Monumente und Tour-Etappe im Fokus! Interview mit Alpecin-Fenix-Teamchef Philip Roodhooft
Monumente, Tour de France, Olympische Spiele und Straßen-Radweltmeisterschaften fest im Blick hat Philip Roodhooft, Manager des Teams Alpecin-Fenix. Mit ihm sprach Alpecin Cycling über die Saisonziele 2021, über die zusätzliche Wild Card für die GrandTours sowie sein Verhältnis zu Deceuninck – Quick-Step-Boss Patrick Lefevere.
Zusammen mit seinem Bruder Christoph lenkt Philip Roodhooft die Geschicke des Teams Alpecin-Fenix. 2018 noch Conti-Team darf die Equipe aufgrund ihres ersten Platzes in der Europe Tour als bestes ProConti-Team 2021 alle WorldTour-Rennen bestreiten.
Was sind die großen Ziele für das Team Alpecin-Fenix in der Saison 2021?
Wir wollen versuchen, ein Monument im Frühjahr sowie eine Etappe bei der Tour de France zu gewinnen. Zudem streben wir die Olympischen Spiele im Mountainbike mit Mathieu van der Poel an und hoffen darauf, dass die Straßenweltmeisterschaften in Flandern für uns auch erfolgreich verlaufen.
Und Sie wollen sicher auch am Ende der Saison wieder auf Platz eins in der Europe Tour stehen, um für die WorldTour-Rennen 2022 qualifiziert zu sein?
Ja, natürlich. Das ist wie im Fußball. Wenn Du amtierender nationaler Meister bist, willst Du diesen Titel verteidigen, um nächstes Jahr wieder im Champions League zu spielen. Allerdings steht über allem das Ziel, Rennen zu gewinnen. Das Ranking beziehungsweise der Punktestand ist eine Konsequenz aus den Rennergebnissen. Das ist also kein eigentliches Ziel für uns. Wir wollten die Europe Tour im vergangenen Jahr nur aus dem Grund gewinnen, damit wir an allen Rennen teilnehmen können, an denen wir starten wollen. Wenn wir also in einen Massensprint gehen, wollen wir diesen gewinnen und nicht mit drei Fahrern in den Top Ten punkten. Wir überlegen uns vorher ein Lead-out und hoffen, dass wir unserem Sprinter helfen können, das Rennen zu gewinnen.
Was glauben Sie, für was ich mich entscheiden würde? Auf der einen Seite: Gewinn eines Monuments, ein Etappensieg bei der Tour, Platz 20 im Teamranking; oder aber auf der anderen Seite: Platz zehn in der Rangliste, aber kein großer Sieg.
Für die Siege in den Rennen, schätze ich?
Genau, deswegen bestreiten wir Rennen: um zu gewinnen. Nicht um in der Rangliste weit oben zu stehen. Wenn wir bei Wettkämpfen gut abschneiden, dann bekommen wir automatisch die nötigen Punkte.
Aber die Teilnahme an den drei großen Landesrundfahrten und die Tatsache, dass Mathieu van der Poel zu den Olympischen Spielen fährt und sich darauf im Mai und Juni vorbereitet, steht hierzu nicht im Konflikt. Kann die Teilnahme an so vielen Rennen – Ihr Team fährt manchmal „dreigleisig“ – nicht auch ein Nachteil sein, im Hinblick auf das Ranking und das Einfahren der Punkte?
Niemand weiß heute, wie der Rennkalender in den nächsten Monaten aussehen wird. Es ist sehr schwierig, da heute Voraussagen zu treffen. Der Fakt, dass wir einen vollgepackten Rennkalender haben, kann ein Nachteil sein.
Aber wenn viele Rennen abgesagt werden, dann kann es natürlich auch ein Vorteil sein. Es sind jetzt schon mit der Ruta del Sol, der Tour of Antalya und der Valencia-Rundfahrt einige Wettkämpfe komplett abgesagt worden. So wie es aussieht können wir aber unsere Etappenrennen bestreiten – und haben somit auch die Chance auf Siege und Punkte. Es ist heute sicher falsch zu sagen, dass das vollgepackte Rennprogramm sowie die Teilnahme an allen drei großen Landesrundfahrten für uns von Nachteil sind.
Viele Experten glauben, dass Mathieu van der Poel Paris-Roubaix gewinnen wird. Sehen Sie das auch so? Oder sehen Sie in eher bei der Ronde vorn?
Zunächst einmal: Wir sind nicht in einem Shop und können uns nicht heraussuchen, welches große Rennen wir gewinnen wollen. Wir müssen realistisch bleiben. Wenn wir die Chance haben, ein Monument zu gewinnen, dann ist das unglaublich. Es ist ein bisschen arg übertrieben zu sagen, ich wünsche mir dies oder ich bevorzuge jenes Rennen. Wir können uns nicht aussuchen, was wir gerade gewinnen wollen. Es ist schwierig genug, erfolgreich zu sein. Wir dürfen nicht gierig sein. Und auch nicht zu wählerisch.
Ich weiß ehrlich gesagt auch nicht, warum er ein größerer Favorit in Roubaix sein soll als in Flandern. Die Ronde und das Amstel – Rennen, die er beide gewonnen hat – sind sich sehr ähnlich; bis auf den Fakt, dass es beim Amstel keine Kopfsteinpflasterpassagen gibt. Roubaix ist dagegen flach, das ist schon ein großer Unterschied. Ich glaube letztendlich es besitzen mehr Fahrer die Eigenschaften, um bei Paris-Roubaix erfolgreich zu sein als bei der Flandern-Rundfahrt.
Aber ein Traum würde in Erfüllung gehen…
Natürlich wäre es wunderbar, wenn Mathieu auf der Radrennbahn in Roubaix gewinnt. Wir sollten aber abwarten und sehen, was passiert. Denn 12 der 19 WorldTeams möchten genauso wie wir einen Klassiker im Frühjahr gewinnen und ganz sicher auch eine Tour de France-Etappe. Wenn nicht sogar noch mehr als eine Etappe. Aber es sind eben bei der Tour de France nur 21 Etappen und es gibt allein 19 WorldTeams. Ein paar Mannschaften werden schon drei oder vier Etappen gewinnen. Wenn man sich das vor Augen hält und es einkalkuliert, dann weiß man, wie realistisch es überhaupt ist, eine Tour de France-Etappe gewinnen zu können.
Ich glaube es ist wichtig, dass wir unsere großen Ziele über das Jahr hinweg verteilen. Und dass wir auch wirklich bei unserer Zielsetzung realistisch bleiben. Wir haben zwar 2019 das Amstel Gold Race gewonnen und im vergangenen Jahr die Flandern Rundfahrt, aber es ist überhaupt nicht gesagt, dass das jetzt immer so weitergeht. Es ist nicht so, dass wir immer einen großen Klassiker gewinnen werden. Wenn man einmal sieht, dass ein wahnsinnig großes und tolles Team wie Deceuninck – Quick-Step im vergangenen Jahr kein Monument gewonnen hat und sie in den Jahren davor bei diesen Rennen immer erfolgreich waren, dann verdeutlicht es einem, wie schwierig dieses Vorhaben ist.
Apropos Deceuninck – Quick-Step. Sie und ihr Bruder haben vor wenigen Jahren ein Angebot von deren Temchef und Eigner Patrick Lefevere abgelehnt. Warum?
Wir wollten damals unseren eigenen Weg gehen. Wir sahen das Angebot durchaus als Kompliment von Patrick. Und wir haben nach wie vor ein gutes Verhältnis untereinander. Wir wollten damals mit unserem Team weitermachen. Und die Zeit hat gezeigt, dass wir mit der Entscheidung richtig lagen. Nur ein Jahr später hatten wir mit Alpecin und Fenix zwei große Sponsoren gewonnen, die uns weitere Schritte ermöglicht haben. Im Nachhinein glaube ich, das es eine gute Entscheidung war, unseren eigenen Weg zu gehen. Aber ich denke, wenn wir etwas mit Patrick Lefevere zusammen gemacht hätten, dann wäre das auch eine gute Entscheidung gewesen. Du weißt im Leben nie, wie es gekommen wäre, wenn Du bestimmte Sachen geändert hättest.
Wäre ein Merger zwischen Ihrem Team und Deceuninck – Quick-Step eine Möglichkeit, wenn Patrick Lefevere irgendwann in den Ruhestand geht?
Das ist eine gute Frage. Das ist momentan nicht aktuell. Aber ich denke, durch die gute Beziehung, die wir mit Patrick haben, ist alles möglich. Ohne gute Beziehungen passiert fast nichts. Alles beginnt mit Menschen und deren Kommunikation.
Die UCI hat den Veranstaltern der drei großen Landesrundfahrten erlaubt, eine zusätzliche Wildcard zu vergeben. Ist das fair Ihrem Team gegenüber, da sie sich extra für die Rennen qualifiziert haben?Es wäre schön gewesen, wenn sie es vergangenes Jahr auch schon gemacht hätten. Ich glaube grundsätzlich, dass es eine gute Sache für den Radsport ist. Die dritte Wildcard bietet mehr ProConti-Teams, die Möglichkeit sich zu zeigen. Gerade für die jeweiligen Teamsponsoren ist es sehr wichtig, bei einer der GrandTours sichtbar zu sein.
Ich hege da aber gar keinen Groll. Sie haben einfach einen Extra-Spot kreiert. Und immer, wenn es Veränderungen gibt, dann könnte man sagen, dass es unfair gegenüber den früheren Beteiligten ist.
Ich würde mir wünschen, dass es hoffentlich drei verschiedene Teams sind – und nicht, dass ein Team zu zwei GrandTours per Wildcard eingeladen wird. Was man aber für die Zukunft überlegen sollte, ist, wie man mit ProConti-Mannschaften verfährt, die ihren Teamsitz nicht in einem der GrandTour-Heimatländer haben. Also beispielsweise ein britisches, us-amerikanisches oder russisches Team. Die haben fast nie die Chance, eine Wildcard zu erhalten. Vielleicht sollte man in Zukunft die Vergabe einer zusätzlichen Einladung an eine solche Bedingung verknüpfen.
Die nächsten großen italienischen Eintages-Rennen stehen im März mit Strade Bianche und Mailand Sanremo an. Sind da Top Ten-Platzierung realistisch?
Ja, unbedingt. Wenn wir nicht daran glauben, dass bei diesen Rennen Top Ten-Ergebnisse möglich sind, dann sollten wir besser nicht antreten. Wenn Du ein professionelles Radteam managt und Du fährst zu einem Rennen, bei dem 22 Mannschaften am Start stehen, und Du bist nicht in der Lage in die Top Ten zu fahren, solltest Du besser zu Hause bleiben. Es ist durchaus möglich, dass wir die Top Ten verfehlen, so wie im vergangenen Jahr. Aber wir haben die Ambitionen, es zu tun. Das war im Übrigen auch 2020 schon so. Wer ohne solche Ambitionen, zu einem Rennen fährt, bei dem läuft einiges falsch.