Kampf ums Regenbogentrikot: Die Favoriten auf den WM-Titel in Flandern 2021

24.09.2021

Wer sich die Quoten der Buchmacher anschaut, weiß schnell – dieses Rennen hat drei große Favoriten. Wout van Aert aus Belgien zuallererst, dann Titelverteidiger Julian Alaphillipe aus Frankreich und der niederländische Cross-Weltmeister Mathieu van der Poel.

Das gleicht der Vorschau auf Mailand-Sanremo im Frühjahr dieses Jahres. Auch bei der Primavera wurden diese Drei heiß gehandelt und es war eigentlich nur die Frage, wer von ihnen den Sieg unter sich ausmachen würde. Doch es kam ganz anders. Es gewann Jasper Stuyven. Solch ein Szenario ist auch bei der Weltmeisterschaft in Flandern denkbar. Gerade Wout van Aert, der sich nach der Tour of Britan in bestechender Form zeigt, wird „beschattet“ werden.

Julian Alaphillipe bewies zuletzt beim der Primus Classic seine Klasse, als er seinem Teamkollegen Florian Senechal den Sieg vorbereitete, indem er vorher das Rennen animierte und es schwer machte. Und Mathieu van der Poel kam aus einer langen Verletzungspause mit einem Sieg bei der Antwerp Port Epic wieder.

Die großen Drei – Wout van Aert, Julian Alaphillipe und Mathieu van der Poel

Allerdings – und das ist zugegeben eine abgedroschene Phrase – sind Weltmeisterschaftsrennen komplett andere Wettbewerbe. Die Fahrer der Nationalteams fahren selten in dieser Konstellation zusammen – und die Rollen sind nicht immer so klar verteilt, wie in den klassischen Rennen. Zudem haben viele Nationalteams nur sechs oder weniger Fahrer am Start, was die taktischen Möglichkeiten einschränkt. Kurzum, Olympische Wettbewerbe und Weltmeisterschaften haben ihre ganz eigenen Gesetze.

Auch wenn die drei Obengenannten hochgehandelt werden, so muss man doch auch andere Fahrer beziehungsweise Nationen auf dem Zettel haben. Denn das Rennen ist außer ordentlich schwer und es lässt sich auch gar nicht so einfach kontrollieren – aufgrund der Local Circuits, bei denen es ein ständiges Auf und Ab gibt, und der Länge von 268,3 Kilometern, was zu einen Ausscheidungsfahren führen kann .

Dänemark, Slowenien und Italien starten mit Top-Teams bei der WM

Schaut man sich die Nationen an, stechen besonders Italien, Slowenien und Dänemark hervor. Sie dürfen mit der Maximalzahl von acht Fahrern antreten. Frankreich bekommt aufgrund des Weltmeister Julian Alaphilippe neun Startplätze.

Und diese drei Nationen haben es in sich. Italien startet mit Sonny Colbrelli, der vor einer Woche Europameister wurde und in einer Superform – verglichen mit den Vorjahren – ist. An seiner Seite Matteo Trentin, der als WM-Zweiter von Yorkshire 2019 mit dem Regenbogentrikot noch eine Rechnung offen hat. Aber auch Routinier und Klassikerjäger Giacomo Nizzolo und Gianni Moscon könnten in bestimmten Konstellationen beziehungsweise Szenarien zu Siegesanwärter werden. Sie alle verfügen über taktische Cleverness und Rennhärte, die ein Wettbewerb über knapp 270 Kilometer erfordert.

Die Slowenen schicken neben dem Grand-Tour Siegerduo bestehend aus Tadej Pogačar und Primož Roglič noch Fahrer wie Matej Mohorič und Jan Tratnik ins Rennen. Sie alle können über solch lange Distanzen gehen.

Ebenfalls extrem hoch einzuschätzen, ist das dänische Team. Hier wäre so manche Mannschaft froh, einen der Fahrer als Kapitän zu haben: Magnus Cort Nielsen, Kaspar Asgreeen, Michael Valgren und natürlich den Weltmeister von 2018, Mads Pedersen. Sie alle sind so stark, dass sie Gruppen animieren und mit diesen auch durchkommen können. Wenn es auch nicht für den Titel reicht, so scheint für dieses Team eine Medaille Minimalziel zu sein.

Allerdings haben auch die Mannschaften der Top-Favoriten, den einen oder anderen Joke in der Hinterhand. Bei Belgiern ist das Remco Evenepoel. Bei den Niederlanden können Fahrer wie Dylan van Baarle und Bauke Mollema Akzente setzen und bei den Franzosen Benoît Cosnefroy sowie Christophe Laporte.

Triple-Weltmeister Peter Sagan mit Außenseiterchancen im WM-Rennen

Auch wenn viel über Mannschaften gesprochen wird, so darf man einen letztendlich nicht vergessen – den dreimaligen Weltmeister Peter Sagan. Er kam in den vergangenen Wochen immer besser in Form und ist ein Fahrer, der die Qualität besitzt, bei solch einem Rennen am Ende ganz vorne mit dabei zu sein. Er wird nicht die mannschaftliche Unterstützung haben wir die anderen Kapitäne. Besitzt aber den Instinkt, denn es braucht, um solch ein Rennen zu lesen.

Ebenfalls Außenseiterchancen hat Tom Pidcock in einer bunt gemischten britischen Equipe, in der auch Mark Cavendish fährt. Fraglich nur, ob der Olympiasieger im Mountainbike Cross Country und Sieger des Pfeil von Brabant 2021 mit seinen erst 22 Jahren über solch eine lange Distanz wettbewerbsfähig ist.

Spannend wird es auf jeden Fall, denn auf diesem Kurs sind Fluchtgruppen nicht zu unterschätzen. „Ich kann mir gut vorstellen, dass es mit wachsende Renndauer ein wahrer Zermürbungskampf wird. Wo die mutigen Fahrer, die etwas riskieren, plötzlich in einer hervorragenden Ausgangsposition sind, um den WM-Titel unter sich auszumachen. Eine kleine Gruppe sein, die einen Vorsprung von 20 bis 30 Sekunden herausfährt, könnte vorne bleiben und ein Fahrer daraus das Regenbogentrikot holen“, sagt Silvan Dillier, der für die Schweiz startet. Der Team Alpecin-Fenix-Profi sieht auch die Gefahr, dass Wout van Aert gar nicht so einfach weggekommen wird und viele sich auf ihn fokussieren. „Allerdings kann dann gerade auch die Tür aufgehen für andere Fahrer, die mutig sind und etwas versuchen.“

Fotos: Photonews.be, Stefan Rachow/mr. Pinko