Tipps zum Rennradfahren in der Schwangerschaft

27.09.2022
Eine schwangere Frau macht sich bereit, um eine Runde Rennrad zu fahren.
© Kathrin Schafbauer / Veloine.cc

Dass Bewegung guttut, wissen die meisten – auch werdende Mütter. Aber passen Schwangerschaft und sportliches Radfahren zusammen? Sportmedizinerin Dr. Ursula Manunzio sagt: „Ja, unter bestimmten Voraussetzungen“. Welche das sind, erklärt sie hier und gibt Tipps.

Ist es ok, sich in der Schwangerschaft aufs Rennrad zu schwingen? Dass regelmäßige moderate Bewegung für werdende Mütter wichtig und sinnvoll ist, steht außer Frage. Auch das Minimum von „regelmäßig“ ist mit drei- bis fünfmal pro Woche 30 Minuten noch ziemlich konkret definiert, zum Beispiel durch das Bundesgesundheitsministerium.

Doch was heißt „moderat“? Das dürften sich vor allem Frauen fragen, die vor der Schwangerschaft sportlich sehr aktiv waren, Radmarathons, Rennen oder mehrstündige Touren auf dem Rennrad unternommen haben. Wie viel geht jetzt noch, und geht Rad fahren draußen überhaupt noch?

Die Antwort ist ein klares „Es kommt darauf an“. Denn keine Schwangerschaft verläuft wie die andere. Umso wichtiger ist es, sich frühzeitig mit einem Experten oder einer Expertin (z. B. Sportmediziner/-in, Gynäkologe/-in) auszutauschen, was für die Einzelne unbedenklich und sinnvoll ist. Aber: „Generell passen Rad fahren und Schwangerschaft zu 100 Prozent zusammen“, ist Sportmedizinerin Dr. Ursula Manunzio vom Universitätsklinikum Bonn überzeugt.

Diese Vorteile hat Radfahren in der Schwangerschaft

In welchem Ausmaß sportliches Radfahren für werdende Mütter in Ordnung und machbar ist, so sagt sie, hänge auch davon ab, wo die jeweilige Frau sportlich herkomme: „Es bringt nichts, in der Schwangerschaft mit dem Rennradfahren anzufangen, wenn man es vorher nicht gemacht hat.“ Hat die werdende Mutter aber bereits Rennraderfahrung, kann sie sich so lange weiter in den Sattel schwingen, wie sie sich gut dabei fühlt.

Radfahren hat nämlich jede Menge Vorteile für schwangere Frauen. Die sportliche Betätigung hilft beispielsweise,

  • Wassereinlagerungen auszuschwemmen,
  • vor Depressionen zu schützen,
  • das Herz-Kreislauf-System zu stärken,
  • die Muskulatur zu trainieren,
  • die Entbindungszeit zu verkürzen und
  • das Risiko für Frühgeburten zu reduzieren.

Ganz am Anfang der Schwangerschaft, wenn die meisten Frauen noch gar nicht wissen, dass sie schwanger sind, lässt sich das gewohnte Training oft noch ohne Einschränkung absolvieren. Im Verlauf des ersten Trimesters machen sich jedoch häufig die zahlreichen, meist hormonellen Umstellungen im Körper bemerkbar.

Tipp: Der Körper gibt den Takt vor

Viele Frauen fühlen sich müde, einige haben mit Übelkeit zu kämpfen. Dann heißt es: Auf den Körper hören und Pause machen. „Es kann gut sein, dass es mal drei Tage überhaupt nicht geht und dann auf einmal doch wieder“, weiß Ursula Manunzio, die grundsätzlich kein Problem darin sieht, auch im zweiten und dritten Trimester im Rennradsattel zu sitzen, solange die betreffende Frau das „Go“ ihres Arztes bekommt sowie sich gut und sicher dabei fühlt.

Wird der Bauch größer, empfinden viele Frauen jedoch die stark nach vorn gebeugte Haltung auf dem Rennrad als unkomfortabel: „Es ist unangenehm, wenn der Bauch auf dem Oberrohr aufliegt. Außerdem drückt er leicht Gefäße ab und die Füße werden taub“, erklärt Ursula Manunzio. Dann ist es mitunter sinnvoll, das Rad zu wechseln – zum Beispiel von einem Rennrad auf ein Mountainbike. „Wenn nötig, lässt sich hier auch der Lenker noch höherstellen, um aufrechter zu sitzen“, rät die Ärztin.

Ein MTB hat außerdem den Vorteil einer Dämpfung, während (nicht nur) schwangere Sportlerinnen auf dem Rennrad jede Bodenunebenheit, jedes Schlagloch merken. Manche Frauen beginnen auch, sich draußen auf dem Bike zunehmend unsicher zu fühlen, denn „Im Straßenverkehr besteht immer ein Sturzrisiko und da man mit wachsendem Bauch immer unbeweglicher wird, ist es auch nicht mehr so einfach, Hindernissen spontan auszuweichen“, erklärt Sportmedizinerin Manunzio.

Eine schwangere Frau zieht ihr Trikot an, um eine Runde Rad zu fahren.
© Kathrin Schafbauer / Veloine.cc

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Tipp: Intensitätswechsel – ja, aber mit Augenmaß

Eine Lösung kann sein, sich eine kleine, ruhige Runde in der Nähe des eigenen Zuhauses zu suchen, wo die Sportlerin sich notfalls abholen lassen kann, wenn der Bauch hart wird oder sie merkt, dass es heute einfach nicht geht. Eine andere Lösung ist, das Fahrrad auf die Rolle packen.

„Die werdenden Mütter sollten zwar nicht davon ausgehen, dass sie so trainieren können wie vor der Schwangerschaft, ein paar Trittfrequenzpyramiden sind aber in Ordnung“, sagt Ursula Manunzio. Grundsätzlich sollte das Training im aeroben Bereich stattfinden, damit keine Sauerstoffschuld entsteht, die wiederum einen Mangel für das Baby im Bauch bedeuten könnte. Kurze Intervalle bei etwas höherer Intensität lassen sich aber durchaus einstreuen.

In einer Studie aus dem Jahr 2016 beispielsweise empfanden die schwangeren Probandinnen, die allesamt vorher bereits aktive Hobbyradlerinnen gewesen waren, ihr Radtraining als kurzweiliger, wenn sie 15-Sekunden-Intervalle bei selbstgewählter Intensität einbauten.

Hat eine Sportlerin vorher aber nie Intervalltraining gemacht, sollte sie damit in der Schwangerschaft nicht anfangen. Und auch mit nichts anderem Neuen: „Experimente sind jetzt fehl am Platz – und sei es nur, auf einmal mit Klickpedalen zu fahren“, mahnt die Sportmedizinerin.

Tipp: Weg mit Watt- und Pulsmesser

Um die für sich richtige Intensität und Dauer zu finden, sollten sich werdende „Radmütter“ in puncto sportlicher Leistungsfähigkeit verhalten, als hätten sie einen Trainingsrückstand von zwei Jahren. Das heißt, nachsichtig mit sich sein und sowohl Watt- als auch Pulsmesser weglassen:

„Beides ist in der Schwangerschaft nicht aussagekräftig und für die Leistungssteuerung nicht geeignet. Schwangere Frauen nehmen jede Woche zu, Wattwerte gelten dann nicht mehr. Auch die Herzfrequenz verändert sich“, weiß Ursula Manunzio und ergänzt: „Der Körper sollte die Richtung vorgeben. Er sagt, was geht und wann es geht.“

Damit auf dem Rad über die gesamte Trainingsdauer was geht, sollten werdende Mamis darauf achten, ausreichend zu trinken und auch etwas zu essen dabei beziehungsweise auf der Rolle in Griffweite zu haben, da sie schneller unterzuckern.

Während es ohne Baby im Bauch vielleicht unangenehm ist, einen Hungerast zu bekommen oder die letzten Kilometer durstig hinter sich bringen zu müssen, sieht das in der Schwangerschaft ganz anders aus: „Eine Überlastung kann sich schädlich auf das Ungeborene auswirken. Frauen können schnell ohnmächtig werden und ein Elektrolytmangel kann sogar Wehen auslösen“, warnt die Sportärztin. Also lieber einen Riegel und eine Flasche mehr einpacken.

Radfahren nach der Geburt: Wann geht es wieder?

Generell ist Radfahren, speziell das Radfahren auf der Rolle, eine Aktivität mit vergleichsweise geringem Risiko. So ist zum Beispiel die Belastung viel kleiner als beim Laufen. Auch deshalb können Frauen bald nach der Entbindung wieder auf den Sattel steigen: Sechs bis acht Wochen nach der Geburt können junge Mütter für gewöhnlich anfangen, ihre Fitness wieder aufzubauen.

„Sie sollten dabei so vorgehen, wie sie es nach einer langen Verletzungspause tun würden“, rät Ursula Manunzio. „Manche sind nach sechs Monaten wieder auf Wettkampfniveau, andere brauchen Jahre, um auf den Leistungsstand vor der Schwangerschaft zu kommen.

Das hängt auch davon ab, wie die Geburt verlaufen ist und wie fordernd das Kind ist.“ Also: Auch nach der Schwangerschaft noch Geduld haben mit sich und dem Körper – und die Zeit, die man auf dem Rad hat, genießen.

Text: Carola Felchner; Fotos: Kathrin Schafbauer / Veloine.CC