Am 23. November startet der Cyclocross-Weltcup 2025/26 im tschechischen Tábor mit dem ersten Rennen. Tábor gehört zu den Klassikern im Cross-Kalender: Die Stadt hat bereits mehrfach Weltmeisterschaften ausgerichtet. Zuletzt wurde Anfang 2024 auf dem Parcours um das Regenbogentrikot gefahren; am Ende durften es Mathieu van der Poel und Fem van Empel überstreifen.
Strecke des Cyclocross-Weltcups in Tábor
Tábor ist eine der schnellsten Runden im Kalender und begünstigt Fahrer:innen mit großem „Motor“. „Der Kurs ist so rund und flüssig gesteckt, dass man ein hohes Tempo fahren kann“, erklärt Cross-Experte Jens Schwedler. „Das spielt Athlet:innen mit viel Power in die Karten“, so Schwedler weiter. Im Vergleich zu den Niederlanden und besonders Belgien, wo die Parcours deutlich technischer sind und mehr Fahrtechnik verlangen, rückt in Tábor die körperliche Komponente stärker in den Vordergrund. Schwedler, vielfacher deutscher Meister (Elite und Masters) und vierfacher Masters-Weltmeister im Cyclocross, betont: „Dort drüben entscheidet häufig die Technik – in Tábor zählt die Physis mehr.“
Startphase: Sortierung vor den Kurven
Der Start führt über eine breite, leicht ansteigende Gerade, auf der sich das Feld sortiert, bevor es in die erste Folge aus 90-Grad- und S-Kurven auf Gras geht. Hier entscheidet sich, wer vorne in den technischen Teil des Kurses einbiegt – und wer im Verkehr stecken bleibt.
Im Mittelteil zieht sich die Runde in mehreren Wellen den Hang hinauf. Kurze Anstiege wechseln mit Off-Camber-Passagen, in denen Linienwahl und Balance zählen.
Nadelöhr Hürden
Markenzeichen von Tábor sind die Hürden. „Diese sind sehr hoch, stehen leicht bergauf, und danach geht es weiter hoch. Wer den Schwung mitnimmt, macht dort den Unterschied. Das kommt natürlich technisch versierten Fahrer:innen wie Michael Vanthourenhout entgegen“, sagt Schwedler. An dieser Stelle sind in der Vergangenheit immer wieder entscheidende Lücken entstanden, weil die Konkurrenz beim Ab- und Aufsteigen Tempo verliert.
Abfahrt und Attacken
Von dort geht es in eine schnelle Abfahrt zum tiefsten Punkt der Runde. Eine Reihe von Kurven und kleinen Wellen sorgt dafür, dass die Fahrer:innen ständig beschleunigen und wieder bremsen müssen. Zum Ende der Runde öffnet sich der Kurs, es geht zurück auf breite Wiesenpassagen mit langen Geraden.
Eine gute Stelle für eine Attacke sieht Schwedler in der Passage nach der Treppe: „Die hat zwar nur ungefähr zehn Stufen, aber direkt danach zieht es wieder bergauf. Wer dort Druck macht, kann spürbar Zeit gutmachen.“
Wetter als X-Faktor
„Durch die vielen längeren Geraden ist Tábor ein Terrain, auf dem sich straßenaffine Fahrer:innen mit hoher Leistung besonders wohlfühlen“, so Schwedler weiter. „Bleibt es trocken, wird das Rennen noch schneller.“ Spannend werde es bei wechselhaften Bedingungen: „Wenn es nachts friert und tagsüber taut, entstehen tiefe Matschstellen, die Ideallinie verändert sich im Rennverlauf – die ständige Neuorientierung ist für die Fahrer:innen die größte Herausforderung“, sagt Schwedler. Es kann aber auch passieren, dass der Kurs bis zum Männerrennen am Nachmittag – begünstigt durch den Wind – „trocknet“ und dann sehr schnell wird.
Favoriten-Check zum Cyclocross-Weltcup Tábor 2025
Ein Blick auf die Startlisten der Männer und Frauen zeigt, dass einige der großen Namen fehlen. So lässt Weltmeisterin Fem van Empel den Weltcup-Auftakt nach einer Krankheit aus. Auch Puck Pieterse, Blanka Vas, Ceylin del Carmen Alvarado und Zoe Bäckstedt sind nicht dabei.
Bei den Männern steigen die beiden Top-Favoriten Mathieu van der Poel und Wout van Aert erst später ins Geschehen ein. Tom Pidcock wird aller Voraussicht nach, wie schon in der vergangenen Crosssaison, komplett fernbleiben und sich voll auf die Straßensaison konzentrieren. Ebenfalls nicht für Tabor gemeldet ist Eli Iserbyt, der immer noch mit seiner Verletzung am linken Bein zu kämpfen hat.
Frauen: Powerhouse Lucinda Brand gegen Technikerin Inge van der Heijden
Ganz oben auf der Liste der Favoritinnen stehen Europameisterin Inge van der Heijden und Weltcup-Gesamtsiegerin Lucinda Brand. Die Niederländerin gewann Anfang November in Middelkerke ihren ersten Europameistertitel bei der Elite vor Lucinda Brand und Aniek van Alphen. Ein weiterer wichtiger Schritt für die Fahrerin aus dem Crelan-Corendon-Team.
Lucinda Brand beherrschte mit Ausnahme des EM-Rennens die Wettbewerbe der noch jungen Crosssaison und gewann bislang sieben Rennen. Zuletzt verwies die 36-Jährige van der Heijden und van Alphen beim Flandriencross auf die Plätze. Brand, die in der Saison 2024/25 bereits zum dritten Mal die Gesamtwertung des Cyclocross-Weltcups gewann, profitiert in Tabor von ihrer Tempohärte. Bei der WM 2024 wurde sie nur von Fem van Empel geschlagen. Generell wird es spannend sein, wer mit den Bedingungen am besten umzugehen weiß. Marion Norbert Riberolle, Sara Casasola und die erst 21-jährige Marie Schreiber sind allesamt Kandidatinnen fürs Podium. Mit Shirin van Anrooij kehrt zudem eine weitere Allrounderin in den Cross-Zirkus zurück. Als Rundfahrerin besitzt sie das Stehvermögen, das man braucht, um auf einem Kurs wie in Tabor gegen Ende nicht einzubrechen.
Männer: Aerts versus Nys versus Vanthourenhout
Frisch im Europameistertrikot steht Toon Aerts am Start. Der 32-Jährige sicherte sich in Middelkerke seinen zweiten EM-Titel. Aerts’ Stärke liegt in langen, gleichmäßigen Belastungen, was ein Vorteil ist, wenn es in Tábor trocken ist. Sein momentan wohl stärkster Konkurrent ist Thibau Nys, der in dieser Saison schon zwei Siege feierte und bei der EM Zweiter wurde. Seine Explosivität, gepaart mit Stehvermögen, passt perfekt zum Profil von Tábor. Ein Kandidat für den Sieg – sofern Nys einen fehlerfreien Tag erwischt. Denn Konstanz ist noch ein wenig sein Problem.
Michael Vanthourenhout ist stark in die Saison gestartet – mit drei Siegen –, ist dann aber mehrmals am Podium vorbeigefahren. Der Titelverteidiger im Gesamtweltcup ist ein hervorragender Techniker, der den Kurs kennt und mag. Zwei Mal gewann er hier bereits den Weltcup. Zuletzt wurde er bei der Weltmeisterschaft 2024 Dritter – hinter Mathieu van der Poel und Joris Nieuwenhuis. Nieuwenhuis, der früher als Straßenprofi aktiv war, könnte hier über die Distanz seine Stärke ausspielen. Der Kurs bereitet nämlich den Boden für ein Ausscheidungsrennen. Die Liste der Podiumskandidaten wird durch Fahrer wie Emiel Verstrynge, Jente Michels, Niels Vandeputte, Laurens Sweeck und Pim Ronhaar komplettiert, die allesamt jüngst Podiumsplätze in den großen Serien erreicht haben. Mit Spannung erwartet wird auch die Performance von Lars van der Haar, der noch kein Podiumsergebnis erzielt hat, aber immer besser in Form zu kommen scheint. Gleiches gilt auch für Cameron Mason. Der Brite ist ein super Techniker und seine Form wird immer besser. 2023 wurde Mason Vize-Europameister in Pontchâteau, auf einer eine Strecke, die dem Kurs in Tabor ähnelt, wenn dieser matschig ist.
TV-Tipp: Cyclocross-Weltcup in Tabor 2025 live auf Discovery Plus
Der Steamingdienst Discovery Plus überträgt am 23. November ab 12:50 Uhr das Frauen-Rennen live. Im Anschluss daran wird ab 14:20 Uhr das Männer-Rennen überragen.
Foto: IMAGO / CTK Photo
