Frühjahrsklassiker-Vorschau: Lüttich-Bastogne-Lüttich 2024

17.04.2024

Zum bereits 110. Mal findet „La Doyenne“ – wie Lüttich-Bastogne-Lüttich auch bezeichnet wird – am kommenden Sonntag (21. April 2024) statt. Der Frühjahrs-Klassiker Rennen mit Start und Ziel im belgischen Lüttich führt über 254,5 Kilometer durch die Ardennen und bildet den Abschluss der großen Frühjahrsklassiker. Dieses Rennen, das erstmals 1892 austragen wurde, ist von allen fünf Monumenten nicht nur das ältestes, sondern gilt unter Fahrer und Experten auch als das Schwerste.

Gespickt mit zahlreichen Anstiegen, den sogenannten Côte und Cols, gleicht es einer Achterbach durch die Ardennen. Während im ersten Teil der Strecke in südlicher Richtung nach Bastogne mehr oder weniger über Wellen gesurft wird, wird es dann im zweiten Teil schon um einiges bergiger und härter.
Denn die Anzahl und Schwierigkeit der insgesamt 11 kategorisierten Anstiege nehmen mit der Renndistanz zu. Letztendlich summieren sich die Anstiege am Ende dann auch auf rund 4.500 Höhenmeter.

Der populärste und bekannteste dieser Anstieg ist die Côte de la Redoute rund 30 Kilometer vor dem Ziel. „La Redoute“ ist 1,6 Kilometer lang und eine durchschnittliche Steigung von 9,4 Prozent aufweist, wobei bestimmte Abschnitte bis zu 20 Prozent steil sind. Ihre Polarität verdankt sie aber der Tatsache, dass hier schon oft eine (Vor)Entscheidung fiel.

Am Start in Lüttich wird auch Mathieu van der Poel stehen. Der niederländische Weltmeister aus dem Team Alpecin-Deceuninck hat sich schon früh festgelegt, hier zum zweiten Mal nach 2020 starten. Damals, als das Rennen Corona-bedingt im Herbst stattfand, wurde der Alpecin-Deceuninck-Profi starker Sechster, hatte aber die BinckBank Tour, die er souverän gewann, noch in den Beinen.

Top-Favorit für „La Doyenne“ ist jedoch Tadej Pogačar (UAE Team Emirates). Der Slowene gewann das Rennen 2021, schied im vergangenen Jahr auf seinem Weg zum Ardennen-Triple nach einem Sturz aus. Für „Pogi“ wird Lüttich-Bastogne-Lüttich das letzte Rennen sein, ehe er beim Giro d’Italia antreten wird.

Die Strecke von Lüttich-Bastogne-Lüttich 2024

Wie unterschiedlich Wege von A nach B doch sein können, zeigt die Strecke von Lüttich-Bastogne-Lüttich eindrucksvoll. Während der Hinweg nach Bastogne über lediglich 95 Kilometer gemäßigt verläuft und die Profis lediglich über die Côte de Bonnerue klettern müssen, hat es der Rückweg in sich. Dieser ist nicht nur wesentlich anspruchsvoller, sondern auch um einiges länger.

Gut 150 Kilometer fahren die Profis retour und müssen dabei insgesamt zehn kategorisierte Anstiege hochklettern. Der erste von ihnen ist die Côte de Saint-Roch in Houffalize. 40 Kilometer Zeit bleibt den Rennfahrern dann, ehe es Ernst wird. Als Aufgalopp steht zuerst die Côte de Mont-le-Soie im Weg.

Doch dann wird es Ernst. Denn das Finale beginnt zumeist, wenn die Profis auf die Trilogie aus Côte de Wanne, Côte de Stockeu sowie Côte de la Haute-Levée zusteuern. Jeder Anstieg für sich stellt kein großes Problem dar. Alle hintereinander gefahren auf den gut zehn Kilometern mit Wechseln von breiten zu schmalen Straßen, Tempoverschärfungen sowie schnelle Abfahrten können jedoch schon Risse im Feld entstehen lassen.

Über Col du Rosier und Spa führt der Parcours weiter zur Côte de Desnié. Eine Phase, in der sich das Rennen noch einmal etwas beruhigen kann. Wenngleich die Côte de Desnié, mit ihrer durchschnittlichen Steigung von 8,1 Prozent auf 1,6 Kilometern zu einer explosiven Attacke einlädt.

Entscheidet die Côte de la Redoute erneut über den Sieg?

Noch steiler ist die Côte de la Redoute nur wenige Kilometer später. Mit ihr beginnt die ganz heiße Phase des vierten Monuments rund 35 Kilometer vor dem Ziel. An diesem Anstieg attackierte Remco Evenepoel in den letzten beiden Austragungen an – erfolgreich.

Zwischen La Redoute und dem letzten Anstieg Côte de la Roche-aux-Faucons liegt noch die Côte des Forges – vergleichsweise gemäßigt mit einer Durchschnittssteigung von 7,8 Prozent. Beste Erinnerung an die Côte de la Roche-aux-Faucons wird Bob Jungels haben. Der Luxemburger, der auch 2024 am Start stehen wird, konnte sich 2018 dort „davonschleichen“ und sich so den Sieg sichern.

Wer über Kletterbeine verfügt, wird und muss dann an der Côte de la Roche-aux-Faucons angreifen. Das Tückische an diesem Anstieg besteht darin, dass er „oben“ gar nicht zu Ende ist. Nach dem offiziellen Anstieg setzt die Straße ab beziehungsweise führt sogar leicht bergab, um dann noch einmal für mehr als 1000 Meter anzusteigen. Erst dann folgt eine etwas längere Abfahrt ins Ziel nach Lüttich.

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Die Anstiege bei Lüttich-Bastogne-Lüttich 2024

Côte de Bonnerue | 2,5 Kilometer mit 12,3 Prozent | Rennkilometer 76,2
Côte de Saint-Roch | 1 Kilometer mit 11,2 Prozent | Rennkilometer 117,3
Côte de Mont-le-Soie | 1,7 Kilometer mit 7,9 Prozent | Rennkilometer 161,2
Côte de Wanne | 3,6 Kilometer mit 5,1 Prozent | Rennkilometer 169,5
Côte de Stockeu | 1 Kilometer mit 12,5 Prozent | Rennkilometer 176
Côte de la Haute-Levée | 2,2 Kilometer mit 7,5 Prozent | Rennkilometer 180,2
Col du Rosier | 4,4 Kilometer mit 5,9 Prozent | Rennkilometer 194,4
Côte de Desnié | 1,6 Kilometer mit 8,1 Prozent | Rennkilometer 207,8
Côte de la Redoute | 1,6 Kilometer mit 9,4 Prozent | Rennkilometer 220,5  
Côte des Forges | 1,3 Kilometer mit 7,8 Prozent | Rennkilometer 231,2
Côte de la Roche-aux-Faucons | 1,3 Kilometer mit 11 Prozent | Rennkilometer 241,2  

Favoriten-Check für Lüttich-Bastogne-Lüttich 2024

Nach der verletzungsbedingten Absage des Siegers der beiden vorangegangen Austragungen, Remco Evenepoel, liegt die Rolle des Top-Favoriten ganz klar bei Tadej Pogačar, der diese auch annimmt.

„Lüttich ist eines meiner Lieblingsrennen und auch eines der härtesten, also ist es immer schön, dorthin zurückzukehren. Seit Katalonien habe ich mit einigen Teamkollegen einige Zeit in der Höhe verbracht und wir haben uns gemeinsam gut auf den Giro vorbereitet. Für diese Ardennen-Rennen haben wir ein sehr dynamisches Team. Die Form ist gut und ich denke, dass ich gut abschneiden kann, aber insgesamt ist das Team sehr stark und wir haben viele Optionen, was immer ein Vorteil ist. Ich freue mich darauf, am Sonntag wieder eine Startnummer zu tragen,“ so Pogacar in der Pressemitteilung seines Teams.

Unterstützt wird der Lüttich-Sieger von 2021 von einem starken Team mit Fahrern wie Joao Almeida, Marc Hirschi, Finn Fisher Black und Diego Ulissi.

Pogačar versus van der Poel

Sein größter Herausforderer ist allerdings kein geringerer als der Mann des Frühjahrs – zumindest bei den Eintagesrennen – Mathieu van der Poel. Van der Poel der mit seinen Beinen beim Amstel Gold Race nicht ganz zufrieden war, hat die Woche vor Lüttich noch einmal zum Training in Spanien genutzt, um noch etwas an seiner Form zu feilen. „Das wird notwendig sein, ja. Dieses Rennen ist noch härter. Und natürlich gibt es auch einen Pogačar“, sagte er gegenüber Het Nieuwsblad.

Tom Pidcock (Ineos Grenadiers) hat durchaus das Potenzial und besitzt seit dem Amstel Gold Race auch die Form, um an der Spitze mitzufahren. Auch wenn das Renne 50 Kilometer länger ist als der Fleche Wallone und der Pfeil von Brabant könnten Fahrer wie Dylan Teuns (Israel-Premier Tech) und Benoit Cosnefroy (Decathlon AG2R) in Lüttich vorne mitankommen.

Wird es allerdings von vornherein zum brutalen Ausscheidungsfahren, könnten am Ende eher GC-Fahrer und echte Kletterer vorne sein. David Gaudu (Groupama-FDJ), Michael Woods (Israel-Premier Tech), Alexander Vlasov (Bora-hansgrohe) und Mattias Skjelmose (Lidl-Trek) wären hier zu nennen.

Fotos: Photonews.be
Grafik: A.S.O

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