Der fünfte und letzte Teil unserer Serie Fab Four 2025 – die Analyse der Top-Favoriten bei der Frankreich-Rundfahrt. Tadej Pogačar gewann souverän und überraschte trotzdem durch seine Fahrweise. Die eigenartige Taktik Sein großer Herausforderers Jonas wand erfolglos eine eigenartige Taktik an. Und Zwei der Fab Four enttäuschte. Die Tour de France lief für die „Fab Four “ ganz unterschiedlich. Für die Favoritenrolle der Tour de France 2026 kann man schon jetzt Schlüsse ziehen.
Radsport- Insider Bernd Landwehr, Chefredakteur des Cyclingmagazine, nimmt die Leistungen der vier Top-Favoriten während Tour de France genau unter die Lupe und zieht eine abschließende Bilanz.
Hier geht es zur ersten, zweiten, dritten und vierten Folge mit allen Infos.
Tadej Pogačar – solide abgeliefert
26 Jahre / UAE Team Emirates-XRG / Grand Tour-Siege: 4 x Tour / Tour-Teilnahmen: 6
Er kam als großer Favorit zur Tour und er ließ sich in Paris verdient im Gelben Trikot feiern. Für Tadej Pogačarwar es bereits der vierte Gesamtsieg. Ähnlich souverän wie im vergangenen Jahr wirkte der Sieg und war während der drei Wochen nie in Gefahr.
Dabei lief die Tour 2025 nicht ideal für Pogacar und sein UAE-Team. Der wichtigste Berghelfer, Joao Almeida, musste das Rennen nach Sturz verlassen, bevor es ins Hochgebirge ging. Einige Helfer schienen zudem nicht in Top-Verfassung zu sein. Doch bei einer solch starken Mannschaft können kleinere Schwächen kompensiert werden – auch durch die bärenstarken Nils Politt und Tim Wellens.
Tadej Pogačarwar von Beginn an hellwach, holte sich schon in der ersten Woche zwei Etappensiege. Mit Spannung war das erste flache Einzelzeitfahren erwartet worden, nachdem ihm beim Critérium du Dauphiné in dieser Disziplin Herausforderer Jonas Vingegaard noch eine empfindliche Niederlage zugefügt hatte. Doch bei der Tour lieferte Pogacar im Kampf gegen die Uhr ab – er wurde Zweiter hinter Olympiasieger Remco Evenepoel und nahm Vingegaard viel Zeit ab
Als es in die Pyrenäen ging, legte Pogačar nach und sorgte für eine Vorentscheidung im Kampf um Gelb. Bei der ersten Bergankunft und beim darauffolgenden Bergzeitfahren distanzierte er Vingegaard und den Rest des Feldes deutlich. Am zweiten Ruhetag der Tour hatte Pogacar mehr als vier Minuten Vorsprung in der Gesamtwertung. Ein dickes Polster.
Vier Tagessiege bei der Tour de France 2025
Am Mont Ventoux und in den Alpen ließ Pogačar nichts anbrennen. Er fuhr das Rennen nach Hause, wirkte jeden Tag etwas weniger motiviert, fast gelangweilt. Er dominierte das Rennen, wehrte die wenigen Angriffe ab und zählte die Kilometer bis Paris runter. Ein ganz souveräner Sieg des besten Fahrers der Welt. Erst am letzten Tag hatte Pogacar sichtlich wieder Spaß am Radrennen, kämpfte auf dem Klassiker-Kurs durch Paris gegen Wout van Aert um den Tagessieg.
Nach dieser Tour de France stellt sich nicht nur die Frage, wie man denn diesen Tadej Pogacar schlagen will. Es stellt sich vielleicht auch eine ganz andere Frage. Denn so „lustlos“ wie der Slowene wirkte, muss man erstmal abwarten, wie oft er sich für dieses Rennen noch motivieren kann. Pogacar hat fast alles gewonnen, was man gewinnen kann, er spricht nicht ohne Grund davon, dass es vor allem die Eintagesrennen sind, die ihm Spaß bereiten. Eine Tour de France wird über die körperliche Leistungsfähigkeit, die Regeneration und das Vermeiden von Fehlern entschieden. Begleitet wird das Rennen von täglichen Medien-Verpflichtungen und den immer gleichen Abläufen und Pressefragen. Irgendwann ist die „Faszination Tour“ vorbei.
Tadej Pogačarist fraglos der verdiente Sieger der Tour de France 2025. Er hat ein sehr gutes Rennen abgeliefert und wirkte stets souverän. Kehrt er 2026 zurück? Das muss man abwarten. Pogacar wirkt müde, vor allem mental. Er möchte einfach Rennen fahren, Spaß am Sport haben. Wie es scheint, hat er das eher bei den Klassikern. Vier Toursiege hat er eingefahren, der Rekord liegt bei fünf Tour-Triumphen. Die Chance, dass er also noch mindestens ein Mal bei der Tour auftaucht, ist sehr groß!
Jonas Vingegaard – überraschend wehrlos
28 Jahre / Team Visma | Lease a Bike / Grand Tour-Siege: 2 x Tour / Tour-Teilnahmen: 5
Das Visma-Team von Jonas Vingegaard gab sich vor der Tour de France selbstbewusst. Man habe die Lücke zu Pogacar verkleinert und einen klaren Plan – hieß es vor dem Rennen. Sie wollten die Rolle der Herausforderer annehmen und Pogačarin Bedrängnis bringen. Die Taktik wirkte jedoch schon zu Beginn eigenartig. Auf welligen Etappen wurde angegriffen, versucht Pogacar zu stressen, Druck zu erzeugen. Mal in der Verpflegung geblockt, mal in eine Abfahrt attackiert, dann bei Wind angegriffen. Die Teamkollegen von Vingegaard warfen schon in den ersten Tagen reichlich Körner auf die Straße. Vingegaard selbst hielt sich zurück, vor allem seine Teamkollegen versuchten für Unruhe zu sorgen und Pogačarund dessen Team in Fehler zu treiben.
Dieser taktische Plan ging nicht auf. Das Team von Vingegaard schien in der zweiten Tour-Hälfte müde, musste für die Anstrengungen in der ersten Woche büßen. Pogacar und sein Team schienen weder beeindruckt noch ließen sie sich zu Fehlern zwingen.
Vingegaard selbst hatte zudem zwei schwache Tage – auf entscheidenden Etappen. Zum einen war er im ersten Zeitfahren überraschend schwach, zum anderen verlor er schon auf der ersten Pyrenäen-Bergankunft mehr als zwei Minuten! Ungewöhnlich für Vingegaard, dass er gleich zwei schwache Tage während einer Grand Tour erlebt, wo er sonst meist ohne große Schwankungen durchkam.
Mit Defensiv-Taktik ohne Chance
Und noch etwas fiel auf – Vingegaard fuhr im Kontrast zu seinem Team sehr defensiv. Es gab im Hochgebirge überhaupt nur eine echte Attacke auf Gelb – am Col de la Madeleine in der Schlusswoche. Auch dieser Angriff wurde von Pogacar souverän abgewehrt.
Insgesamt wirkte es zu keinem Zeitpunkt so, als könne Vingegaard nach Gelb greifen und Pogačarbezwingen. Nach den Pyrenäen war der Rückstand ohnehin riesig, doch auch wenn es für ihn dann wenig zu verlieren gab, schien er nicht gewillt durch taktisches Risiko dennoch einen Punkt gegen Pogačarmachen zu wollen.
So reist Jonas Vingegaard ohne Etappensieg und mit vielen Hausaufgaben nach Hause. Der Rückstand zu Pogacar war groß, die Taktik des Teams funktionierte nicht und mit gleich zwei schwachen Tagen gibt es reichlich zu analysieren. Man darf schon jetzt gespannt sein, mit welch Plan das Visma-Team im kommenden Jahr ins Rennen gehen wird – der Ansatz von diesem Jahr ist gescheitert.
Primož Roglič – ohne Chance
35 Jahre / Red Bull-Bora-hansgrohe / Grand Tour-Siege: 4 x Vuelta, 1 x Giro / Tour-Teilnahmen: 7
Primož Roglič hat in seiner Karriere große Siege eingefahren – die Vuelta mehrfach gewonnen, den Giro d’ Italia ebenso als Sieger beendet. Nur bei der Tour de France gelang es nicht. An die knappe Niederlange 2020 gegen Tadej Pogacar, als einen Tag vor Paris das Gelben Trikot verlor, ist vielen in Erinnerung. Der Toursieg ist der letzte große Traum des Slowenen. Er wechselte von Visma | Lease a Bike zu Red Bull Bora-Hansgrohe, um der Kapitän für die Tour zu sein und das interne Duell mit Jonas Vingegaard zu vermeiden. Im vergangenen Jahr schied er früh durch einen Sturz aus – die Tour 2025 galt als seine letzte große Chance auf den Sieg. Doch nun deutet alles darauf hin, dass der Toursieg ein unerfüllter Traum bleiben wird.
Primož Roglič war nicht auf Augenhöhe mit Pogacar oder Vingegaard. Zudem hat er mit Florian Lipowitz nun im eigenen Team einen Fahrer, der stärker ist als er. Es scheint, als sei die Zeit vorbei, in der sich Roglič so große Hoffnungen auf den Toursieg machen kann, dass er in einem Team wie Red Bull-Bora-Hansgrohe berechtigt die klare Leaderrolle beansprucht.
Nach dieser Tour de France 2025 darf man Roglič vielleicht sogar aus der Liste der „Fab 4“ streichen. Er hat große Siege gefeiert, eine herausragende Karriere hingelegt, doch bei der Tour 2025 war er weit weg von der Chance, um den Gesamtsieg zu fahren. Oder kommt er 2026 zurück und zeigt es allen? Das wäre eine märchenhafte Geschichte.
Remco Evenepoel – Ausstieg und Abschied
25 Jahre / Soudal-Quick Step / Grand Tour-Siege: 1 x Vuelta / Tour-Teilnahmen: 1
Nach dem eher enttäuschenden Auftritt beim Critérium du Dauphiné wirkte Evenepoel zum Start der Tour de France deutlich stärker. Er gewann das Zeitfahren in der ersten Woche, fuhr selbstbewusst und zunächst auf Augenhöhe mit Vingegaard und Pogacar. Auch wenn er am ersten Tag Zeit verlor und so den Traum von Gelb nach dem Zeitfahren früh aufgeben musste. Den Kampf gegen die Uhr gewann er dennoch und trug das Weiße Trikot des besten Nachwuchsfahrers. Doch in den Pyrenäen brach er ein, gab offenbar krank auf.
Erst nach der Tour wurde klar, dass er wohl mit gebrochener Rippe das Rennen begonnen hatte, nachdem er bei der Belgischen Meisterschaft gestürzt war. So berichten es zumindest belgische Medien. Der Einbruch, die frühe Aufgabe – dazu der anhaltende Wirbel um seinen wohl bevorstehenden Wechsel zu Red Bull-Bora-Hansgrohe. Er wirkte, als sei Evenepoel überfordert. Der Druck auf den Belgier ist riesig, die Erwartungen nach Gesamtrang drei waren groß, die Sehnsucht nach einem belgischen Toursieger ist in seiner Heimat riesig.
War die Verletzungspause doch zu lang?
Bei der Bewertung von Evenepoels Tour-Leistung sollte man den schweren Unfall im Winter nicht außer Acht lassen. Seine Saison begann verspätet, er kam erst zu den Klassikern zurück ins Peloton. Bei der Tour fuhr er, mit dem Rippenbruch nun zusätzlich gehandicapt, sehr stark, bis er einbrach und das Rennen aufgab.
Evenepoel hat Monumente gewonnen, ist Doppel-Olympiasieger, hat bereits eine Grand Tour für sich entschieden und stand bei der Frankreich-Rundfahrt auf dem Podium. Er wird ganz sicher wieder kommen und versuchen näher an Vingegaard und Pogacar heranzurücken. Vermutlich wird er 2026 dann ein anderes Trikot tragen, mal schauen, ob ihm das Flügel verleiht.
Alle Folgen des Tour de France-Favoritenchecks
Fab Four: Das Form-Barometer der Tour de France-Favoriten – Teil vier
Fab Four: Das Form-Barometer der Tour de France-Favoriten – Teil drei
Fab Four: Das Form-Barometer der Tour de France-Favoriten – Teil zwei
Fab Four: Das Form-Barometer der Tour de France-Favoriten – Teil eins
Fotos: Stefan Rachow