Tour-Tagebuch mit Silvan Dillier: In der Hitze des „Gefechts“ kühlen Kopf bewahren

10.07.2021

Der Schweizer Team Alpecin-Fenix-Profi Silvan Dillier führt während der Tour de France 2021 ein Tagebuch auf Alpecin Cycling. Heute erklärt der Schweizer Meister, warum auf der 13. Etappe das Rennen gleich „zwei Mal“ neu begann, was sein Job war und wie viele Flaschen er im Laufe der Etappe leerte, um nicht zu überhitzen.

„Viele Teams rechnen sich zurzeit keine großen Chancen mehr aus, im Sprint eine Etappe zu gewinnen. Daher war auch wieder auf der 13. Etappe eine echte Challenge, den Kampf um die Gruppe des Tages zu kontrollieren – also wer von den anderen Teams Fahrer in die Gruppe schickt. Denn wird diese Gruppe zu groß oder ist mit Fahrern aus Mannschaften besetzt, die normalerweise auch auf einen Sprint aus sind, wird es schwierig, diese überhaupt zurückzuholen.

So war die Anfangsphase geprägt von sehr hektischen Attacken im Seitenwind, die sich nur schwer kontrollieren ließen. Wir haben das aber als Team gut gemanaged. Zudem war Deceuninck – Quick Step heute auch auf einen Massensprint aus und hatte die gleichen Interessen.

Nach dem ersten Battle haben sich dann drei Fahrer aufgemacht. Hinten im Peloton hatten wir dann erst mal einen ziemlich ruhigen Tag beziehungsweise einige ruhige Stunden. Bis auf die letzten 50 bis 60 Kilometer.

Da heute der Wind von vorne beziehungsweise schräg von vorne blies, kamen die Ausreißer unerwartet früh zurück. Sozusagen hat sie der Wind zu uns getrieben. Das ist ehrlich gesagt für Teams, wie unseres, gar nicht so glücklich. Denn ab dem Moment wird sozusagen das Rennen wieder neu gestartet und es wird wieder attackiert.

Als die Spitzengruppe dann sozusagen in Reichweite war, haben die ersten Fahrer aus dem Peloton heraus angegriffen. Da lief dann das Rennen fast ein bisschen aus dem Ruder. Mehrfach ist auch das Peloton auseinandergefallen. Kleinere Gruppen haben sich dann gebildet. Ich bin auch selbst ein paar Mal als „Aufpasser“ in solch eine Spitzengruppe gesprungen, um Deceuninck – Quick Step zu neutralisieren, wenn diese einen Fahrer dabei hatten.

Nichtsdestotrotz haben wir auch diese Situation gemeistert und es ging auf die letzten 20 Kilometer – mit Seitenwind. Hier sind wir als Team sehr gut gefahren und haben Jasper Philipsen, unseren Sprinter, immer sehr gut und sehr weit vorne positioniert.

Im Sprint Finale sind wir einfach wieder von Deceuninck – Quick Step geschlagen worden. Das war wieder eine echte Master-Arbeit von den „anderen Jungs in Blau“. Da kann man nichts anderes dazu sagen. Die haben einen super Sprintzug und eine sehr sehr starke Mannschaftsleistung im Finale gezeigt. Wir können uns damit trösten, von den Besten geschlagen worden sind.

Doch es gibt noch Sprints bis Paris und wir vertrauen weiter auf Jasper. Aber als erstes müssen wir uns erholen und dann geht es ja auch schon in die Pyrenäen, wo wir uns auch das eine oder andere ausrechnen.

Hitzig waren auf Etappe 13 aber nicht nur die Anfangsphase und das Finale – sondern auch das Wetter. Es war, wie auch schon in den Tagen zuvor, extrem heiß. Und man muss als Fahrer extrem drauf achten, genug zu trinken, um nicht zu überhitzen. Ich habe allein während der Etappe zwölf Trinkflaschen „leergemacht“. Das sind zweieinhalb pro Stunde, also weit mehr als ein Liter pro Stunde. Das ist aber trotzdem zu wenig, um die über den Schweiß verlorengegangene Flüssigkeit zu ersetzen. Das bedeutet, dass dem Nachtrinken – also das Auffüllen der Flüssigkeitsspeicher nach der Etappe – eine enorme Bedeutung zukommt.“

Fotos: A.S.O./Charly Lopez, photonews.be