Alpencross: München-Gardasee

Lenes Traum: Alpencross an einem Tag – von München an den Gardasee

In einem „Rutsch“ mit dem Rennrad von München an den Gardasee – solch etwas Verrücktes schwebt Lene Vosberg schon seit längerem vor. Sie liebt das Rennrad fahren, den Gardasee – und auch Herausforderungen. Was liegt also näher, als das alles miteinander zu verbinden. Zudem weiß sie aus eigener Erfahrung, wie schön es ist, angetrieben aus eigener Muskelkraft den Haussee der Münchner zu erreichen. Bislang aber eben nur in Etappen und nicht „inonego“ – wie Radler lange Touren ohne größere Pause bezeichnen.

„Ich war bereits drei Mal am Gardasee mit dem Rad, aber noch nie am Stück. München ist meine Heimat, der Gardasee erfüllt mein italienisches Pasta- und Espresso-Herz, da war die Verbindung naheliegend, dort wieder hinzufahren, weil es einfach wunderschön ist“, sagt die 34 Jahre alte Münchnerin.

„Es ist ein echter Traum von mir, die Distanz mal an einem einzigen Tag zurückzulegen. Und dieses Gefühl, dass Träume in Erfüllung gehen können und werden, ist einfach unbezahlbar“, sagt Ride Captain Lene Vosberg.

Doch nicht alleine das Erreichen dieses gesteckten Ziels reizt die Hobbyradsportlerin, sondern auch die Route dahin, die sie fahren wird: „Die Strecke hat so viele Reize und Schönheiten. Die bekannte Umgebung im Münchner Süden, in die ich oft fahre, vermittelt ein Gefühl von zu Hause Der Übergang nach Österreich, wo ich meine Liebe zu den Bergen immer wieder genieße. Der Moment, in dem man die Landesgrenze nach Italien passiert, und feststellt, dass man das alles mit seinen eigenen Beinen gefahren ist – da habe ich bislang immer Gänsehaut bekommen. Die italienischen Marktplätze in den Städten, die dir auf die Hand den besten Espresso servieren. Die Apfelbäume im Tal von Südtirol. Und schließlich der erste Blick auf den See, wo es bei der Abfahrt nach unten in jeder Kurve ein Grad wärmer wird, und die Seeluft und der Wind alles vergessen lässt, was hinter einem liegt.“ Mit diesen Bildern führt sie in ihrem eigenen Kopfkino Regie, motiviert sich und steigert die Vorfreude auf dieses einmalige Abenteuer noch einmal.

Angst vor dem „lange Riemen“ hat sie nicht, denn sie weiß, was auf sie zukommt. „Ich war mehr als sonst auf dem Rad unterwegs, auch wenn der Sommer hier in München vergleichsweise nass war, bisher. Ich checke meine Gesundheit beim Physiotherapeuten vorweg, gehe zum Chiropraktiker, um bei der Belastung so wenig Schmerzen wie möglich zu haben. Psychologisch merke ich, dass mir ein gewisser Grad an Vorbereitung ausreicht – die Strecke zu kennen, die Eckdaten im Kopf zu haben.“ Das reicht ihr, denn: „Ich will keine Details wissen, keine akribischen Daten sammeln, das setzt mich sofort unter Druck. Ich habe so viel Vorfreude darauf, dass ich weiß, dass die mich durch die Momente tragen wird, in denen mein Körper gerne nach Hause in die Badewanne möchte“, erklärt sie.

Und wenn dann doch Zweifel aufkommen und Müdigkeit sich breit macht, hat sie mit Moritz und Steve zwei Freunde mit dabei, auf die sich in jeder Lage verlassen kann. „Moritz ist ein leidenschaftlicher Radfahrer, der einen ausgeprägten Sinn für ein Teamgefühl hat, der eine hervorragende Mischung aus Faszination, Respekt und Spaß für den Radsport mitbringt.  Mit Steve absolviere ich viele Trainingseinheiten gemeinsam, was uns zusammenschweißt und mir die Gelegenheit gibt, mich auch blind mit ihm zu verständigen. Er hat einen unglaublichen Ehrgeiz und gleichzeitig eine Loyalität, die es für dieses Team braucht“, sagt sie.

Unterstützung erhält sie natürlich auch durch einen Begleittross, der sich im motorisiert mit auf den Weg gen Süden macht. So ist ein Mechaniker mit an Bord, falls das Material schlapp macht; und mehrere Helfer, die die Stopps unterwegs vorbereiten. Los geht es am kommenden Samstag um 3:30 in der Früh zur über 380 Kilometern langen Tour.

Wie lange sie brauchen wird, welchen Schnitt sie anpeilt, darüber macht sich Lene Vosberg keine Gedanken. Ihre Erwartungen an den Tag sind gänzlich andere: Ich will ankommen und die Fahrt genießen. Das ist alles. Keine Bestzeiten, kein Druck etwas zu müssen, sondern purer Genuss“, sagt sie.

Gute Fahrt!

Die Eckdaten der Strecke: 377 Kilometer / 2830 Höhenmeter

Start ist im Münchner Süden – in Giesing. Raus aus der bayerischen Metropole führt die Tour wellig nach Bad Tölz, wo sie auf den urbayrischen Fluss Isar trifft. Auf dem geteerten Isar-Radweg verläuft die Route weiter über Lenggries bis zum Sylvensteinstausee. An dessen Ufer entlang geht es dann über den Grenzübergang nach Österreich zum Achensee. Eingerahmt von den Gebirgswänden des Karwendel und des Brandenberger Alpen.

Nach dem Achensee folgt eine schnelle und kurze Abfahrt hinunter ins Inntal. Mehr als 100 Kilometer sind bereits zurückgelegt – Zeit für eine kurze Rast beziehungsweise ein zweites Frühstück.

Und aus östlicher Richtung steuert der Kurs auf Innsbruck zu. Auf Schleich- und Radwegen durch die Olympia- und Rad-WM-Stadt führt der Track zur alten Brennerstraße.

Auf den Spuren des Ötztalers Radmarathon geht es dann den Brenner rauf und wieder bis Sterzing auch wieder herunter runter. Auf breit ausgebauten Straßen lässt sich bergab die Geschwindigkeit gut mitnehmen. Während die Ötzi-Starter noch mit dem Jaufenpass und dem Timmelsjoch zwei schwere Pässe vor sich haben, ist es für die One-Day-Alpencrosser das schwerste geschafft, es geht tendenziell runter.

Über Brixen führt die Stecke nach Bozen, im weiteren Verlauf auf dem Radweg vorbei an den Weinbauorten Kaltern, Tramin und Kurtatsch, die rechter Hand liegen, auf dem Etschtal-Radweg nach Auer. Die 300-Kilometer-Marke ist bald erreicht – Zeit für eine Stärkung mit Pizza oder Pasta. Denn, obwohl keine topographischen Schwierigkeiten mehr „lauern“, könnte es thermische Probleme geben. Die Ora – ein Gegenwind, der vom Gardasee zum Etschtal hinaufzieht, über den sich Surfer freuen und Radfahrer fürchten.

Umrahmt von hohen Bergen wie dem Trudner Horn führt die Tour auf dem Radweg und kleinen Straßen durch die Apfelplantagen nach Trento.

Hinter der Stadt im Trentino wird das Finale eingeläutet – die letzten 50 Kilometer stehen an. Nachdem hinter Rovereto dann das Etschtal verlassen wird, wird sich Euphorie breit machen, denn es sind nur noch wenige Kilometer bis zum „Lago“ – wie der Münchner seinen „Haussee“ nennt.

Auf dem Radweg wird der letzte Pass erklommen – der Passo San Giovanni, auf 287 Meter über Normalnull. Bei der Abfahrt über Nago „macht sich der Weg frei“ für einen grandiosen ersten Blick auf das Nordufer des Sees. Über Torbole verlaufen die letzten Kilometer in die Altstadt von Riva del Garda. Mission accomplished: München – Gardasee in einem „Rutsch“.

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Fotos: Sebastian Stiphout, Kathrin Schafbauer

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