Interview mit Mathieu van der Poel zur Flandern-Rundfahrt 2023
Mathieu van der Poel bestreitet am 2. April zum insgesamt fünften Mal die Flandern-Rundfahrt und zählt zu den Top-Favoriten. Nicht zuletzt durch seinen Erfolg beim ersten Monument des Jahres Mailand-Sanremo. Alpecin Cycling hatte am Freitag die Chance, Mathieu van der Poel ein paar Fragen vor dem Rennen zu stellen.
Wer die bisherigen Eintages-Rennen im Frühjahr verfolgt hat, für den scheint es klar und offensichtlich zu sein, dass es bei der Flandern-Rundfahrt zu einem Dreikampf zwischen Wout van Aert, Tadej Pogacar und Mathieu van der Poel kommen wird – wie bei dem Klassiker E3 Saxo Classic vor eineinhalb Wochen.
Doch welchen der beiden anderen Profis schätzt van der Poel als gefährlicher ein: „Sie sind beide auf ihre Art gefährlich. Tadej zieht es vor, alleine ins Ziel zu fahren. Er wird versuchen, an den Hügeln zu wegzukommen. Wout ist im Sprint ein sehr starker und ausgefuchster Kontrahent.“
„Die Flandern-Rundfahrt ist unberechenbar“
Allerdings sieht van der Poel auch andere Fahrer, die um den Sieg mitkämpfen können: „Vor dem Rennen werde ich mich definitiv nicht auf einen Dreikampf festlegen. Das Rennen ist unberechenbar. Es kann gute Fahrer geben, die antizipieren. Und es kann Fahrer geben, die anders, gezielter auf die Ronde hingearbeitet haben und auch die entscheidenden Passagen am Sonntag überstehen können. Es ist zu einfach zu sagen, dass wir drei am Ende die Nase vorn haben werden.“
Von einem Masterplan beziehungsweise einer festgelegten Strategie bei einem Rennen wie der Ronde hält der Niederländer übrigens wenig: „Wir versuchen immer, uns an die Situation anzupassen. Man kann im Vorfeld einen tollen Plan haben, aber man weiß nicht, wie das Rennen abläuft.“
„Ab dem zweiten Mal Oude Kwaremont beginnt das Finale“
Der Alpecin-Deceuninck-Profi glaubt, dass die ersten entscheidenden Attacken an der zweiten Überfahrt des Oude Kwaremont erfolgen: „Wie immer eben. Danach folgen die Anstiege in rascher Abfolge aufeinander.“ Die Schüsselstelle im Rennen gibt es für ihn nicht: „Da gibt es so viele. Es kann immer an einem anderen Anstieg passieren. Es ist schwer, eine bestimmte Stelle zu nennen, aber wenn ich eine wählen müsste: den Koppenberg. Das kann der Schlüsselmoment sein, das habe ich schon einige Male festgestellt.“
Gefallen findet er nach eigenen Angaben an den beiden Schlussrunden: „Ab dem zweiten Mal Oude Kwaremont bis zum Ziel gefällt mir der Parcours der Ronde am besten. Die Hügel folgen in schneller Folge aufeinander, die Besten im Rennen kommen automatisch nach vorne. Das macht am meisten Spaß. In den vergangenen Jahren hat mir auch der Start in Antwerpen gefallen, nur 15 Kilometer von meinem Zuhause entfernt. Das war vertrautes Terrain, in das ich öfter komme, und fühlte sich besonders an. Mit Brügge hingegen bin ich etwas weniger vertraut.“, so van der Poel zum neuen „alten“ Startort.
„Gute Beine sind wichtiger als Erfahrung„
Für van der Poel wird es am Sonntag bereits der fünfte Start bei diesem Monument sein. Nie war er schlechter platziert als Rang vier, zwei Mal hat er die Ronde bereits gewonnen. Sieht er das als Vorteil? „Man nimmt natürlich die Erfahrung mit: Wann und wo man sich richtig positioniert. Man kennt die wichtigen Punkte. Aber gute Beine zu haben, ist ausschlaggebender als diese Erfahrung. Du kannst alle Abschnitte wie die Besten beherrschen, wenn du aber am Sonntag nicht die Beine hast, dann bringt dir das nichts.“
„Ich bin besser vorbereitet als 2022„
Bei seiner Teilnahme 2022, die er gewann, verlief die Vorbereitung im Winter und Frühjahr verletzungsbedingt nicht optimal. Wie sieht er sich im Vergleich dazu heute? „Wegen der Rückenprobleme war die Vorbereitung im vergangenen Jahr untypisch. Aber am Ende habe ich an diesem Tag meine beste Leistung gezeigt. Jetzt habe ich das Gefühl, dass ich besser auf die Strecke vorbereitet bin. 2022 bin ich auch mit einer etwas weniger breiten Basis gefahren. Dann hält sich eben der Peak – also die Top-Form – nicht so lang. Bei Paris–Roubaix waren die Beine dann schon nicht mehr ganz so gut. Das wird dieses Jahr hoffentlich anders sein.“
„Der Sanremo-Sieg nimmt den Druck“
Im Gegensatz zu seinen Rivalen hat durch seinen Erfolg bei Mailand-Sanremo schon ein großes Eintagesrennen gewonnen und kann befreiter antreten. „Auf jeden Fall nimmt der Sieg in Sanremo den Druck für die Ronde und Roubaix. Wenn man ein Monument gewonnen hat, fährt man danach viel entspannter. Das heißt aber nicht, dass ich weniger ehrgeizig bin.“
Auf die hypothetische Frage, welche Rennen er 2023 lieber gewinnen würde, wenn er nur eine Chance hätte, antwortete er: „Wenn ich wirklich wählen müsste, dann Paris-Roubaix. Einfach weil ich das noch nicht gewonnen habe.“
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