je nach Leistungsstand liegt die Spitze bei 130 U/min; wer technisch sauber bleibt, kann bis 140–150 U/min steigern.
- Ab dem Peak die Trittfrequenz im gleichen Raster wieder senken, bis die Ausgangskadenz erreicht ist.
- Ausrollen: 20 Minuten locker im GA1-Bereich bei Wohlfühlfrequenz.
Ziel ist ein kontrolliert hoher Tritt bei ruhigem Oberkörper – nicht „hüpfend“, sondern stabil.
Workout 3: Dauerfrequenz-Training
- Einrollen: 20 Minuten GA1 bei 80–100 U/min.
- Hauptteil: 10 × 1 Minute Frequenztraining mit 120 U/min.
- Wer zu stark im Sattel „hüpft“, reduziert auf 110 U/min.
- Fortgeschrittene können bis 130 U/min gehen, solange der Tritt technisch sauber bleibt.
- Pause: Zwischen den Intervallen jeweils 5 Minuten aktives Rollen bei 80–100 U/min, bis die Herzfrequenz wieder sicher im GA1-Bereich liegt.
Dieses Workout schult vor allem die neuromuskuläre Ansteuerung bei hoher Kadenz – ideal, um später im Rennen auch mit „leichteren“ Gängen effizient schnell fahren zu können.
Workout 4: Sprints aus dem Stand (K1-Training)
Beim K1-Training wird nahezu aus dem Stillstand heraus mit sehr hoher Übersetzung beschleunigt.
- Einrollen: 20 Minuten locker, anschließend 2–3 kurze Vorbereitungssprints mit geringer Last.
- Hauptteil:
- 3 bis 6 Sprints à 6–10 Sekunden aus fast stehendem Start, jeweils mit schwerem Gang.
- Übersetzung so wählen, dass die ersten Kurbelumdrehungen hart sind, sich die Kurbel aber nach wenigen Sekunden flüssiger drehen lässt.
- Zwischen den Sprints: lockeres Ausrollen oder kurze Rollphasen, bis Atmung und Herzfrequenz wieder kontrolliert sind.
Diese Sprints zwingen das Nervensystem, in kürzester Zeit maximal viele Muskelfasern zu aktivieren – ein wichtiger Baustein für Antrittsstärke und kraftbetonten runden Tritt.
