Tour-Tagebuch mit Silvan Dillier: Gereizte Stimmung in der dritten Woche
Der Schweizer Team Alpecin-Fenix-Profi Silvan Dillier führt während der Tour de France 2021 ein Tagebuch auf Alpecin Cycling. Heute schreibt der Schweizer Meister darüber, wie sich die Stimmung in der dritten Tour-Woche verändert und wie er selbst positiv gestimmt bleibt.
„Die Tour de France ist in der dritten Woche – und das merkt man nicht nur an den in den Beinen, sondern auch an der Stimmung. Dies ist genereller gereizter. Kein Wunder, wir sind müde. Da wird der eine oder andere dann doch etwas dünnhäutiger. Zudem hockt man seit über drei Wochen aufeinander, denn wir sind bereits fünf Tage vor dem Grand Depart angereist. Dann fehlt Dir natürlich auch der Kontakt zu Deiner Familie. Du siehst die vielleicht kurz über Skype, aber das kann man ja nicht vergleichen, wie wenn man zu Hause wäre.
Alles fällt ein bisschen schwerer. Es gibt auch Fahrer, die Probleme damit haben, genug Energie und Flüssigkeit aufzunehmen. Das liegt einfach daran, dass sie müde und kaputt sind und schlichtweg keinen Hunger und Durst mehr verspüren. Da beginnt dann ein echter Teufelskreis, der Dich im wahrsten Wortsinn aus dem Rennen werfen kann.
Alles in allem ist eine dritte Tour-Woche schon eine extreme Challenger für jeden von uns Fahrern – und man sieht auch an den Klassementfahrern, wer das ohne schlechten Tag bewältigt.
Um da gut durch die kleinen und großen Krisen zu kommen, ist es wichtig, positiv gestimmt zu bleiben und positiv zu denken. Was hilft, ist, sich gegenseitig zu unterstützen – auch mit kleinen Gesten. Das muss nichts Großes sein, da hilft schon einfach in der Situation mitzudenken und bei kleinen. kleinen Sachen zu unterstützen. Auch selbst dankbar sein, dass jemand anderes etwas für einen macht und es nicht immer als selbstverständlich hinzunehmen. Natürlich dreht sich bei der Tour alles um uns Fahrer, aber unserer Staff im Team – Mitarbeiter wie Köche, Masseure, Mechaniker –, die natürlich auch schon so lang von zu Hause weg sind und immer recht lange Tage haben, geben jeden Tag ihr Bestes für uns.
Wenn einem das gelingt, das Positive herauszuziehen, andere zu unterstützen, hebt das die Stimmung des gesamten Teams.
Das ist jedenfalls mein Approach, wie ich versuche, die dritte Tour Woche anzugehen. Aber das ist natürlich ein Lernprozess. Wenn ich das jetzt alles einmal vergleiche mit meiner ersten Grand Tour, dem Giro d’Italia 2015. Das ist zwar schon eine ziemlich lange Zeit her, aber ich kann mich noch ganz gut daran erinnern. Ich war damals jeden Tag am Limit. Mittlerweile kenne ich mich aber viel besser, ich weiß jetzt schon besser, wann und wo es Sinn macht Energie zu sparen. Im Vergleich zu früher, wo ich jeden Tag versucht habe Vollgas zu fahren.“
Fotos: mr.pinko/Stefan Rachow, photonews.be