Tour-Tagebuch mit Silvan Dillier: Etappensieg mit bitterem Beigeschmack
Der Schweizer Team Alpecin-Fenix-Profi Silvan Dillier führt während der Tour de France 2021 ein Tagebuch auf Alpecin Cycling. Teil fünf: Wechselbad der Gefühle. Was die Freude am Etappensieg von seinem Teamkollegen Tim Merlier trübt – und wie zu den vielen Stürzen kommt:
Die dritte Etappe war wieder extrem chaotisch im Finale. Die Straßen waren ziemlich schmal. Es ging immer rauf und runter, links und rechts – nach jeder Kurve gab es neue Positionskämpfe. Ich war schon ziemlich erstaunt, wie lange nichts passiert ist. Am Ende auf den finalen 20 Kilometern war es aber dann doch so intensiv, dass es einige schlimme Stürze gab. Leider. Für Fahrer wie mich, die nicht gestürzt sind, ist es immer hart mitanzusehen, wenn andere Fahrer so zu Fall kommen und mit schmerzverzerrtem Gesicht am Boden liegen bleiben. Und vielleicht sogar mit dem Krankenwagen ins Spital gebracht werden müssen.
Deswegen sind unser Etappensieg und die Verteidigung des Maillot Jaune letztendlich Erfolge mit bitterem Beigeschmack. Es tut immer sehr weh, andere Fahrer stürzen zu sehen. Und ich hoffe auf jeden Fall – und das ist auch die auch der Wunsch unseres Teams –, dass alle Fahrer sich möglichst schnell von diesen Stürzen erholen und hoffentlich das Rennen fortsetzen können.
Auf jeden Fall haben wir Fahrer auch gewisse Fragezeichen hinsichtlich der Streckenführung. Es ist sicherlich nicht der einfachste Parcours respektive birgt die Streckenführung auch gewisse Risiken. Aber am Ende sind es auch die Fahrer, die das Rennen – vorsichtig ausgedrückt – „gefährlich“ fahren. Der Druck durch die Mannschaften und die sportlichen Leitern übers Radio ist einfach extrem hoch. Die Fahrer werden schon fast gepusht, um noch mehr an ihr Limit und ihre Grenzen zu gehen. Und irgendwann ist dann halt mal Ende. Es kommt zu leichten Touchierungen oder kleinen unachtsamen Manövern, die fatale Folgen haben können.
Trotz dieser Stürze war es für uns ein super erfolgreicher Tag. Wir haben eine tolle Teamleistung gezeigt. Jeder von uns hat seine auch gaben Aufgaben minutiös und gewissenhaft ausgeführt.
Wie Matthieu am Ende in Gelb das Lead-Out gefahren ist, wie Jonas Rickaert sich an die Spitze des Sprintzugs gesetzt hat. Und dann Jasper Philipsen als letzter Mann seine eigenen Ambitionen begraben hat und den Sprint für Tim Merlier lanciert hat, das war einfach grandios. Das war auch unser Erfolgsrezept für diesen Tag.
Die Story geht weiter: dritte Etappe – zweiter Sieg und das Gelbe Trikot im Team. Viel besser könnte für uns als Team die Tour de France gar nicht laufen. Etappe vier ist wieder eine schöne Gelegenheit und Chance für uns. Da wollen wir auch wieder ein Wörtchen um den Tagessieg mitreden – und Gelb behalten.
Fotos: @photonews.be