Die Favoriten auf den Sieg beim Giro d’Italia: Wer kämpft ums Rosa Trikot?
Geraint Thomas (Ineos Grenadiers): Der Tour Sieger von 2018 wurde für die diesjährige Frankreich-Rundfahrt nicht nominiert und sollte seine Vorbereitung stattdessen auf den Giro konzentrieren. Schaut man auf die letzten Ergebnisse, scheint das dem Waliser gut gelungen zu sein. Er wurde Zweiter bei Tirreno-Adriatico und verpasste eine Medaille bei der WM im Zeitfahren nur knapp. Gerade im Kampf gegen die Uhr kann Thomas seine Stärke ausspielen – und ist er auf Tour-Niveau von 2018, fährt ihm in den Bergen niemand so einfach davon. Ein weiterer Pluspunkt: Er kann auf ein starkes Team vertrauen, das nur seine Interessen vertritt.
Steven Kruijswijk (Jumbo-Visma): Eine schwere Last liegt auf dem Jumbo-Visma-Fahrer. Ursprünglich sollte er als Teil des Dreigestirns mit Roglic und Dumoulin zur Tour, verletzte sich dann aber schwer an der Schulter beim Criterium du Dauphine und soll jetzt beim Giro um den Gesamtsieg kämpfen – ohne jegliche Rennpraxis seit dem Sturz. Mit Kletterer George Bennett, der bei der Tour kurzfristig einspringen musste, fehlt ihm ein wichtiger Helfer. Zudem ist die Giro-Equipe Team bei weitem nicht so gut besetzt wie die Tour-Truppe. Doch „Stevie“ hat in der Vergangenheit beim Giro bewiesen, das er auch ohne große Unterstützung in den Bergen vorne mitfahren kann. Und wie sich das Maglia Rosa auf den Schultern anfühlt, weiß er auch: 2016 trug er es vier Tage.
Simon Yates (Mitchelton-Scott): Der Brite hat mit der Italien-Rundfahrt noch eine Rechnung offen. 2018 sah er schon wie der sichere Sieger aus. Verteidigte lange Zeit nicht nur Rosa, sondern griff als Gesamtführender immer wieder an, gewann drei Etappen. Doch dann brach er drei Tage vor Schluss brutal ein und wurde am Ende nur 21. Ein Trauma hat er allerdings nicht davongetragen, was sein achter Platz aus dem vergangenen Jahr beim Giro bestätigt. Er hat kein ganz so starkes Team wie Geraint Thomas um sich, liebt auch nicht gerade das Zeitfahren, doch mit seinem geringen Gewicht ist er der Mann für die Berge.
Vincenzo Nibali (Trek Segafredo): Auch wenn der „Hai von Messina“ in die Jahre gekommen ist, will er seine Zähne noch mal bei seiner Heimatrundfahrt zeigen und nach 2013 und 2016 erneut triumphieren. Die Vorbereitung lief verglichen mit den anderen GC-Favoriten eher mittelmäßig, aber Nibali kann sich im Laufe einer Rundfahrt steigern. Gerade die harte dritte Giro-Woche dürfte dem 35-Jährigen entgegenkommen, wie auch im vergangenen Jahr, als er sich noch auf Platz zwei vorschob. Zudem kann er auf ein überwiegend aus Italiener bestehendes Team vertrauen, das bedingungslos für ihn fährt. Und: Der Giro startet in seiner Heimat Sizilien – mehr Motivation geht kaum!
Rafal Majka (BORA-hansgrohe): Wann immer der Pole in den vergangenen zehn Jahren bei der Italien-Rundfahrt antrat, platzierte er sich in den Top Ten. Zuletzt 2019 als er Sechster wurde. Majkas Plan, den Giro in diesem Jahr als Kapitän auf Gesamtwertung zu fahren, wurde von seinem Team auch trotz Corona und verändertem Rennkalender nicht umgeworfen. So konnte der 31-Jährge sein Training mit Coach Dan Lorang stringent durchziehen. Mit Erfolg wie die Podiumsplatzierung bei Tirreno-Adriatico sowie Platz vier bei der Polen-Rundfahrt zeigen. Spannend wird sein, wie Majka mit den insgesamt drei Zeitfahren zu Recht kommt.
Jakob Fuglsang (Astana): Die große Frage, die sich stellt: Kann der 35-jähige Däne Grand Tours? Ohne Frage ist er ein exzellenter Rennfahrer. Ein sehr guter Kletterer und Zeitfahrer, doch er kann er das Niveau über 21 Etappen halten. Wer auf die Ergebnisse bei den großen Landes-Rundfahrten schaut, wird als beste Platzierungen einen siebten Rang bei der Tour finden. Der liegt allerdings schon über sieben Jahre zurück. Den Giro ist er erst einmal gefahren: 2016 wurde Fuglsang 12. In der jüngeren Vergangenheit scheint es, als hätte er sich zu einem starken Eintagesrennfahrer entwickelt, was seine Sieg 2019 bei Lüttich-Bastogne-Lüttich sowie bei der Lombardei-Runfdfahrt vor wenigen Wochen zeigen. Auf dem Papier hat er mit Miguel Angel Lopez, der die Königsetappe der Tour de France gewann und lange auf Podiumskurs lag, sowie dem jungen Himmelstürmer Alexander Vlasov, dem Gewinner des „Baby-Giro“ 2018, starke Helfer. Allerdings könnten die beiden so stark auf- und antreten, dass am Ende für sie gefahren wird…
Wilco Kelderman (Sunweb): Bei allen vier Rundfahrten, die der Niederländer in diesem Jahr bestritten hat, landete er in den Top Ten. Zuletzt bei Tirreno-Adriatico wurde er Vierter. Der 29-Jährige, der zur neuen Saison zu BORA-hansgrohe wechselt, muss in den drei Wettbewerben gegen die Uhr Zeit auf die Kletterer gut machen, um vorne zu landen. Gespannt darf man auch auf die Unterstützung seines Teams sein, da neben Keldermann auch Top-Leute wie Michael Matthews und Sam Oomen die Equipe zum Ende der Saison verlassen.
Foto: Stefan Rachow/mrpinko