Interview mit Neo-Profi Tobias Bayer über sein Grand Tour-Debüt bei der Vuelta 2021
Premiere für den erst 21 Jahre alten Neo-Profi Tobias Bayer aus dem Team Alpecin-Fenix. Der Österreicher steht in seiner ersten Saison als Profi gleich bei der Spanien-Rundfahrt , die am 14. August 2021 beginnt, am Start. Vor seinem Grand Tour-Debüt hat Alpecin Cycling mit ihm ein Interview geführt.
Stand Ihr Einsatz bei der Vuelta schon lange fest?
Nein, das war nicht so geplant; zumindest als wir im Winter im Trainingslager den Rennkalender besprochen haben. Ehrlich gesagt, bin ich natürlich selbst überrascht, dass ich im ersten Jahr als Neo-Profi schon eine Grand Tour fahre. Als wir im vergangenen Winter die Saisonplanung gemacht haben, stand die Spanien-Rundfahrt nicht auf meinem Programm. Ich denke, das Team will junge Fahrer behutsam aufbauen und sie auch nicht verheizen. Aber im Laufe der Saison hat sich meine Leistung dann doch sehr gut entwickelt und es hat sich dann doch herausgestellt, dass es noch die Option mit der Spanien-Rundfahrt geben würde. Ich habe dann gut trainiert und die Rennen liefen auch gut. Und ich denke, dass ich jetzt auch bereit bin für die Rundfahrt.
Und jetzt stehe ich bei meiner ersten Grand Tour am Start. Darauf freue ich mich ganz besonders.
Was erwarten Sie von Ihrem Grand Tour-Debüt?
Ich werde ganz behutsam an die Rundfahrt herangehen. Denn ich kann jetzt noch überhaupt gar nicht einschätzen, wie es mir in der dritten Woche einer Landesrundfahrt gehen wird. Aber natürlich haben wir mit dem Team Ziele. Wir sind ja auch als Team nicht einfach nur da, um am Start zu stehen, sondern auch um erfolgreich zu sein. Vor allem mit Jasper Philippsen haben wir einen Top-Sprinter am Start. Und wir haben einen richtig gutes Lead-out für die Sprints. Da haben wir auf jeden Fall das Ziel, dass wir auf Etappensieg fahren. Und ich denke, dass das auch möglich ist. Ich will, wenn mich das Team braucht, da sein und einen guten Job machen. Nach der Burgos Rundfahrt, die ganz gut lief, kann ich vielleicht bei der ein oder anderen Etappe auch mal auf eigene Rechnung fahren. Aus der Fluchtgruppe raus, wenn sich was ergibt. Das würde mich schon sehr freuen.
Nach Ihrer hervorragenden Leistung bei der Bergetappe der Burgos-Rundfahrt stellt sich die Frage, was für ein Fahrer-Typ Sie eigentlich sind?
Ich denke, bei der Burgos-Rundfahrt habe ich einige überrascht, die mich bislang für einen anderen Fahrer-Typ – sprich Sprinter – gehalten haben Ich sehe mich als Allrounder beziehungsweise als Puncheur. Daher werde ich auch vom Team bei der Sprintvorbereitung miteingesetzt. Rennen, die sehr hart gefahren werden, liegen mir am besten. Zum Beispiel den ganzen Tag Windkante – also richtig Radrennen von Kilometer null an. Ich denke, das liegt mir ganz gut. Das war auch auf der ersten Etappe der Burgos-Rundfahrt der Fall als ich auf der Windkante in der ersten Gruppe vorne vor. Das hat lange so ausgesehen, als würde der Sieg aus unserer Gruppe kommen. Bei der dritten Etappe habe ich mich selbst genauso überrascht wie viele andere. Ich hätte das selbst von mir nie erwartet, dass ich mit den reinen Kletterern so lange mithalten kann. Ich wusste zwar, dass ich ziemlich gut den Berg hochfahren kann, wenn ich es drauf anlege und wenn ich will, aber auf dem Level, das hatte ich nicht erwartet. Das ist auch neu für mich selbst.
Klingt so als hätten sie auch große Lust bei den großen flandrischen Frühjahrsklassikern mitreinzuhalten?
Das sind natürlich die Rennen, bei denen ich auch in Zukunft am Start stehen und vielleicht auch mal dort ein gutes Ergebnis abliefern möchte. Aber erst mal eins nach dem anderen.
Ich denke, dass mir Rennen, die für die reinen Sprinter zu schwierig sind und einige Anstiege aufweisen, Rennen in Zukunft in die Karten spielen können.
Sie haben bereits zweimal die Zeitfahrmeisterschaften in der U23-Klasse in Österreich gewonnen. Was faszinieert Sie so an dieser Disziplin?
Also ich bin leidensfähig und mag das schon, mir da so richtig in die Fresse zu hauen, wie man umgangssprachlich sagt. Woher das kommt, weiß ich auch nicht Es ist beim Zeitfahren schon wichtig, dass man das vom Kopf her auch gewohnt bekommt. Meistens macht man das ja, weil es einem nicht so schwerfällt, beziehungsweise Spaß macht. Das ist bei mir der Fall. Ich denke schon, dass ich einen Motor mit ausreichend großen Hubraum habe, so dass mir das generell leichter fällt als beispielsweise anderen. Und ich kann und mag es, über längere Zeit hohes Tempo zu fahren.
Sie sind erst 21 Jahre alt – da ist die Frage noch erlaubt, wie Sie überhaupt zum Rennradfahren gekommen sind?
Ich habe begonnen wie ein typischer Hobbyradsportler. Als Jugendlicher bin ich bei Radmarathons und auch Hobby-Radrennen gestartet und auch mal als 15-Jähriger im Zweier-Team bei „Rund um Oberösterreich“ gestartet. Das ist das kleinere Pendant zum „Race around Austria“, aber immerhin über 560 Kilometer nonstop. Unsere Familie ist recht radsportbegeistert. Ich bin praktisch als Kind und Jugendlicher gar nicht drum herumgekommen, nicht Rad zu fahren, auch wenn ich alle anderen Disziplinen wie zum Beispiel Leichtathletik, Turnen und Fußball ausprobiert habe. Aber ich habe nicht wirklich zielgerichtet für Radrennen trainiert. Erst im Juniorenalter mit 16 Jahren bin ich dann in einen Verein gegangen.
Gab es einen bestimmten Grund dafür?
Ich bin bei einem Hobbyrennen mitgefahren und der Kurs war auch gleichzeitig die Bergmeisterschaft für die Junioren oder für die U 17, ganz genau weiß ich das nicht mehr. Mit meiner Zeit da hoch hätte ich jedenfalls das Nachwuchsrennen gewonnen. Da habe ich mir gedacht: „Oh, das ist ja cool. Das wäre doch was, wenn man mal richtig trainiert und versucht professionell Rennen zu fahren.
Sie sagten gerade, Radfahren liegt bei Ihnen in der Familie. Können Sie das etwas näher erläutern?
Mein Vater hat früher viele Querfeldein- und Mountainbike-Rennen bestritten und war auch Teilnehmer der allerersten Mountainbike Weltmeisterschaft 1990. Zudem ist mein großer Bruder immer schon Rennrad gefahren und hat trainiert.
Also gleich noch Trainingspartner in der Familie …
Ja, mein Bruder begleitet mich ab und zu beim Grundlagentraining.
Fotos: Photonews.be