Analyse & Vorschau auf die Strecke der Tour de France 2021

03.11.2020

Auf 21 Etappen und über 3414 Kilometer führt die Frankreich Rundfahrt 2021 von der Bretagne durch die Alpen über den legendären Mont Ventoux weiter in die Pyrenäen bis zum obligatorischen Finale nach Paris. Was Fahrer und Fans im Detail erwartet, verrät der Streckencheck von Alpecin Cycling:

Bretagne statt Hovedstaden. Anders als ursprünglich geplant, soll die 108. Tour de France im Jahr 2021 am 26. Juni starten. Nachdem das Corona-Jahr unmittelbar und weiterhin Einfluss auf die Organisation von Sportgroßereignissen nimmt, kann der Grand Boucle nicht wie geplant in Kopenhagen starten. So kommt es zum einen zu einem Umzug von der dänischen Landeshauptstadt in den Nordwesten Frankreichs und zum anderen weicht man terminlich abermals nach vorn aus, um nicht mit den Olympischen Spielen in Tokio in Konflikt zu geraten.

Zwei Klassiker-Etappen zum Grand Depart der Tour in der Bretagne

Vom Start weg entfällt ein lockeres Einrollen für die Favoriten aufs Gelbe Trikot, denn gleich zu Beginn müssen sie sich aufmerksam zeigen. Die ersten beiden Etappen weisen bereits ein anspruchsvolles Streckenprofil, eher für Klassikerspezialisten als für die kraftvollen, schweren Sprinter gemacht.

So ist der Schlussanstieg der ersten Etappe, die Côte de la Fosse aux Loups, auf dem ersten Teilabschnitt 3,1 Kilometer lang und im Durchschnitt 5,6 Prozent steil. Gespickt zudem mit einer Rampe von 14 Prozent. Doch bereits vor dem Finale warten besondere Schwierigkeiten, aufgrund vieler Richtungsänderungen und einer Runde entlang der Küste.

Windkanten sind vorprogrammiert und neben der „Nervosität einer Grand Tour“ wird dieser Faktor eine bestimmende Rolle spielen. Dieses, für eine Startetappe verheißungsvolle Finale würde Bernd Landwehr vom Cyclingmagazine sicher mit „legt das Popcorn bereit“ kommentieren.

Auf dem zweiten Teilstück muss das Peloton den berühmtesten „Anstieg“ der Bretagne erklimmen: In Mur de Bretagne – und das gleich zwei Mal. Bei der ersten Überfahrt gibt es spezielle Bonussekunden. Gespannt sein dürfen wir darauf, ob die GC-Favoriten sich zeigen und duellieren. Gemacht sein scheinen die beiden ersten Etappen für Puncheure wie Weltmeister Julian Alaphilippe oder Wout van Aert sowie Mathieu van der Poel, der 2021 erstmals bei der Tour starten will.

An Tag drei sind dann endlich die Sprinter dran. Nach 182 Kilometer dürfte das Finale in Pontivy ihre Sache werden. Danach folgt ebenfalls eine Flachetappe über „kurze“ 152 Kilometer von Redon nach Fougeres, ehe es den ersten „halben Ruhetag“ für über zwei Drittel des Pelotons auf Abschnitt 5 gibt. In Laval kommt es zum Kampf gegen die Uhr: das erste Einzelzeitfahren dieser Tour über 27 Kilometer. Ein Kampf zwischen GC-Fahrern und Spezialisten. Gemacht für Filippo Ganna von Ineos Grenadier. Fährt er die Tour, wird ihm hier der Sieg kaum zu nehmen sein.

Die „berühmt-berüchtigten“ Schlösser de Loire – vielen bekannt aus zahlreichen ARD-Überragungen der 1990er- und 2000er-Jahre – werden im Mittelpunkt der sechsten Etappe stehen. Zu erwarten ist in Chateauroux dann ein Sprint Royal.

Tagesabschnitt sieben wird lang und intensiv. 248 Kilometer und ein welliges Profil. Knapp 18 Kilometer vor Schluss wartet mit dem Mont Julien ein zweigeteilter Anstieg über 5,7 Kilometer mit im Schnitt 5,7 Prozent Steigung. Aber: Diese Steigungsprozente trügen! Hier ist eine kurze Abfahrt miteingerechnet. Die finale zirka 1,5 Kilometer lange Rampe hat Spitzen mit bis zu 18 Prozent.

LINK: Alle 21 Etappen mit Höhenprofil

Erst die Alpen, dann die Pyrenäen bei der Tour 2021

Die Alpen rufen! Von Oyonnax geht es in den Wintersportort Le Grand Bornand. Die letzten knapp 40 Kilometer mit dem Col du Romme und Col de la Colombière sind identisch mit der Tour-Etappe von 2018. Gerade die steilen Rampen im Einstieg zum Col du Romme haben es in sich. Die Abfahrt nach Le Grand Bornand kommt sicher Fahrern wie Julian Alaphilippe entgegen, der die Etappe 2018 gewann.

Keine Alpendurchquerung ohne Bergankunft: Diese folgt am 4. Juli auf dem Weg von Cluses ins Wintersportgebiet Tignes. Sozusagen ein Mix der verkürzten Etappen aus dem Jahr 2019. Vorgeschaltet der Cormet de Roselend, ehe sich die Fahrer über 21 Kilometer hinauf in den Wintersportort des Trois Vallees auf 2113 Meter „schrauben“.

Erste Bergankunft der Tour 2021 in Tignes.
@ A.S.O

Es folgt der verdiente Ruhetag ehe sich der Tross von der Olympiastadt Albertville aus in die Provence ausmacht. Durch die Täler der Isere und Rhone ist alles für ein Sprintfinale in Valence gerichtet. Oder haben die Ausreißer leichtes Spiel, denn vielleicht ist Ruhe vor dem großen Sturm auf den Mont Ventoux und kaum ein Team will Energie in die Nachführarbeit investieren?

Mont Ventoux im Doppelpack

Einen Tag später geht es auf den „weißen Riesen“ der Provence – und das gleich zwei Mal, wenngleich die erste Anfahrt von Salut vielen im ersten Teil als nicht so schwer erscheint. Das zweite Mal wird der Schicksalsberg vom tiefergelegenen Bedoin in Angriff genommen. Aber oben ist noch lange nicht Schluss. Vom Gipfel geht es noch 22 Kilometer ins Ziel nach Malaucene.

Zwei Mal geht es 2021 über den Mont Ventoux.
@ A.S.O.


Gespannt wird man an diesem Tage auch auf die Witterung sein. Zuletzt 2016 bei Froomes Bergsprint in Rennradschuhen war die Etappe vom Winde verweht – und das Ziel vom Gipfel auf die Höhe des Chalet Reynard verlegt.

Landschaftlich atemberaubend aber weniger intensiv führt die Strecke grob Richtung Mittelmeer. Auf Etappe 12 von Saint-Paul-Trois-Chateaux nach Nimes wird die Gorges de l’Ardèche durchquert. Wird das Feld nicht durch den Wind zerflettert, wird es nach 161 Kilometer zum Sprint in Nimes kommen.

Die ehemalige Römer-Stadt ist auch der nächste Etappenstartort. Über 220 Kilometer führt dann eine Flachetappe nach Carcassone – der vorerst letzten Chance für die endschnellen Männer, denn es folgt ein leichter Aufgalopp in die Pyrenäen. Ein Abschnitt mit klassischem Sägezahn-Profil in der zweiten Streckenhälfte führt nach Quilan.

Abstecher nach Andorra – aufs Dach der Tour 2021

Am nachfolgenden Tag, Etappe 15, müssen die Fahrer dann aufs Dach der Tour – den Port d‘Envalira auf 2408 Meter – zugleich das Souvenir Henri Desgrange. Allerdings ist auch hier nicht das Ziel, sondern es folgt mit dem Col de Beixalis (6,4 Kilometer mit 8,5 Prozent) ein weiterer Anstieg sowie eine Abfahrt nach „Alt-Andorra“, Andorra-la-Vieille.

Die Andorra-Etappe führt über den Port d’Envalira – das Dach der Tour auf 2408 Meter.
@ A.S.O.

Dort verbringen die Fahrer auch den zweiten Ruhetag. Raus aus dem Zwergstaat führt es über welliges Terrain nach Saint Gaudens. Ein letztes Verschnaufen für die Klassementfahrer, ehe die kletterstarken unter ihnen auf den beiden letzten Bergetappen ihre Chance suchen werden.

Hoch oben liegt das Ziel der 17.Etappe am französischen Nationalfeiertag. Über 16 Kilometer geht es auf den Col du Portet auf 2215 Meter. Eine 16 Kilometer lange Steigung mit neun Prozent im Durchschnitt. Aber das Spektakel beginnt schon früher, denn die Pyrenäenriesen Col de Peyresourde und Col de Val Louron-Azet liegen auf dem Weg.

Die erste Pyrenäenetappe endet mit einer Bergankunft auf dem Col du Portet.
@ A. S.O.

Am Tag darauf folgt die dritte und letzte Bergankunft dieser 108. großen Schleife. Von Pau über den mythischen Col du Tourmalet geht es hinauf ins Skigebiet Luz-Ardiden auf 1715 Meter. Diese beiden Etappen, da sind sich viele Experten einig werden, das Gesamtklassement auf den ersten zehn Plätze durcheinanderwirbeln, denn die Anstiege sind nicht so brachial wie in den Alpen und geben vielen die Chance nochmal ihr Heil in der Flucht beziehungsweise Attacke zu suchen.

Auf Etappe 19 können die GC-Fahrer und ihre Helfer wieder etwas Luft an die Beine lassen. 203 Kilometer gilt es auf der Flachetappe von Mourenx nach Libourne zu überbrücken, die Sprinter-Teams sind gefragt das Rennen zu kontrollieren.

Zum finalen Showdown ums Gelbe Trikot kann es dann einen Tag vor der Schlussetappe kommen. Beim „Contre la montre“ von Libourne durch die Weinberge nach Saint-Emilion auf 31 Kilometern wird es um die nötigen Sekunden gehen, die diese Tour de France entscheiden. Obligatorisch endet die Tour mit einem Sprint Royal auf Paris‘ Prachtboulevard Champs-Elysees.

Ausgewogene Tour-Strecke 2021

Der Tour-Parcours wirkt mit den zwei Einzelzeitfahren und nur drei Bergankünften viel ausgewogener als noch in den Jahren zuvor. Zudem fehlen die Extreme in den hohen Bergen wie beispielsweise der supersteile Col de La Loze.

Wer als Klassementfahrer den Kampf gegen die Uhr liebt und nicht nur allein die Schlacht in der Vertikalen schätzt, wird dieses Design mögen: Geraint Thomas, Tom Dumoulin, Primoz Roglic aber auch die zwei Quickstep-Youngster Remco Evenepoel oder Jose Almeida. Dazu wird der Sieger aber eine starke Mannschaft brauchen, um auf den Windkanten- und Klassiker-Etappen das Peloton zu kontrollieren. Teams mit Sprintern und Puncheure bekommen auch mehr als genug Möglichkeiten, um sich zu zeigen.

Aber wie immer gilt der alte Grundsatz: Die Fahrer machen das Rennen schwer!

Die Strecke der Tour de France 2021 als Video

Alle 21 Etappen der Tour de France 2021

DatumEtappeStart – ZielDistanzProfil
26. Juni 20211Brest –Landerneau187 kmhügelig
27. Juni 20212Perros-Guirec – Mur-de-Bretagne Guerledan182 kmhügelig (BA)
28. Juni 20213Lorient – Pontivy182 kmflach
29. Juni 20214Redon – Fougeres152 kmflach
30. Juni 20215Change – Laval27 kmEinzelzeitfahren
1. Juli 20216Tours – Chateauroux144 kmflach
2. Juli 20217Vierzon – Le Creuset248 kmhügelig
3. Juli 20218Oyonnnax – Le Grand Bornand151 kmbergig
4. Juli 20219Cluses – Tignes145 kmbergig (BA)
5. Juli 2021RuhetagTignes
6. Juli 202110Albertville – Valence186 kmflach
7. Juli 202111Sorgues – Malaucene199 kmbergig
8. Juli 202112Saint-Paul-Trois-Chateaux – Nimes161 kmflach
9. Juli 202113Nimes – Carcassone220 kmflach
10. Juli 202114Carcassone – Quillan184 kmhügelig
11. Juli 202115Ceret – Andorra192 kmbergig (BA)
12. Juli 2021RuhetagAndorra  
13. Juli 202116Pas de la Case – Saint Gaudens169 kmhügelig
14. Juli 202117Muret – Saint-Lary-Soulan Col du Portet176 kmbergig (BA)
15. Juli 202118Pau – Luz Ardiden130 kmbergig
16. Juli 202119Mourenx – Libourne203 kmflach
17. Juli 202120Libourne – Saint-Emilion31 kmEinzelzeitfahren
18. Juli 202121Chatou – Paris Champs Elysees112 kmflach