Frühjahrsklassiker-Vorschau: Lüttich-Bastogne-Lüttich
Am 23. April startet mit dem Frühjahrsklassiker „La Doyenne“ das einzige Ardennen-Rennen, das zu den fünf Monumenten des Radports zählt. Völlig zu Recht! Denn auf den 258,5 Kilometern auf der „Achterbahn“ durch die Ardennen kommen bei den vielen Côtes und Cols rund 4500 Höhenmeter zusammen. So viele wie sonst nur bei den Königsetappen der Grand-Tours.
Wer sich hier bislang in die Siegerliste eintragen konnte, war entweder ein kletterstarker Puncheur wie Philippe Gilbert sowie Davide Rebellin oder aber ein antrittsstarker Klassementfahrer wie Tadej Pogacar, Primoz Roglic und Alejandro Valverde (vier Siege).
Echte Solosiege wie durch Bob Jungels (2018), Jakob Fuglsang (2019) oder Remco Evenepoel (2022) sind genauso möglich wie der Sprint aus einer kleinen Gruppe heraus wie 2020 und 2021.
Seitdem das Rennen nicht mehr in Ans, sondern wieder in Lüttich selbst zu Ende geht, standen allerdings nur Klassementfahrer ganz oben auf dem Podium. In den vergangenen drei Ausgaben mit Primoz Roglic, Tadej Pogacar und Remco Evenepoel allesamt Grand Tour-Gewinner.
Die beiden Letztgenannten sind auch 2023 am Start – und versprechen ein großes Duell. Mit voraussichtlich Richard Carapaz und Jai Hindley gesellen sich noch zwei weitere Sieger dreiwöchiger Landesrundfahrten hinzu, deren Chancen allerdings nicht ganz so groß sein dürften.
Die Strecke von Lüttich-Bastogne-Lüttich 2023
Von Lüttich aus führt die Strecke relativ flach zum Wendepunkt nach Bastogne bei Rennkilometer 97,8. Einziges Hindernis auf diesen ersten knapp 100 Rennkilometern ist die Côte de la Roche-en-Ardenne (2,8 Kilometer lang bei 6,2 Prozent Steigung).
Auf dem Rückweg nach Lüttich wird es aber wesentlich bergiger – allein zehn Cotes und Cols pflastern die „Retoure“. Das Rennen eröffnet zumeist die Côte de Mont-le-Soie (1,7 km bei 7,9 %)
Mit ihr sowie der Côte de Wanne (3,6 km bei 5,1 %), Côte de Stockeu (1 km bei 12,5 %) und Côte de la Haute-Levée (2,2 km bei 7,5 % ) müssen die die Fahrer auf 20 Kilometern vier kategorisierte Anstiege erklimmen. Zeit zum „Luftholen“ bleibt genauso wenig, wie großartige Positionsveränderungen auf den schmalen steilen Straßen.
Spätestens an der Côte de la Redoute (1,6 km bei 9,4 % ) rund 35 Kilometer vor dem Ziel wird dann das Finale eröffnet. Wer kann wird hier attackieren ode zumindest eine kleine Gruppe intiieren. Neu in 2023 ist ein weitere Anstieg im Finale: die Côte des Forges (1,3 km bei 7,8 %). Ein. Aufgalopp ehe es zur Côte de La Roche-aux-Faucons (1,3 km bei 11 % ) hinaufgeht : Sie bietet Klettern die letzte Chance sich von den sprintstarken Klassikerfahrer zu distanzieren und so die letzten überwiegend abfallenden Kilometern nach Lüttich ins Ziel als Solist abzuspulen.
Favoriten auf den Sieg beim Frühjahrsklassiker Lü-Ba-Lü 2023
Tadej Pogacar ist nur noch dieses eine Rennen vom Gewinn des Ardennen-Triple entfernt. Vor ihm schafften dies – Siege beim Amstel, Fleche Wallone und Lüttich-Bastogne-Lüttich in einer Woche – nur Davide Rebellin (2011) und Philippe Gilbert (2004).
Doch die Konkurrenz ist groß, um ihm beim vierten Monument der Radsportsaison Paroli zu bieten. Zum einen kommt den Bergfahrern Lü-Ba-Lü aufgrund der längeren Anstiege als noch beim Amstel und Fleche mehr entgegen. Romain Bardet, Mikel Landa und Gulio Ciccone zeigten sich im Finale des Flèche sehr präsent. Zum anderen kehrt ein anderes „Wunderkind“ ins Peloton zurück – der erst 23 Jahre alte Remco Evenepoel.
Der belgische Straßen-Weltmeister ist faktisch der stärkste Gegner, macht allerdings das Rennen für Pogacar auch leichter beziehungsweise berechenbarer. Inwiefern? Dadurch, dass Evenepoel – will er seinen Vorjahrestriumph wiederholen – mit seinem Team das Rennen kontrollieren will, muss „Pogis“ UAE Team Emirates nicht alles alleine machen; wie noch zuletzt beim Fleche Wallone.
Für Evenepoel ist es auch kein Manko, dass er aus der „kalten Buchse“ an der Startlinie steht Er braucht keine Rennpraxis, um in Form zu kommen. Das hat er in der Vergangenheit bewiesen. Man darf also gespannt sein auf ein Duell auf Augenhöhe sein.
Viel lässt sich spekulieren, ob Pogacars Formkurve nach unten zeigt, nach der langen Frühjahrsklassiker-Kampagne. Und Remco Evenepoel sich seinem Peak in Richtung Giro d’Italia nähert. Nicht vergessen sollte man aber die motivationale Komponente. Pogacar ist auf dem Weg, das Ardennen-Triple zu gewinnen.
Zuschauer dürfen also ein ähnliches Spektakel erwarten wie beim Duell Tadej Pogacar versus Mathieu van der Poel bei der Flandern-Rundfahrt. Spätestens an der Côte de La Roche-aux-Faucons wird es den finalen Schlagabtausch der beiden Ausnahmesportler geben.
Das Team Alpecin-Deceuninck bei Lüttich-Bastogne-Lüttich 2023
Angeführt wird das Team Alpecin-Deceuninck bei Ardennen-Klassiker Lüttich-Bastogne-Lüttich von Quinten Hermans. Der Belgier wurde im vergangenen Jahr bei „La Doyenne“ Zweiter hinter Remco Evenepoel. Neben Hermans wurde auch Søren Kragh Andersen nominier, der am vergangenen Mittwoch beim Fleche Wallone offensiv fuhr und Teil der Spitzengruppe war. Komplettiert wird das siebenköpfige Aufgebot durch Fabio Van Den Bossche, Jason Osborne, Michael Gogl, Tobias Bayer sowie Robert Stannard.
Offizielle Webseite des Rennens
Fotos. Photonews.be
Grafiken: A.S.O