Kampf ums Gelbe Trikot: Die Favoriten für die Gesamtwertung

29.06.2022
Foto: Pauline Ballet / A.S.O.

Das Maillot Jaune ist das begehrteste Trikot im Radsport. Wer darf das Gelbe Trikot am Ende der Tour de France 2022 in Paris tragen? Alpecin Cycling hat die Klassementfahrer und die Anwärter auf die Gesamtwertung unter die Lupe genommen.

Tadej Pogačar (UAE Team Emirates), 23 Jahre

Beste Tour-Platzierung: Sieger (2020 & 2021)
Bisherige Tour-Starts: 2

Eine unglaublich gute Frühform zeigte der zweifache Tour-Sieger bei der UAE-Tour und Tirreno-Adriatico. Im weiteren Verlauf des Frühjahrs zeigte der 23-Jährige auch seine Stärke bei den Klassikern – mit dem Sieg bei Strade Bianche und einem „unglücklichen“ vierten Rang bei der Ronde. Die Kampagne im Frühjahr in Flandern war auch dazu gedacht, ihn auf die erste Woche der Tour vorzubereiten – vor allem was die Positionierung und Taktik angeht. Das brutale Pflaster von Roubaix hat sich „Pogi“ aber im Rennen erspart. Gerade dieser 5. Tagesabschnitt der Tour könnte auch somit der einzige sein, an dem er Probleme bekommen könnte. Insgesamt gilt sein Team auch nicht gerade als Pflasterliebhaber. Ansonsten wird es schwer, Pogačar zu schlagen; zu dominant erschien er im vergangenen wie auch diesem Jahr.

Foto: Charly Lopez / A.S.O.

Primož Roglič (Jumbo-Visma), 32 Jahre

Beste Tour-Platzierung: Platz 2 (2020)
Bisherige Tour-Starts: 4

Gestärkt mit einem klaren Gesamtsieg beim Critérium du Dauphiné kommt der Slowene zur Tour. Sein härtester Konkurrent bei dem Vorbereitungsrennen zur Frankreich-Rundfahrt kam dort aus dem eigenen Lager: Jonas Vingegaard. Es scheint so als wäre Roglič noch gehandicapt. Durch eine Trainingspause wegen Knieprobleme noch nicht bei 100 Prozent gewesen – aber gibt vielleicht das allerletzte Höhentrainingslager vor der Tour noch den nötigen Schliff.

Jonas Vingegaard (Jumbo-Visma), 25 Jahre

Beste Tour-Platzierung: Platz 2 (2021)
Bisherige Tour-Starts: 1

Während der Norweger im Frühjahr eher verhalten fuhr, wirkte er zuletzt beim Critérium du Dauphiné als der stärkste Bergfahrer. Den Unterschied zu seinem Kapitän Roglic machte allein das Zeitfahren. Zieht man Parallelen zu 2021 könnte Vingegaard in noch besserer Form zur Tour antreten. Bleibt er Edelhelfer, wird er zur taktischen Option oder wechseln die Rollen im Team vielleicht schon nachte der ersten Bergankunft in den Vogesen? Es wird spannend.

Ben O’Connor (AG2R Citroën Team), 26 Jahre

Beste Tour-Platzierung: Platz 4 (2021)
Bisherige Tour-Starts: 1

Mit seinem Sieg auf der neunten Etappe der letztjährigen Tour katapultierte sich der Australier plötzlich ins Rampenlicht. Viele dachten zuerst, das sei eine Eintagsfliege, doch O’Connor verteidigte bis nach Paris seine Top-Platzierung in der Gesamtwertung. Seine bisherige Saison verteilt auf insgesamt 38 Renntage verlief bis auf ein DNF bei Paris-Nizza mehr als zufriedenstellend. Bei der Dauphine war er der Einzige, der in mittelbarer Schlagdistanz zum Jumbo-Visma-Duo bleiben konnte. Sein Vorteil: Er kann gerade in der ersten Woche auf ein Team von Klassikerspezialisten bauen, das ihn aus dem Wind hält, gut positioniert und über die Kopfsteinpflasterabschnitte pilotiert.

Jack Haig (Bahrain–Victorious), 28 Jahre

Beste Tour-Platzierung: Platz 38 (2019)
Bisherige Tour-Starts: 2

Der 28 Jahre alte Australier gibt sich ein wenig als Underdog- aber sein eigener Anspruch ist ein Top Ten-Platzierung im Gesamtklassement und ein Etappensieg. Das er zu mehr fähig ist zeigte er im vergangenen Jahr. Ohne eigene Ambitionen ging er nach seinem schweren Sturz bei der Tour in die Spanien-Rundfahrt. Und am Ende belegte der Australier Rang drei in Madrid. Der 1,90 Meter große Bahrain-Victorious- Profi wurde von Etappe zu Etappe stärker – so schien es. Die bisherige Saison verlief für Haig gut. Bei der Dauphine belegte er am Ende Rang fünf. 

Enric Mas (Movistar Team), 27 Jahre

Beste Tour-Platzierung: Platz 5 (2020)
Bisherige Tour-Starts: 3

Der Spanier hat eine unglaubliche Grand Tour-Bilanz. Bei den letzten vierten Starts in 2020 und 2021 – jeweils bei der Tour und der Vuelta – kam er immer unter die Top sechs. Vergangenes Jahr bei der Spanien-Rundfahrt wurde er sogar Zweiter. Vorne zu landen könnte er auch dieses Jahr schaffen, sofern er durch die Verletzungen, die er sich bei einem schwereren Sturz während des Critérium du Dauphiné zugezogen hat, nicht zu stark zurückgeworfen wird. Bei der Tour selbst wird es für ihn wichtig sein, die erste Woche schadlos zu überstehen.

David Gaudu (Groupama–FDJ), 25 Jahre

Beste Tour-Platzierung: Platz 11 (2021)
Bisherige Tour-Starts: 4

Teamchef Marc Madiot möchte mit einem seiner Fahrer wieder auf dem Podium stehen. Und David Gaudu könnte, wenn er weiterhin so große Fortschritt macht, einer sein, dem das gelingen könnte. Zuletzt war es Thibaut Pinot im Jahr 2014. Ob das in dieser Saison schon der Fall sein wird, sei dahingestellt. Mit Pinot und der gemeinsamen Leaderrolle hat Gaudu jedenfalls keine Probleme. „Es wird keinen Krieg der Egos geben“, sagte Gaudu der französischen Sportzeitschrift L’Équipe. Spannend wird jedoch sein, wie Teamchef Madiot all die Interessen seiner Fahrer unter einen Hut bringen will. Denn Stefan „King“ Küng scheint in der Form seines Lebens und Kandidat für Etappensiege und Gelb in Woche eins. Und Michael „Zerstörer“ Storer bewies nicht zuletzt bei der Vuelta, dass er der Mann für Etappensiege auf schwierigem Terrain ist.

Thibaut Pinot (Groupama-FDJ), 32 Jahre

Beste Tour-Platzierung: Platz 3 (2014)
Bisherige Tour-Starts: 8

Es ist noch gar nicht so lange her, als Thibaut Pinot sagte, dass er sich den Stress aufs Gesamtklassement zu fahren, nicht mehr aussetzen möchte. Trotz allem scheint es so, als wird er zusammen mit David Gaudu als Leader in die Tour gehen. Ob es für das Podium reicht bleibt abzuwarten. Sportlich scheint das in Top-Form möglich zu sein, aber Pinot muss die in 2019 und 2020 erlittenen Rückschläge erstmal verdauen und wieder bei einer Grand Tour Vertrauen zu sich selbst finden. In Paris anzukommen, dabei einen Etappensieg zu holen, in den Top Ten zu landen oder David Gaudu bei einem Top-Ergebnis zu helfen, wäre für ihn schon ein Erfolg.

Adam Yates (Ineos Grenadiers), 29 Jahre

Beste Tour-Platzierung: Platz 4 (2016)
Bisherige Tour-Starts: 5

Seit der Vuelta im vergangenen Jahr scheint es bei dem nicht ganz so erfolgreichen Yates-Zwilling besser zu laufen. Rang vier belegte er am Ende und war auch in den nachfolgenden Herbstklassikern immer vorne dabei. Auch 2022 war er bei der UAE-Tour und Paris-Nizza bei den „Leuten“. Wer bei der Tour für Ineos Grenadier der tatsächliche Leader wird, könnte sich allerdings erst im Rennen entscheiden.

Daniel Felipe Martínez (Ineos Grenadiers), 26 Jahre

Beste Tour-Platzierung: Platz 28 (2020)
Bisherige Tour-Starts: 2

Im vergangenen Jahr war der Kolumbianer noch „Edel-Edelhelfer“ für Giro-Sieger Egan Bernal und verdiente sich den Beinamen „Udo“, als er Bernal bei einer Schwäche am Berg motivierte. Nach diesen starken Leistungen, er landete bei dieser Italien-Rundfahrt als Super-Domestike immerhin auf Rang fünf, und den Top-Resultaten in 2020 (u. a. Sieg im Baskenland, Dritter bei Paris-Nizza) könnte er die Leader-Rolle beanspruchen. Er darf nur nicht zu viel Zeit beim Auftaktzeitfahren verlieren und muss gesund übers Pflaster kommen. Im Hochgebirge gibt es nichts, was ihn zurückhält – außer vielleicht die Teamtaktik.

Geraint Thomas (Ineos Grenadiers), 36 Jahre

Beste Tour-Platzierung: Sieger 2018
Bisherige Tour-Starts: 11

Foto: Pauline Ballet / A.S.O.

Lange war es ruhig um den ehemaligen Toursieger. Doch in diesem Jahr scheint G wieder zu alter Form aufzulaufen. Er bewegt sich wieder „aufgeweckter“ und präsenter im Feld – nicht nur bei der Tour de Suisse, die er am Ede für sich entschied. Wird er nur der Edelhelfer sein – oder kann er wieder in die Leader-Rolle reinwachsen beziehungsweise rutschen? Bei seinem Sieg 2018 war er auch nicht von Beginn die unumstrittene Nummer eins im Team. Sein großes Plus, er kann übers Pflaster von Roubaix fahren, verliert wenn überhaupt nicht viel Zeit im Kampf gegen die Uhr und weiß, wie sich der Druck über drei Wochen anfühlt. Ein Tour-Sieg ist ihm nicht zuzutrauen. Aber am Ende könnte er der beste „Grenadier“ des illustren Dreizacks sein.

Aleksandr Vlasov (Bora–hansgrohe), 26 Jahre

Beste Tour-Platzierung: –
Bisherige Tour-Starts: –

Der ehemalige Gewinner des Baby-Giros feiert Premiere bei der Tour. Er soll sich versuchen und ausprobieren – so die Devise des Teams. Der 26-jahre alte, kletterstarke Fahrer bekommt einige Helfer an die Seite, aber nicht das ganze gesamte Team ist auf ihn ausgerichtet. Auch andere Fahrer sollen um Etappensiege kämpfen. Vlasov rettete bis zum Giro die Bilanz für das deutsche WorldTour-Team – unter anderem mit Gesamtsiegen bei der Valencia-Rundfahrt und der Tour de Romandie. Nach seinem Corona-bedingtem Ausstieg bei der Tour de Suisse steht ein kleines Fragezeichen hinter seiner Form.

Fotos: A.S.O.