Vorschau: Cyclocross-Weltmeisterschaften 2024 in Tabor
Am kommenden Wochenende finden die Cyclocross-Weltmeisterschaften im tschechischen Tabor statt. Drei Mal wurden die Titelkämpfe hier bisher ausgetragen: 2001, 2010 und 2015. Die Weltmeister von 2010 und 2015 werden auch 2024 wieder am Start stehen – mit ganz unterschiedlichen Perspektiven. Zdeněk Štybar, der Sieger von 2010 wird seine Abschiedsvorstellung geben. Mathieu van der Poel, der 2015 seinen ersten Weltmeistertitel bei der Elite holte und als jüngster Fahrer überhaupt in dieser Disziplin das Regenbogentrikot überstreifen durfte, will sich seinen sechsten Titel sichern.
Mathieu van der Poel ist Top-Favorit auf den WM-Titel
„Noch nie war der Topfavorit so klar“, schrieb das niederländische Radsport-Portal Wielerflits in seiner Vorschau zu den Titelkämpfen der Männer. Das sieht Cross-Experte Jens Schwedler genauso so „Es ist ein sehr schneller Kurs in Tabor, der die Profis mit großen Motoren klar bevorzugt – und da ist natürlich Mathieu van der Poel an erster Stelle zu nennen.“ „Der Parcours ist rund gesteckt und nimmt den Fahrer so wenig Geschwindigkeit“, so Schwedler weiter.
„In den Niederlanden und vor allem Belgien sind die Kurse viel technischer und verlangen ein größeres fahrtechnisches Können. In Tabor ist der physische Anteil viel größer“, sagt Schwedler, der unzählige deutsche Meistertitel im Cyclocross bei der Elite und den Masters gewann sowie vier Mal Weltmeister bei den Masters wurde. „Da ähneln der Tschechen uns Deutschen. Wir bevorzugen auch die Ballerkurse“, sagt er schmunzelnd.
In Tabor selbst war Schwedler, während seiner aktiven Karriere nicht besser als Platz 24 im Weltcup. Live miterlebt hat er dort allerdings den allerersten WM-Titel von Mathieu van der Poel bei der Elite im Jahr 2015, da der Niederländer damals auf der Radmarke Stevens, Schwedlers Arbeitgeber, unterwegs war.
„Den Ausschlag zwischen van der Poel und van Aert damals hat das Fahren über die Hürden gegeben“, sagt Schwedler. Die sind hier nämlich technisch schwieriger zu fahren beziehungsweise zu springen als anderswo, da sie leicht ansteigend gesetzt sind und es im Anschluss auch noch weiter berghoch geht. „Da muss man den Schwung mitnehmen. Das liegt natürlich einen Fahrer mit technische Skills wie Mathieu. Aber auch Michael Vanthourenhout kann das“, so Schwedler.
Schneller Weltmeister-Parcours in Tabor
Aufgrund der vielen längere Geraden ist Tabor ein Kurs, der Straßenfahrer, die viel Power produzieren können, bevorzugt“, so Schwedler. Aber außer Mathieu sind hier hier nur Joris Nieuwenhuis, der drei Grand Tours bestritten hat, und Zdeněk Štybar als Straßenfahrer vergleichbar. Štybar, Weltmeister von 2010 auf diesem Kurs, wird in Tabor sein Abschiedsrennen fahren und hat lediglich Außenseiterchancen auf eine Top-Platzierung.
Sollte es trocken sein, wird der Parcours noch viel schneller als er eh schon ist. „Interessant könnte es werden, wenn es nachts friert, dann tagsüber warm wird, so dass es an einigen Stellen tiefen Matsch gibt und sich die Fahrlinie auch im Laufe des Rennens verändert. Das ist dann die größte Herausforderung für die Fahrer, sich im Rennen neu orientieren zu müssen“, so Schwedler.
Doch man kann es drehen und wenden – an Mathieu van der Poel kommt hier wohl niemand vorbei. Gerade er hat sich wirklich punktgenau auf diese Titelkämpfe vorbereitet. Das Rennen in Hoogerheide kann nicht unbedingt als Gradmesser gesehen werden, da er dieses müde am Ende eines größeren Trainingsblocks fuhr und am Tag davor auch noch in Hamme startete.
Schwedler glaubt, dass van der Poel seine Angriffe nach der Treppe setzen könnte: „Die hat zwar nur rund zehn Stufen, aber danach geht es gleich berghoch. Da kann er den Unterschied machen.“
Der Kampf um Platz zwei wird dafür umso spannender. „Mich hat der Auftritt von Michael Vanthourenhout in Benidorm schon schwer beeindruckt. Er gewann ja am Vortag noch in Belgien ein Rennen und stieg dann morgens in den Flieger nach Spanien. Da muss man schon sehr fokussiert sein“, sagt Schwedler. „Wer sich ebenfalls gut auf ein einzelnes Event vorbereiten kann, ist Lars van der Haar, sagt Schwedler. Der Niederländer wurde übrigens 2015 in Tabor hinter van der Poel und van Aert Dritter bei den Weltmeisterschaften. Vanthourenhout und van der Haar werden um die Podiumsplätze gegen Thibau Nys, Eli Iserbyt, Joris Nieuwenhuis und Pim Ronhaar kämpfen.
Mathieu van der Poels erster WM-Sieg in Tabor
Offenes Rennen bei den Frauen
Während die Männer am Sonntag um das Regenbogentrikot kämpfen, sind die Frauen bereits am Samstag dran. Und das Rennen könnte umkämpfter werden, da der Kurs wie schon beschrieben nicht allzu technisch ist.
„Bei einem klassischen Cyclocross-Kurs würde es auf einen Zweikampf von Fem van Empel und Puck Pieterse hinauslaufen“, glaubt Jens Schwedler. „Da aber der Parcours schon auch die weiblichen Powerhorses bevorteilt, könnte Lucinda Brand in den Kampf ums Podium mitmischen“, so Schwedler weiter. Aufsteigende Form zeigte zuletzt auch die junge Ungarin Kata Blanka Vas, die spät in die Cross-Saison eingestiegen ist. „Je später man einsteigt, desto frischer ist man – auch mental. Zudem haben die vielen Rennen bei den nasskalten Bedingungen in diesem Jahr schon extrem an der Substanz zehrt“, sagt Schwedler
Lediglich Außenseiterchancen werden der Weltmeisterin von 2020, Ceylin del Carmen Alvarado eingeräumt. Sie fühlt sich auf technischeren Kursen wohler.
Fotos: Photonews.be