Rückblick: Die stärksten Fahrer und Teams des Frühjahrs

30.04.2019

Nach den Frühjahrsklassikern heißt es, Bilanz zu ziehen: Wer waren die Protagonisten des ersten Saisondrittels? Alpecin Cycling hat sich im Peloton umgeschaut, aber auf ein klassisches Ranking verzichtet. Zu verschieden waren die Rennen und sind die Fahrertypen. 

Hölle des Nordens: Auch bei der 117. Austragung war Paris-Roubaix für Fans und Fahrer ein echtes Spektakel und bot Emotionen pur; wie im Übrigen alle Eintagesrennen im Frühjahr.

Julian Alaphilippe, Deceuninck-Quick Step
Auch wenn es bei den Ardennen-Klassikern nicht ganz so lief wie geplant, so ist der kleine freche Franzose der unumstrittene Mann dieses Frühjahrs. Acht Saisonsiege holte „Loulou“ bisher. Darunter drei große Erfolge: Strade Bianche, Mailand-Sanremo und Fleche Wallone – die letzten beiden mit Ansage. Apropos Ardennen –manch Team wäre froh über die Einzelbilanz von Alaphilippe bei diesen drei Rennen. Beim Amstel sah er drei Kilometer vor Ziel wie der sichere Sieger aus und wurde nach dramatischem Zieleinlauf Vierter; den Fleche gewann er,  in Lüttich zeigten er und sein Team erstmals Schwäche, am Ende stand aber immer noch Rang 16. Aber das ist für den Bergkönig der vergangenen Tour de France jammern auf hohem Niveau.

Maximilian Schachmann, Bora-hansgrohe
Selten gab es einen Fahrer, der Patrick Lefeveres Team verließ und stärker wurde. Maximilian Schachmann hat dieses Kunststück geschafft. Fünf Siege hat der 25-jährige Berliner 2019 schon geholt und überzeugte zuletzt in den Ardennen. Seine beiden fünften Plätze beim Amstel Gold Race und Fleche Wallone krönte er mit dem dritten Rang beim ältesten Monument, Lüttich-Bastogne-Lüttich. Schachmann, der auch ein hervorragender Zeitfahrer ist, überzeugt aber nicht nur durch die Resultate, sondern auch durch eine sehr offensive und freche Fahrweise wie bei seinen Etappensiegen im Baskenland und dem Parforce-Ritt beim Amstel Gold Race.

Blue Man Group I: Deceuninck-Quick Step
Zwei von vier Monumenten im Frühjahr hat sich die Truppe von Patrick Lefevere geholt und darf wie in den Jahren zuvor uneingeschränkt als das Klassiker-Team bezeichnet werden. Was diese Mannschaft auszeichnet, ist, dass sie in fast jedes Eintagesrennen mit mehreren Kapitänen geht. Beinah jeder, der sich für Deceuninck-Quick Step einschreibt, darf sich Hoffnungen auf den Sieg machen, was das Team letzten Endes so unberechenbar macht. Bei den elf flandrischen Klassikern standen die „Blauen“ nur drei Mal nicht auf dem Podium, holten sechs Siege. Fast in Vergessenheit geraten dabei die typischen Sprintsiege in Rundfahrten – hier fuhren Elia Vivianni und Fabio Jakobsen immerhin fünf Mal als Erste über die Linie.

Blue Man Group II: Astana
So wie Deceuninck-Quick Step die Eintagesrennen dominiert, so beherrscht Astana bisher die Rundfahrten. 22 ihrer 23 Siege wurden bei Etappen-Rennen eingefahren, davon 9 Gesamtsiege. Und zwar alles in allem von zehn unterschiedlichen Fahrern. Veredelt wurde das ohnehin schon starke Frühjahr durch den einzigen Eintageserfolg – ausgerechnet beim schwersten Frühjahrsklassiker Lüttich-Bastogne-Lüttich. Gespannt darf man auf die Vorstellung der kasachischen Equipe von Olympiasieger Alexandre Vinokourov beim Giro d’Italia sein. Hier fahren die Männer in Blau für „Superman“ Miguel Angel Lopez, der im Frühjahr die Katalonien-Rundfahrt gewann.

Nils Politt, Team Katusha Alpecin
Auch wenn der ganz große Sieg noch fehlt, so ist Politt genauso wie Schachmann einer der jungen Fahrer, dem die Zukunft gehört. In seiner ersten Saison als Leader bei den Frühjahrsklassikern erfüllte er diesen Anspruch komplett und rettete seinem Team Katusha Alpecin das Frühjahr in Flandern. Nach einem hervorragenden sechsten Platz beim E3-Preis – der kleinen Flandern-Rundfahrt –, bei der er auch seine Sprintqualitäten unter Beweis stellte, folgten Rang fünf bei der „Ronde van Vlaanderen“ und natürlich als krönender Abschluss in der Hölle des Nordens. Dieser zweite Platz bei Paris-Roubaix und die Art und Weise wie der 25-jährige Rheinländer das Rennen gestaltete und prägte, zeigte seine Klasse.

Mathieu van der Poel, Corendon Circus
Der 24-jährige Niederländer startete mit einem Sieg bei der „kleinen“ Tour of Antalya ins Frühjahr und beendete seine Klassiker-Saison mit einem Sieg beim „großen“ Amstel Gold Race. Dazwischen lagen weitere Triumphfahrten: Der erste WorldTour Sieg bei Dwaars Door Vlaandren, der Erfolg beim Pfeil von Brabant sowie die sehenswerte Aufholjagd nach einem Sturz bei der Flandern-Rundfahrt, bei der er am Ende noch Vierter wurde. Van der Poel, amtierender Weltmeister im Cyclocross und auch stark auf dem Mountainbike, wurde das Talent wohl tatsächlich vererbt: Vater Adrie war selbst erstklassiger Profi und erfolgreicher Klassikerjäger mit Erfolgen bei der Ronde und dem Amstel sowie der Großvater mütterlicherseits Raymond Poulidor, einer der Radheroen der 60er- und 70er-Jahre. Spannend wird sein, wohin ihn sein Weg führt. Die Niederländer träumen schon vom neuen Weltmeister auf der Straße.

Egan Bernal, Team Sky
Voll in der Spur mit Fahrtrichtung Giro ist der junge Kolumbianer Egan Bernal. Der erst 22-jährige Klassementfahrer gewann Paris-Nizza souverän, obwohl er nicht als Leader eingeplant war. Beeindruckend wie er auf der Schlussetappe das Loch zur Ausreißergruppe um Nairo Quintana beinahe spielerisch zufuhr. Er bestätigte seine hervorragende Verfassung mit einem dritten Platz im Gesamtklassement bei der Katalonien-Rundfahrt. Bernal ist der kommende GrandTour-Fahrer; stark am Berg sowie im Zeitfahren und wird Sky-typisch von einem starken Team unterstützt.

Tadej Pogačar, UAE-Team Emirates
20 Jahre alt und in seiner ersten Saison bei einem WordTour-Team erregt Tadej Pogačar Aufsehen. Der Neo-Profi vom UAE-Team Emirates gewann die Algarve-Rundfahrt und belegte bei der Tour durchs Baskenland Rang sechs im Endklassement und gewann die Nachwuchswertung. Nicht von ungefähr kommen diese Erfolge. Der Slowene gewann im vergangenen Jahr die Tour de l’Avenir – die inoffizielle Nachwuchs-Tour de France.

Jakob Fuglsang, Astana
Der Sieg des 34-Jährigen bei Lüttich-Bastogne-Lüttich war nicht nur eine taktische und physiologische Meisterleistung; es war auch der erste Sieg des Dänen in den Diensten des Team Astana bei einem großen internationalen Eintagesrennen. In seinen Palmares finden sich nämlich ansonsten „nur“ Etappen- und Rundfahrsiege sowie Erfolge bei nationalen Meisterschaften. Doch in diesem Frühjahr funktionierte es endlich. Bei allen vier WorldTour-Eintagesrennen, an denen er teilnahm, kam er aufs Podium. Bereits bei der Stade Bianche holte er Platz zwei, bei der Ardennen-Trilogie steigerte er sich von Platz drei beim Amstel über Platz zwei beim Fleche bis hin zum Sieg in Lüttich. Doch das allein ist nicht Fuglsangs Klasse. Bei den Rundfahrten im Frühjahr gewann er die Andalusien-Rundfahrt, wurde bei Tirreno-Adriatico Dritter und im Baskenland Vierter.

EF Education First
Wenige hatten das Team von Ex-Profi Jonathan Vaughters für die Frühjahrsklassiker auf dem Schirm. Bewarb es doch selbst seine neue Strategie für 2019 mit den Teilnahmen an für Profis eher exotischen Veranstaltungen wie Bikepacking-, Gravel-Events und Kriterien. Aber was dann kam, überraschte alle. Der Sieg bei der Flandern-Rundfahrt. Und das blieb keine Eintagsfliege, Podium beim Amstel Gold Race, Top Five-Platzierungen bei Paris- Roubaix und Lüttich-Bastogne-Lüttich und viele weitere sehr gute Platzierungen. Das Team in seinen gewöhnungsbedürftigen pink-blauen Trikots war das Frühjahr über mehr sportlich als marketingmäßig präsent.

BORA-hansgrohe
Vorbei sind endgültig die Zeiten des „Team Peter“. Der dreifache slowakische Weltmeister konnte zur Bilanz von bislang 19 Siegen nur einen einzigen beitragen und wirkte zuletzt auch etwas angeschlagen. Dafür zeigten die anderen Fahrer, dass sie zu Siegfahrern gereift sind und das Team Rennen offensiv mitgestalten kann. Ob die Sprinter Pascal Ackermann oder Sam Bennett, die Berg- und Rundfahrer wie Emanuel Buchmann, Felix Großschartner, Davide Formolo, Patrick Konrad und nicht zuletzt Maximilian Schachmann. Einziger Wermutstropfen: das Team scheint, ein Sprinterproblem zu haben – im positiven Sinne.

Stand: 29. April 2019

Foto: Stefan Rachow

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