Powermeter: Trainings-Tipps für Rennradfahrer

08.12.2022

Wer mit einem Leistungsmesser trainiert, sammelt dabei jede Menge Daten. Alpecin Cycling erklärt, wie Sportler diese clever nutzen können, um die Qualität ihres Trainings zu verbessern.

Ob in den Pedalen, der Kurbel, am Kettenblatt oder direkt in der Nabe. Powermeter gibt es inzwischen in unzähligen Varianten – und sie werden bei Hobbysportlern immer beliebter.
Immer mehr Radsportler interessiert, mit welcher Leistung sie gerade unterwegs sind, um beispielsweise ihr Training exakt zu steuern.

Bei cleverer Verwendung der kleinen Kraftpakete und der ermittelten Daten, lässt sich jedoch noch viel mehr mit ihnen anfangen. So verwandelt sich der Powermeter beispielsweise in ein mobiles Diagnostik- und Testlabor. Die ermittelten Daten können dabei helfen, „Gewicht zu machen“. Oder sie können Trainingsfehler, wie eine ineffiziente Fahrweise, aufdecken sowie den tatsächlichen Workload einer Einheit zu bestimmen.

Björn Geesmann, Sportwissenschaftler beim Trainingsinstitut HYCYS, gibt Tipps, wie Sportler aus ihrem Powermeter-Training noch mehr herausholen können.

Powermeter-Trainings-Tipp 1: Training per Energieumsatz

Oft gehörter Satz: „Powermetertraining macht einsam“. Als Argument gegen das Trainieren mit einem Powermeter folgt häufig der Verzicht auf das kommunikative Element des Radsports. Die ganze Zeit über nach Zahlen fahren, das akzeptieren meine Trainings-Kumpels nicht. „Die wollen oder können ja gar nicht so langsam fahren wie ich.“ Doch die Ausrede zählt nicht mehr.

„Das Training kann auch nach der investierten Energie gesteuert werden“, sagt Björn Geesmann. Am Ende jeder Fahrt erscheint nämlich im Display bzw. der Auswertungssoftware eine meist vierstellige gewichtige Zahl mit dem Kürzel „kJ“. Dieses steht für Kilojoule und zeigt die umgesetzte Energie an. Also das, was der Athlet an Energie aufgewendet hat, um die Leistung zu erzeugen.

Wer beispielsweise 3 Stunden lang kontinuierlich mit 150 Watt fährt, hat folgendes investiert. 150 Joule x 10800 Sekunden = 1.620 000 Joule oder eben 1.620 Kilojoule. Physikalisch Watt sind hier nicht anders zu verstehen, als Joule pro Sekunde!

In der Gruppe fahren im Trainingslager

Im Trainingslager am Ende der Tour den Energieumsatz checken

Solch ein Fahren nach Kilojoule macht beispielsweise im Trainingslager Sinn, wenn man aufgrund der Topographie oder Gruppendynamik nicht die Intervalle wie zuhause geplant fahren kann. „Der Athlet will ja an Anstiegen weder plötzlich umdrehen, weil sein Intervall zu Ende ist noch ständig aus der Gruppe vorne rausfahren oder hinten rausfallen, weil er sich außerhalb seiner Trainingszonen befindet“, erklärt Björn Geesmann.

Daher gibt er den Athleten, die er betreut, einfach Kilojoule-Vorgaben mit auf die Reise. So wird halt nicht 3 x 10 Minuten im Entwicklungsbereich mit je fünf Minuten aktiver Pause gefahren, sondern darauf geguckt wie hoch der Energieumsatz der Trainingseinheit idealerweise sein soll. „Hat der Sportler dann am Ende der Gruppenfahrt zu wenig Energie umgesetzt, hängt er beispielsweise noch 30 Minuten oder 60 Minuten dran“, so Geesmann weiter.

Entscheidend dabei ist, dass der Athlet auf den vorgegebenen Energieumsatz kommt. Denn dieser steht in direktem Zusammenhang zur Menge an umgesetzten Sauerstoff, was wiederum ein wichtiger Trainingsreiz ist.

„Das Trainieren nach Joule bzw. Energie ist wissenschaftlich erforscht und in mehreren Studien erfolgreich belegt“, erklärt Geesmann. Einige Coaches setzen diesen Energieumsatz auch als Workload gleich, und auch in die Beurteilung der Trainingsbelastung oftmals bezeichnet als TSS (Training Stress score) – einer Funktion, die Powermeter-Analyseprogramme beinhalten – fließt dieser Wert mit ein.  

Auf die Spitze getrieben sind, dann nicht die Stunden im Sattel, sprich die gesammelten Kilometer am Ende des Jahres aussagekräftig, sondern die umgesetzte Energie, denn sie berücksichtigt die tatsächlich erbrachte Leistung.

Powermeter-Trainings-Tipp 2: Kalorien zählen und clever Gewicht verlieren

Abnehmen mit dem Powermeter – klingt zugegeben wie die verheißungsvolle Schlagzeile „Schlank in 2 Tagen“, aber der Powermeter bzw. das Training per Leistungsmessung kann tatsächlich dabei helfen, „Gewicht zu machen“.

Was auch hier zählt ist der Energieumsatz. Wenn jetzt also nach einem dreistündigen Training 2000 Kilojoule im Display erscheinen, dann wurde einiges verbrannt. Ob das aber tatsächlich ausreicht, um für den Tag eine negative Energiebilanz zu erzielen und darüber Gewicht zu verlieren, ist von folgenden Faktoren abhängig.

Erstens wie viel wird noch an diesem Tag gegessen und getrunken. Zweitens wie viel wurde während des Trainings an Kalorien in Form von Riegel, Gels, Drinks oder Snacks zu sich genommen. Oftmals schlägt nämlich der Hobbysportler in Erwartung der harten Trainingseinheit „doppelt zu“, weil er ja nicht Unterzuckern beziehungsweise sich einen Hungerast einfahren will.

Wer also abnehmen und trainieren will, sollte hier ein wenig kulinarische und sportliche Buchführung betreiben, um am Ende des Tages tatsächlich ein angestrebtes Defizit zu erreichen. Aber es lohnt sich, die Kalorien in der Ernährung und beim Sport zu zählen, denn 7000 Kalorien Mehrumsatz entsprechen in etwa einem Kilogramm Körperfett

Allerdings gibt es dabei einige Dinge zu berücksichtigen. „Der Sportler sollte das Fahren nach Energieumsatz trotzdem in Beziehung zur Zeit setzen, denn die Trainingsminuten im Kompensationsbereich während einer Einheit üben keinen ernsthaften Reiz aus – und sollten daher minimiert werden“, sagt Geesmann.

Wer also vorhat, anhand des Energieumsatzes sein Training zu periodisieren, beispielsweise eine Steigerung von je 500 Kilojoule von Woche zu Woche in einem Block, wird aus Zeitgründen über kurz oder lang an der Intensitätsschraube drehen müssen.

„Der Sportler kann natürlich viel über die Dauer der Trainingseinheit erreichen, aber da fehlen die höheren Intensitäten – sowohl aus der Perspektive der physiologischen Anpassung, als auch aufgrund eines nicht unendlichen Zeitbudgets im alltäglichen Training“, so Geesmann.

Daher macht es schon Sinn Intervalle im Grundlagenausdauerbereich 2 sowie knapp unter, an oder über der individuellen anaeroben Schwelle unweigerlich mit einzubauen. Was den Umsatz allerdings nur bedingt in die Höhe treibt, sind sogenannte hochintensive Einheiten (HIT), da die Belastungsphase kurz und die Regenerationsphase dafür umso länger ist.

Powermeter-Trainings-Tipp 3: Keine Kilometer mehr umsonst fahren

„No more Junkmiles“ – so muss die Devise derer lauten, die mit einem Leistungsmesser trainieren. Als Junkmiles werden Abschnitte bezeichnet, in denen der Sportler seine Beine einfach hängen lässt und im wahrsten Wortsinn nichts leistet oder aber außerhalb des vorgegebenen Trainingsbereichs fährt.

Gerade die Minuten im Kompensationsbereich sowie natürlich die reinen Leertretzeiten üben keinerlei Trainingsreiz aus. Sie führen so auch nicht zu den gewünschten physiologischen Anpassungen. Der Athlet trainiert dann nicht mehr, sondern fährt einfach nur Rad.

Hier liegt einer der großen Stärken eines Leistungsmessers, der dies während der Fahrt sofort offenbart und bei der Datenanalyse schonungslos aufdeckt. Um diese „unnützen“ Kilometer zu verhindern, sollte der Athlet während des Fahrens immer seine momentane Leistung in Watt mit seinen vorgegebenen Trainingszonen bzw. Wattbereichen abgleichen.

Oftmals lässt sich auch der Timer der Headunit beziehungsweise des Radcomputers so einstellen, dass er beispielsweise bei Unter- wie Überschreiten ein akustisches Signal gibt.

Diese Junkmiles sind häufig von der Topographie der Strecke, Ermüdung des Athleten, aber auch der Formation, in der der Athlet unterwegs ist, abhängig. Gerade Gruppenfahrten verlocken dazu in der Führung weit über den angestrebten Bereichen zu sein, während man bei Fahrten im Frühjahr im Windschatten oftmals aufgrund von Bewegungsmangel friert.

Powermeter-Trainings-Tipp 4: Leistungsmesser als Testinstrument nutzen

Wer einen Powermeter nutzt, sollte ihn nicht nur zum Fahren nach Zahlen einsetzen, sondern auch als „Testinstrument“. Richtig angewendet, lassen sich per Leistungsmessung die Trainingsbereiche perfekt im Selbstcheck ermitteln. Genaso wie ein Do it yourself Vo2max-Test sowie neuerdings mit AI Diagnostik eine echte und individuelle Leistungsdiagnostik auf der Straße oder Rolle.

Wichtig dabei ist, hier immer standardisierte Bedingungen zu schaffen und die Umwelteinflüsse zu minimieren. Hier sind die Topografie und der Wind zu nennen, die das Ergebnis verzerren können. Wer sich also auf Herz und Niere testen will, sucht einen windgeschützten mäßig ansteigenden Hügel oder Berg als Teststrecke.

Powermeter bestimmt beim Feldtest die Leistungsfähigkeit

Alle 6 bis 8 Wochen lohnt solch eine Standortbestimmung; nicht nur um die Trainingsbereiche anzupassen, sondern auch als Formcheck. Gerade bei Hobbysportlern zeigt sich, ob das Training zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit und zur Verbesserung des Fettstoffwechsels und der Erholungsfähigkeit tatsächlich gefruchtet hat. Außerdem helfen solche Werte auch für Pacing-Strategien bei Zeitfahren oder bei längeren Anstiegen am Berg.

Übrigens: Materialtests lassen sich mit dem Powermeter nicht seriös durchführen. „Hierfür sind die Umwelteinflüsse und die Ungenauigkeit der menschlichen Leistungsabgabe einfach viel zu groß“, so Geesmann. Wer wissen will, mit welchen Laufrädern, Überschuhen etc. er wirklich schneller fährt, sollte sich an Experten wenden und Aero-Tests auf der Bahn oder im Windkanal absolvieren..

Powermeter-Trainings-Tipp 5:  Pacing mit dem Leistungsmesser

Wer den Powermeter einsetzt, um sich seinen Leistungsoutput gut einzuteilen, kann bessere Ergebnisse erzielen. Das bedeutet dann tatsächlich, nach Zahlen zu fahren. „Hier ist generell zu unterscheiden, ob ich metabolisch oder energetisch pace“, erklärt Björn Geesmann.

Ein Radmarathon wie der Ötztaler werden energetisch gepaced, da hier die zur Verfügung stehende Energie beziehungsweise der Kohlenhydratverbrauch der limitierende Faktor ist. Gerade die langen Anstiege kosten richtig Körner, selbst wenn sie nur selten leicht überschwellig gefahren werden sollten.

Denn: Der Kohlenhydratverbrauch steigt exponentiell zur Leistung an. Daher immer unter der individuellen anaeroben Schwelle bleiben, um nicht irgendwann mit fast leeren Glykogenspeicher aufgeben zu müssen.

Pacing mit dem Powermeter beim Rad-Marathon

Metabolisch pacen lässt sich dagegen beim Zeitfahren. Hier spielt weniger der Kohlenhydrat-Verbrauch als vielmehr das Zusammenspiel unterschiedlicher Stoffwechselwege bei der Leistungserzeugung eine Rolle. Entscheidend ist, dass der Athlet nicht zu schnell zu viel Laktat aufbaut; am Ende aber trotzdem maximal verausgabt über die Ziellinie fährt.

Gerade Einsteigern in dieser Disziplin hilft ein Leistungsmesser. Sie bekommen so ein Gefühl für ihre Power und laufen nicht Gefahr, sich zu Beginn zu sehr zu verausgaben. Wichtig: „Bei Zeitfahren bewegten sich auch Profis in einem Watt-Korridor. Es gibt also nicht en einen fixen Wert. Sondern einen Bereich, bei der untere und obere Wert auch mal 20 bis 30 Watt auseinanderliegen“, so Geesmann.

Fotos: Stefan Rachow, Kathrin Schafbauer, Henning Agerer