Trainingslager-Guide: Tipps für Hobbyradsportler

19.01.2023

Goodbye Deutschland, adieu Tristesse! So lautet die Devise vieler Radsportler im Winter. Um Dunkelheit, Kälte und Nässe zu entfliehen, wagen immer mehr Rennradfahrer den Abflug – ins Trainingslager.

Für viele ist das Camp im Frühjahr der erste Höhepunkt des Jahres. Damit die Saisonvorbereitung im Süden auch sportlich zum Erfolg wird, gilt es allerdings, einiges zu beachten:

Trainingslager-Tipp: Fürs Camp richtig fit machen

Wer zu wenig trainiert hat und dann aber trotzdem fern der Heimat „Gas gibt“, riskiert Überlastungen. Daher ist das Vorbereitungstraining immer abhängig von den angestrebten Wochenstunden im Camp. Drei bis vier Wochen Vorbereitung sind das Minimum. Zwei bis drei Monate dagegen optimal.

Wenn es die Witterung zulässt, dann in der Vorbereitung Samstag und Sonntag schon mal ein Mini-Block absolvieren um den Organismus an die unvollständige Erholung zwischen zwei Einheiten vorbereiten. Allerdings nicht zu lang und zu intensiv fahren, damit das Immunsystem mit den Strapazen und Stressoren noch klarkommt.

Apropos Strapazen, wer den Umfang erhöht und dann anstatt zwei auch mal vier oder mehr Stunden pro Einheit im Sattel sitzt braucht einen kräftigen Rumpf. Um hier gar nicht erst in den „Schmerz“ zu fahren, lohnen Stabi-Übungen für Bauch und Rücken beziehungsweise ein radfahrspezifische Core-Workout.

Rennradfahrer machen Rast in Kaltern am See

In der Woche vor dem Trainingslager dann den Umfang und die Intensität herunterfahren, um ausgeruht im Camp anzukommen. Wer also in den letzten zwei bis drei Tagen vor Abflug die Beine hochlegt, schadet seiner Form zu diesem Zeitpunkt in der Saison ganz sicher nicht.

Statt Training in den finalen Tagen vor der Anreise kann die so gewonnene Zeit für Planung und Regeneration genutzt werden. Ein No-Go ist es übrigens auch, bis abends um 10 Uhr zu arbeiten und dann um sechs Uhr früh den ersten Flieger gen Süden zu nehmen.

Auch sollte in den letzten Tagen vor der Abreise nicht noch eine extra Diät gemacht werden. Trainingslager bedeutet Stress für den Organismus – und daher sollten zumindest zu Beginn die Speicher gefüllt sein. Carboloading muss sein nicht sein, aber komplexe, „gesunde“ Kohlenhydrate sollten einen nicht unerheblichen Anteil an der Ernährung einnehmen.

Trainingslager-Tipp: Erwartungen klar formulieren

Gerade wer mit anderen zusammen ins Trainingslager reist und mit ihnen auch gemeinsam trainieren will, sollte im Vorwege ansprechen, was jeder einzelne von dem Camp erwartet. Geht es mehr um Performance oder mehr um Geselligkeit. Also ein „Trainingslager“ oder „Radurlaub“?

Wird den ganzen Tag Rad gefahren oder soll auch noch Urlaub gemacht werden? Oft genug passiert es nämlich, dass es an Tag zwei oder drei erste Querelen gibt, da sich der eine oder andere über- beziehungsweise unterfordert fühlt. Man sollte einfach sicherstellen, dass alle ähnliche Erwartungen haben.

Wer alleine reist, sollte sich zuhause überlegen, ob er sich vor Ort geführten Gruppen anschließt und kann sich informieren, welche Leistungsstärke zu ihm passt.

Und: Vor jeder Tour mit Mitstreitern im Voraus festlegen, wie lange die jeweilige Runde sein soll, welche Intensitäten angestrebt werden, und wie oft Stopps geplant sind.

Trainingslager-Tipp: Einen Plan haben

Schon zuhause lohnt ein Blick auf die Tage im Trainingslager. Was beziehungsweise wie viel will der Athlet trainieren. Als Faustformel gilt: Das zwei bis zweieinhalbfache als zuvor sind vom Umfang her beziehungswiese dem Energieumsatz her machbar.

Dieses „Budget“ kann auf die Tage im Camp verteilt werden. Ob jetzt in zweier oder Dreier-Blöcken trainiert wird und ob die Umfänge von Tag zu Tag gesteigert werden, muss jeder für sich selbst entscheiden. Spätestens an Tag vier sollte ein Ruhetag eingelegt werden.

Rennradfahrer machen eine Tour in Kaltern am See

Apropos Trainingstage: Anreise und Abreisetag haben in der Bilanz nichts zu suchen. Der Anreisetag dient dazu, sich „häuslich“ einzurichten, das Rad aufzubauen oder an der Mietstation abzuholen und auch für kommenden Tage einzukaufen.

Der Abreisetag ist wie ein Regenerationstag zu betrachten. Also: Wenn möglich ausschlafen, in Ruhe frühstücken und dann so relaxt wie möglich nach Hause reisen. An diesem Tag noch eine Einheit abzureißen und sich dann mit angeschlagenem Immunsystem in den Flieger zu setzen, birgt ein hohes Risiko.

Trainingslager-Tipp: Ernährung – „gut“ essen und trinken

Das bedeutet jetzt nicht all das im Übermaß zu tun, und allein den Preis fürs Hotelzimmer am Büffet abzuessen. Aber der Organismus braucht aufgrund der umfangreichen Belastung in diesen Trainingstagen viele hochwertige Nährstoffe.

Fett- und Zuckerorgien, auch wenn Pancakes und Speck zum Frühstück locken, sind zu vermeiden. Allerdings darf bei der ersten Mahlzeit des Tages reichhaltig gegessen, denn ein langer Trainingstag erfordert gefüllte Speicher – nur dann eben durch Porridge, Obst, Vollkornbrot und mageren Aufschnitt. So viel Sinn Low Carb-Einheiten in bestimmten Phasen der Saison auch machen kann, ein Trainingslager ist der falsche Zeitpunkt damit zu beginnen.

Wichtig ist dagegen, gerade nach der Tour die Glykogenspeicher in Muskulatur und Leber schnell und adäquat mit mittel- bis langkettigen Kohlenhydraten zu füllen. Also keine Süßigkeiten, sondern Nudeln, Reis, Kartoffeln sowie Obst und Müsli.

Drei Rennradfahrerinnen machen eine Essenspause in Kaltern am See

Wer nicht direkt nach der Einheit zum Essen gehen kann, weil das Hotelrestaurant geschlossen hat, sollte vorbeugen und sich auf dem, Zimmer etwas zubereiten oder woanders essen gehen. Die schnelle Kohlehydratzufuhr ist daher so wichtig, dass das Auffüllen der Speicher viele Stunden dauert. Wer also bis zum Abendessen wartet, verschenkt wichtige Körner – zudem mag das Immunsystem keinen Hunger.

Genauso wenig übrigens wie Durst – und das ist ein Faktor, der oft im Trainingslager vernachlässigt wird. Stay hydrated lautet eine weitere wichtige Devise für die Trainingslager-Ernährung. Und zwar schon vom Anreisetag an. Kaffee & Co. dürfen übrigens nicht in die Flüssigkeitsbilanz eingerechnet werden.

Auch wenn jeder unterschiedlich Flüssigkeit verbraucht, so sollte doch zur normalen täglichen Trinkmenge, die bei Sportlern sicher bei mehr als 1,5 Liter pro Tag liegt, pro Stunde Training auf dem Rad mindestens 400 Milliliter hinzugerechnet werden. Bei Wärme sicherlich mehr. Wichtig ist auch bereits, gut gewässert ins Training zu Start und so gehört ein halber Liter Flüssigkeit zum Frühstück dazu.

Weitere Infos: Essen und Trinken im Trainingslager – die größten Ernährungssünden

Trainingslager-Tipp: die Einheit vor- und nachbereiten

Gerade in solch einem Camp soll ja die Qualität des Trainings im Fokus stehen – auch beziehungsweise gerade bei einer lockeren und langen Einheit im Grundlagenausdauerbereich. Um daher das Optimum aus dem Tag herauszuholen, sollte vor der Abfahrt alles Wichtige erledigt sein.

Dazu zählen Marschverpflegung, Bekleidung für alle Eventualitäten und funktionstüchtige Rad. Wer seinen Körper noch etwas Gutes tun möchte, kann kurz vor dem Start ein Programm absolvieren, um sich einmal zu mobilisieren.

Ein Rennradfahrer prüft seinen Radcomputer

Ähnliches lohnt auch nach der Ausfahrt. Vom langen Sitzen sind beispielsweise die Hüftbeuger verkürzt. Die danken es mit klassischem Aufdehnen oder einer myofaszialen Massage mit der Blackroll. All das dauert nicht lange – ist aber gut investierte Zeit, um Überlastungen vorzubeugen.

Was natürlich auch zur Vorbereitung zählt, Ist die Wahl der Tages-Tour. Zu Beginn des Camps defensiv herangehen und vielleicht optional die Möglichkeit zum Abkürzen einplanen Manchmal kann Wind von vorne bremsen und so den angepeilten schnitt beziehungsweise die Zielzeit verhageln.

Weitere Infos: Trainings-Tipps für eine perfekte Rennrad-Einheit

Trainingslager-Tipp: In der radfreien Zeit regenerieren

Rennrad fahren und relaxen – das sind die einzigen Bestandteile eines Trainingslagers. Auf beide sollten Sportler gleichermaßen achten und dürfen daher ohne schlechtes Gewissen direkt vom Sattel aufs Sofa springen.

Im Trainingslager befindet sich der Organismus im Ausnahmezustand, denn er muss mehr leisten als gewohnt. Die Einheiten auf dem Rad sind länger als zuhause und wirkliche Pausen, um vollständig zu regenerieren, gibt es nicht.

Diese sogenannte Overreaching ist aber durchaus gewollt und als weiterer Trainingsreiz anzusehen. So bewusst wie trainiert wird, sollte dann auch bewusst in der noch verbliebenen Zeit regeneriert werden. Neben genug Schlaf zählt auch der Ruhetag –nach 2 bis 3 Tagen Training – zu den wichtigen Regenerationsmaßnahmen.

Weitere Infos: Schnelle Erholung: Regeneration-Tipps für Rennradfahrer

Trainingslager-Tipp: Safety First – an die Gesundheit denken

Auch wenn Corona nicht mehr unser Leben so fest im Griff hat, so sollten die gängigsten Hygieneregeln im Trainingslager eingehalten werden – Handdesinfektion ist so einfach wie wichtig. Wer kein Risiko eingehen will, kann bei Menschenansammlungen wie bei der Sicherheitskontrolle als auch bei der Abfertigung und im Flieger Maske tragen.

Präventiv lohnt es sich auch eine Reiseapotheke mit den gängigen Medikamenten wie gegen Insektenstiche, Sonnenbrand, Kopfschmerzen, Fieber, Durchfall, Magenbeschwerden, Hautabschürfungen und Abszesse (Sitzpickel) mitzuführen. Wer wissen will, was in eine Reiseapotheke gehört, findet auf den Seiten des Auswärtigen Amtes nützliche Informationen .

All jene, die verschreibungspflichtige Medikamente mitnehmen, sollten sich die Notwendigkeit von ihrem Arzt attestieren lassen. Bei Gelegenheit, dann auch gleich den Impfstatus checken.

Zur Sicherheit im Camp zählt im Übrigen auch eine defensive Fahrweise, um unnötige Arzt- oder Krankenhausbesuche zu vermeiden. Also keine spektakulären Fahrmanöver oder Highspeedrekordversuche in den Abfahrten – getreu nachdem abgewandelten Motto: no risk, longer fun.

Weitere Infos: Schmerzfrei durchs Trainingslager

Trainingslager-Tipp: Das Camp nachbereiten

Im Anschluss an die hoffentlich sonnigen aktiven Tage heißt es verdauen – und zwar die Anstrengungen der vergangenen Tage. Immerhin wurde viele körpereigenen Systeme ausgereizt: Die Muskulatur ist angegriffen, die Kohlenhydratspeicher sind mehrfach entleert worden, und auch die Hormone spielen verrückt – nach solchen ungewohnt umfangreichen sportlichen Strapazen.

In den ersten zwei, drei Tagen deshalb ausruhen, danach aber wieder ins Training einsteigen. Mit der verbesserten Form nach den Einheiten im Camp, startet man fit und gut vorbereitet in den nächsten Trainingsblock.

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Fotos: Felix Homann