Mehr Ausdauer: Low-Carb-Training für Rennradfahrer
Wer vor und während des Trainings Kohlenhydrate weglässt, verbessert nicht nur seinen Fettstoffwechsel und seine aerobe Ausdauer, sondern kann – clever getimt – auch die Trainingszeit verkürzen. Alpecin Cycling erklärt, wie es funktioniert.
Low Carb-, Low Sugar- oder gar Nüchtern-Training hat in den vergangenen Jahren im Radsport immer mehr an Relevanz gewonnen. Waren hier die Profis, die ersten die sich damit intensiv beschäftigt haben, befassen sich jetzt auch immer mehr Hobbysportler/innen und Jedermänner sowie -frauen mit dieser Trainingsmethode.
Also die Fähigkeit zu optimieren, dass der Körper zur Leistungserzielung vermehrt die Fettsäuren im Körper als Brennstoff nutzt und die Kohlenhydrate erst bei intensiveren Belastungen heranzieht. „train low“ steht als Oberbegriff für alle Formen dieser periodisierten Ernährung, bei denen bereits mit einer verminderten Kohlenhydratverfügbarkeit ins Training gestartet wird. Doch warum ist solch ein Training überhaupt nötig?
Das Ziel dieses Trainings ist es, zum Beispiel im Hinblick für Hobbysportler auf einen Radmarathon, die Verstoffwechselung der Kohlenhydrate zu reduzieren und den Fettstoffwechsel zu trainieren. Diese Form des Trainings ökonomisiert und vergrößert die Mitochondrien – Kraftwerken in den Muskeln –, was auch die maximale Sauerstoffaufnahme verbessert.
Low Carb-Training: Fette als Brennstoff nutzen
„Während Fette im Überfluss vorhanden sind und mathematisch als nahezu „unendliche“ Größe angesehen werden können, sind Kohlenhydrate bei der Substratwahl trotzdem immer die abhängige Variable“, erklärt Sportwissenschaftler und Profi -Coach Björn Geesmann von HYCYS (www.hycys.de). Sind Carbs vorhanden, werden sie in größeren Maßen verbraucht und der Fette kaum angerührt.
Sind dauerhaft viele Kohlenhydrate vorhanden, führt das zu einem dauerhaft hohen Kohlenhydratverbrauch und allgemein schlechtem Fettstoffwechsel. Sind die Kohlenhydrate nur reduziert vorhanden, muss sich der Körper umstellen und vermehrt Fette verwerten.
Die Energiegewinnung unseres Organismus‘ ist vergleichbar mit einem Hybrid-Motor im Auto. Die menschliche Maschine zieht sich bei Leistungen beziehungsweise Intensitäten bis zur individuellen anaeroben Schwelle Fette und Kohlenhydrate.
Ab der Schwellenleistung „säuft“ er nur noch Kohlenhydrate. Anders als beim Auto hat der Mensch keinen Schalter, um den Treibstoff auszuwählen, sondern muss den Hybrid in die Richtung der effizienten Energiegewinnung, also den Fetten, trainieren. Dann muss er auch nicht mehr so oft an die Tankstelle. Denn die Fette sind „unendlich“, die Kohlenhydrate dagegen nicht.
Low Carb-Training setzt starken Trainingsreiz
Wenn dem Organismus wenige Kohlenhydrate zur Verfügung gestellt werden, verändern sich Prozesse der Energiebereitstellung und der Körper wird zusätzlich zum normalen Trainingsreiz vermehrt gestresst. „Auf der Habenseite stehen hier wichtige physiologische und hormonelle Anpassungen mit Effekten wie einem reduzierten Kohlenhydrat-Verbrauch und darüber bedingt ein optimierter Fettstoffwechsel“, erklärt Sportwissenschaftler Björn Geesmann.
„Auf der Soll-Seite gibt es eine erhöhte Infektanfälligkeit und eine stärkere Ermüdung“, so Geesmann. Außerdem kann auch die Muskulatur darunter leiden, wenn der Organismus versucht, in Ermangelung von Kohlenhydraten das Muskeleiweiß in Glucose sprich Brennstoff umzuwandeln.
Dieses Risiko lässt sich über eine eiweiß- oder fettreiche Ernährung – vor, nach oder sogar während der Belastung, deutlich minimieren“, sagt Björn Geesmann. Denn es geht hier nicht darum die Kalorienmenge zu reduzieren, sondern lediglich die Kohlenhydrataufzunahme zu periodisieren. Es können die Effekte eines verbesserten Fettstoffwechsels allein dadurch erzeugt werden, indem man die Kohlenhydrate anders einsetzt beziehungsweise ihre Aufnahme clever timt.
Nüchtern-Training nur für Ambitionierte
Wenn schon auf Kohlenhydrate verzichten, warum denn dann nicht gleich nüchtern fahren? „Auch das machen einige Profis“, erklärt Geesmann, findet es für Hobbyradsportler doch etwas zu riskant. „Die Glykogenspeicher sind dann meist sehr deutlich entleert. Und der Organismus kann aufgrund des Nährstoffmangels mit Blutzuckerschwankungen reagieren, was dem Ziel wieder abträglich ist“, so der Sportwissenschaftler.
Low-Carb-Training hat Befürworter und Gegner. Unbestritten ist, dass der Trainingsreiz und der Einfluss dieser Epigenetik groß sind. Doch jeder, der so trainieren will, muss sich der Begleitumstände bewusst sein. So gibt es durchaus Athleten, die mit dieser Form des Trainings schlechter werden können. „Aus dem Profi-Peloton hört man des Öfteren, dass das Training für Sprinter nichts bringt“, sagt Geesmann.
„Aber ich kenne Trainer, die das bei Sprintern erfolgreich einsetzen, damit diese frisch in Richtung letzte 1000 Meter kommen. Auch hier ist es immer eine Frage des Timings, der Dosierung und natürlich der Physiologie des Athleten“, so der Sportwissenschaftler.
Tipps zum Fahren mit reduzierten Kohlenhydratspeichern
Wer solche Einheiten noch nie absolviert hat, sollte nicht gleich mit der extremsten Variante beginnen. Nämlich am Abend die Speicher bewusst über eine Radeinheit leeren und am nächsten Morgen nach dem kohlenhydratarmen Frühstück die nächste Einheit absolvieren.
Stattdessen ausgeruht nach einem kohlenhydratarmen Frühstück mal für eine Stunde, vielleicht auch auf der Rolle, locker fahren und schauen, was eigentlich passiert. Der Umfang – nicht aber die Intensität – kann dann von Zeit zu gesteigert werden. Die Intensität liegt über den Daumen gepeilt im unteren GA1-Bereich.
Wer es genau wissen will: Moderne Leistungsdiagnostiken mit Spiroergometrie, die die maximale Laktatbildungsrate bestimmen, können auch den optimale Trainingsintensität für ein sogenanntes FATmax –Training „auswerfen“. „Das ist dann der Bereich, in dem der Athlet dann tatsächlich die meiste Menge an Fett verstoffwechselt“, so Geesmann.
Low Carb-Training: Stress für das Immunsystem
Da diese Form des Trainings den Körper aufgrund der Kohlenhydratverknappung extrem stresst und das Immunsystem in Wallung versetzt, muss der Sportler ausgeruht sein und darf keinesfalls angeschlagen sein. „Auch sollte der Athlet dann hinterher Kohlenhydraten zuführen und sich vielleicht nicht gleich in Menschenansammlungen stürzen“, so Geesmann weiter.
Die Kohlenhydrate nach der Belastung wegzulassen, ist ebenfalls eine Möglichkeit, um den durch das Training gesetzten Reiz zu verlängern beziehungsweise zu vergrößern. „Davon würde ich aber abraten, da sich der Stress immer in zwei Richtungen auswirkt – nämlich verbesserte Adaption versus verschlechterter Allgemeinzustand“, so der Sportwissenschaftler. Zudem ist ihm die Datenlage noch zu schwammig.
Mehr Infos zum Thema Low Carb-Training gibt es auch hier im Alpecin Cycling Podcast.
Foto: mr.pinko/Stefan Rachow