Wer gewinnt die Tour de France 2024? Die Fab Four im Vergleich

31.05.2024

Teil drei des ‚Fab Four‘-Formbarometer zur Tour de France 2024: In welcher Form zeigten sich bisher Jonas Vingegaard, Tadej Pogacar, Remco Evenepoel und Primoz Roglic? Wie kam Tadej Pogacar aus dem Giro d’Italia? Wie haben sich die anderen Drei von ihren Stürzen im Baskenland erholt und wie sieht ihre Vorbereitung auf die Tour de France aus?

In diesen Kolumnen begleitet Bernd Landwehr, Chefredakteur des Cyclingmagazine, die vier Top-Favoriten auf ihrem Weg zum Grand Depart der Tour de France. Er analysiert ihre Vorbereitung analysiert, ordnet die Leistungen ein und lässt so ein „Tour-Barometer der Fab Four“ entstehen. 

Hier die erste und zweite Folge mit allen Infos.

Folge 3 – Rückschläge und Double-Ambitionen

Tadej Pogacar – auf Erfolgskurs zum Double aus Giro und Tour

25 Jahre / UAE Team Emirates / Grand Tour-Siege: 2 x Tour, 1 x Giro / Tour-Teilnahmen: 4

Der Slowene war der Einzige der „Fab4“, der nicht in den schlimmen Sturz bei der Baskenland-Rundfahrt involviert war. Pogi bereitete sich im Frühjahr gezielt auf den Giro d’Italia vor, war im Baskenland und bei den Klassikern mit Ausnahme von Strade Bianche und Lüttich-Bastogne-Lüttich nicht am Start.

Als einziger Fahrer des Favoriten-Quartetts versucht Pogacar, Giro und Tour zu kombinieren. In den vergangenen Jahrzehnten gab es mehrere Fahrer, die das Double in einem Jahr holen wollten – doch seit Marco Pantanis Erfolg 1998 scheiterten alle Versuche.

Tadej Pogacar hat mit seinem überragenden und ungefährdeten Girosieg die eine Hälfte bereits erreicht – doch der zweite Teil des Double dürfte die größere Herausforderung werden. Zum einen ist die Konkurrenz bei der Tour de France deutlich größer, zum anderen muss er die Anstrengungen des Giro verkraften.

So beeindruckend die Leistung des Slowenen beim Giro auch war, die Kombination aus Giro und Tour ist selbst für den besten Fahrer eine besondere Herausforderung. Zudem muss auch er die 21 Etappen der Tour ohne Krankheit und größere Probleme bewältige. Wie schnell ein Sturz passieren kann, zeigten die Rennen der vergangenen Monate eindrucksvoll. Wie viel Kraft hat ihn dieser Giro gekostet und wie gut gelingt es ihm, sich nach dem Giro zu erholen und dann wieder in Form zu bringen? Physiologisch, aber vor allem auch mental eine große Herausforderung.

Es scheint, als würde aktuell nur ein Mensch auf dem Planeten Erde leben, dem das Giro-Tour-Double tatsächlich zuzutrauen ist – Tadej Pogacar. Das UAE-Tour-Team wird extrem stark sein und der Girosieg gibt zusätzlich Rückenwind. Dazu bleiben nach dem heftigen Sturz Fragezeichen hinter der Form des größten Konkurrenten und Titelverteidigers Jonas Vingegaard.

Es scheint so, als wäre die Zeit reif, für den nächsten historischen Giro-Tour-Doppelsieg.

Jonas Vingegaard – Auf dem Weg zurück?

27 Jahre / Team Visma | Lease a Bike / Grand Tour-Siege: 2 x Tour / Tour-Teilnahmen: 3

Es war die von vielen Fans lang erwartete positive Nachricht: Anfang Mai wurde Jonas Vingegaard gesehen, wie er wieder auf dem Rad saß und auf der Straße trainiert. Nach seinem schweren Sturz bei der Baskenland-Rundfahrt musste der Toursieger lange pausieren. Schlüsselbeinbruch, Rippenbrüche, Pneumothorax – laut Team Visma | Lease a Bike verlief seine Regeneration positiv. So früh es ging, startete Vingegaard mit seiner Vorbereitung auf die Tour de France. Doch ob es für den zweifachen Tour-Champion bis Ende Juni reichen wird, in Top-Form zu kommen, bleibt offen.

Noch ist Vingegaard kein Rennen gefahren, seit dem Sturz im April. Auch im Aufgebot des Critérium du Dauphiné fehlt er. Vier Wochen bleiben Vingegaard noch, ehe in Florenz die Tour de France 2024 startet. Beobachter und Experten sind skeptisch, ob es für den Dänen reichen wird, stark genug zu werden, um Gelb ein drittes Mal zu holen. Ins Höhentrainingslager nach Tignes ist er laut dänischen Medien gereist. Er will offenbar alle Möglichkeiten ausschöpfen, in der Vorbereitung auf die Tour. Doch wie viel Training fehlt, für „Projekt Gelb“?

Die Form von Jonas Vingegaard bleibt eines der großen Fragezeichen, vielleicht sogar bis zum Start der Tour und darüber hinaus. Denn Defizite im Trainingsaufbau zeigen sich manchmal erst im Verlauf einer dreiwöchigen Rundfahrt.

Primoz Roglic – Härtetest beim Critérium du Dauphiné

34 Jahre / Bora-hansgrohe / Grand Tour-Siege: 3 x Vuelta, 1 x Giro / Tour-Teilnahmen: 5

Den Slowenen erwischte es beim Sturz im Baskenland nicht sehr schwer. Er musste zwar das Rennen verlassen, konnte aber relativ schnell zu seinem Vorbereitungsplan für die Tour de France zurückkehren. Akribisch bereitet sich der Bora-hansgrohe-Profi vor. Es lief so weit gut, hört man aus seinem Umfeld.

Nun steht mit dem Critérium du Dauphiné ein echter Härtetest an. Roglic wird zeigen müssen, wie gut die Vorbereitung war und ob er bergauf mit den allerbesten Fahrern mithalten kann. Klar, sein Aufbau ist so geplant, dass er in vier Wochen den Form-Peak erreicht, doch man wird sowohl im Zeitfahren als auch bei den Bergankünften sehen, ob der Fahrplan passt.

Im direkten Duell mit Remco Evenepoel gibt es einen kleinen Vorgeschmack auf die Tour de France. Man sollte in das Ergebnis und die Abstände des Critérium du Dauphiné nicht zu viel reininterpretieren, aber in der Vergangenheit waren die besten Fahrer der Dauphine dann auch bei der Tour de France konkurrenzfähig.

Das Frühjahr lief für Roglic nicht perfekt, damals betonte das Team Bora-hansgrohe, dass es noch weit bis zum Sommer sei und es zumindest eine kurze Anpassungsphase zwischen Fahrer und Team braucht. Doch nun steht die Tour vor der Tür – jetzt zählt es!

Remco Evenepoel – vorsichtiger Wiedereinstieg in den Rennmodus

24 Jahre / Soudal-Quick Step / Grand Tour-Siege: 1 x Vuelta / Tour-Teilnahmen: 0

Genau wie Primoz Roglic kehrt auch Remco Evenepoel beim Critérium du Dauphiné in den Rennzirkus zurück. Nach dem Sturz bei Baskenland-Rundfahrt legte er eine Pause ein und begann dann mit der Tourvorbereitung. Schlüsselbein und Schulterblatt waren beim Belgier im Baskenland gebrochen. Die Klassiker musste er auslassen, für die Tour seien die Verletzung kein allzu großes Problem – hieß es aus seinem Umfeld.

Man darf gespannt sein, in welcher Form sich Evenepoel beim Critérium du Dauphiné präsentiert. Wie auch bei Roglic, sollte man nicht zu viel in seine Leistungen beim französischen Vorbereitungsrennen hineininterpretieren. Es wird allerdings durchaus ein Fingerzeig in Richtung Tour sein. Zumindest dann sollte der Belgier bei den allerbesten mitfahren können und auch im Zeitfahren auf Top-Niveau agieren. Denn dann darf man davon ausgehen, dass Evenepoel in Richtung Tour-de-France-Premiere im Soll ist.

Vor allem das direkte Duell mit Primoz Roglic verspricht Spannung – sowohl im Kampf gegen Uhr als auch in den Bergen. Auch wenn die Tour de France über drei Wochen geht und die Dauphine nur acht Etappen hat – sowohl Roglic, als auch Evenepoel haben in der Vergangenheit bewiesen, dass sie ihr Top-Level durchaus während einer Grand Tour aufrechterhalten können.

Das Critérium du Dauphiné wird wohl zeigen, wer von beiden der Top-Herausforderer von Tadej Pogacar bei der Tour de France wird.

Fab Four: Das Form-Barometer der Tour de France-Favoriten – Teil eins

Fab Four: Das Form-Barometer der Tour de France-Favoriten – Teil zwei

Fotos: © A.S.O./Vincent Kalut, © Roth&Roth, © Stefan Rachow

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