Giro-Tagebuch von Tobias Bayer: (M)ein Tag in der Fluchtgruppe
Team Alpecin-Fenix-Profi Tobias Bayer führt während des Giro d’Italia 2022 ein Tagebuch auf Alpecin Cycling. Dieses Mal schreibt der 22-jährige Österreicher darüber, wie er mit auf der 19. Etappe den Sprung in die Gruppe des Tages schaffte und wie die österreichischen Fans ihn auf den finalen 50 Kilometern motivierten.
Der Plan für die 19. Etappe war, dass Stefano, Oscar oder ich in die Gruppe gehen sollten. Es war die letzte Chance, die es bei dem Giro für unser Team gab, mal abgesehen vom Zeitfahren für Mathieu, wo wir uns noch mal zeigen konnten.
Zu Beginn haben wir gleich mit einer Teamattacke versucht, etwas Chaos zu verursachen um unseren Plan umzusetzen. Eigentlich wollte ich gerade Stefano für die Gruppe lancieren, aber er dachte es wäre noch nicht der richtige Moment und blieb im Feld. So fuhr ich mit drei anderen Fahrern weg. Kurz darauf kamen noch die acht Restlichen dazu.
Es war ein harter Kampf, um uns endgültig abzusetzen. Im Flachen immer an die 60 km/h – das war schon hart. Hinten im Feld waren einige Teams noch nicht zufrieden mit der Konstellation. Zum Beispiel DSM und Eolo-Kometa wollte noch einen Fahrer in der Gruppe bringen und sind richtig nachgefahren.
Aber wir haben vorne gegengehalten, so dass nach einiger Zeit der Abstand schon größer wurde. Die ersten 20km war er immer noch sehr klein – nur bei 15 bis 20 Sekunden. Nach einiger Zeit wurde die Differenz schon größer und als hinten endlich Ruhe war, zogen wir weiter durch und hatten wir im Flachen einen Maximalvorsprung von 12 Minuten, ehe hinten dann Bora-hansgrohe mit der Nachführarbeit begonnen hat. Nach rund 70 Kilometern im Flachen ging es in die Berge rein und dann ging es los. Jumbo, Quickstep sowie FDJ hatten je zwei Fahrer in der Gruppe. Da hat immer einer von beiden die Arbeit erledigt für ihren jeweilige Leader. Die ersten zwei Bergwertungen sind wir schon richtig schnell hochgefahren, so dass es auch ordentlich weh getan hat. Ich war den ganzen Tag schon ziemlich am „Suffern“, da ich auch die vergangenen Tage gesundheitlich angeschlagen war. Vor zwei Tagen hatte ich eine ganz schlechte Nacht.
Aber ich war in der Gruppe und habe versucht, das Beste rauszuholen. Als wir dann in den Kolorvat in Slowenien, den schwersten Anstieg dieser Etappe (10 Kilometer mit knapp 10 Prozent) hochgefahren sind, flog unsere Gruppe auseinander. Ich wusste, wenn ich eine Chance haben wollte, musste ich mein eigenes Tempo fahren um dann im besten Fall wieder in der Abfahrt zu den Führenden zurückzukommen.
Ich fuhr dann also für mich mein eigenes schnelles Tempo und hatte oben an der Bergwertung eine bis eineinhalb Minuten Rückstand. Leider war es keine klassische Abfahrt, sondern mehr ein Up and Down, wo man allein sehr schwer Zeit gut machen kann. So konnte ich die Lücke leider doch nicht schließen.Ich bin als Solist durch das letzte Tal durch und fuhr dann sozusagen die finale 53 Kilometer ein Einzelzeitfahren.
Am letzten Berg habe ich nochmal alles gegeben, um mich vor den GC-Fahrern ins Ziel zu retten. Ich lag ja immer noch auf Platz sechs. Ich habe nicht aufgegeben und richtig gekämpft. So ist es mir gelungen, noch eine Minute vor den GC-Fahrern reinzukommen.
Der reinen Auffahrtszeit nach bin ich am letzten Berg gleich schnell gefahren, wie die Gruppe vorne – nur leider hatte ich halt schon zweieinhalb Minuten Rückstand.Abe es war wohl die coolste Etappe, um selbst mal auf Ergebnis zu fahren oder vorne etwas auszuprobieren.
Durch die Nähe zu Österreich wusste ich bei dieser Etappe, dass viele bekannte Gesichter an der Strecke stehen werden. Freunde, Bekannte, Familie – das hat sich richtig gut angefühlt. Auch viele österreichische Fans waren dort. Das hat auf den letzten 50 Kilometern nochmal extrem motiviert, wenn Du dich quälst, aber ständig Deinen Namen hörst. Auch die Stimmung in Slowenien war gewaltig.
Nach den gesundheitlichen Problemen bin ich richtig zufrieden mit meiner Performance und das obwohl ich immer noch angeschlagen bin.“
Fotos: Miriam Terruzzi, Kramon Velophoto/Kristof Ramon,
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18. Etappe: Dritter Etappensieg für unser Team
13. Etappe: Im Sprint mitgemischt
10. Etappe: Perfektes Teamwork
7. Etappe. Brutaler Kampf um die Gruppe
4.Etappe: Siegerehrung mit dem Team auf dem Ätna
3. Etappe: Ein langer letzter Tag in Ungarn