Schnelle Erholung: Regeneration-Tipps für Rennradfahrer

18.01.2022

„Mach mal Pause“ – das allein reicht nicht immer, um seine Akkus nach harten Trainingseinheiten und Wettkämpfen wieder voll aufzuladen. Alpecin Cycling erklärt die besten und effizientesten Regenerationsstrategien.

Wie viele Stunden pro Woche trainieren Sie? Und wie viele Stunden regenerieren Sie bewusst – gemeint ist jetzt nicht die trainingsfreie Zeit? Während viele von Ihnen die erste Frage noch relativ klar beantworten können, fällt die Antwort nach gezielter Erholung doch eher schwammig aus. Klar werden Sie jetzt sagen: Jede Minute, die ich nicht auf dem Rad verbringe, ist doch Erholung. Jein! „Natürlich werden die Muskeln und das Herz-Kreis-Lauf-System im Alltag nicht voll beansprucht, aber so richtig ausruhen kann man sich beispielsweise im Job oder bei der Autofahrt auch nicht, denn andere Körperfunktionen werden gefordert; man muss ja auch ohne Sport aufmerksam und leistungsfähig sein“, sagt Sportmediziner Dr. Lutz Graumann.

„Untersuchungen haben außerdem festgestellt, dass bei der Erholung die Physis und die Psyche zusammenspielen – das eine ist abhängig vom anderen“, so der Mediziner, der auch Autor des Buches „Regeneration: Jeden Tag erholt, ausgeschlafen und erfolgreich“ ist. Grund genug also, damit auch Hobbysportler und nicht nur Profis spezielle Regerationseinheiten bzw.-maßnahmen ins Training bzw. die -planung integrieren.

Wer in bewusste Regeneration etwas Zeit und Mühe investiert, fühlt sich generell nicht nur frischer, sondern wird auch belohnt – durch eine bessere Form, weniger Verletzungen und geringere Infektanfälligkeit. „Der Reiz bestimmt die Dauer der Regeneration. Da der Körper den gesetzten Trainingsreiz erst einmal verarbeiten muss, um die gewünschte Leistungssteigerung zu erhalten, kann es leider auch passieren, dass wenn der nächste Trainingsstress zu früh erfolgt, die Anpassung nicht nur ausbleibt, sondern dass wir effektiv sogar schlechter werden können“, so Graumann weiter.

Allerdings: So wie jeder einzelne von uns anders auf Trainingsreize reagiert, so reagiert er auch auf Regenerations-Tools und Erholungsmethoden ganz unterschiedlich. Deshalb hat Alpecin Cycling die gängigsten Regenerationsmethoden aufgelistet und erklärt, wie sie wirken.

Regeneration-Tipp: Aktive Erholung

Aktive Regeneration ist immer wieder ein Thema, wenn es um Erholung beziehungsweise Regeneration geht. Ziel ist es, den Kreislauf moderat in Gang zu bringen, ohne dabei die Last auf die Gelenke zu erhöhen. Durch die sehr leichte Belastung der Muskulatur, kommt es zu einer verbesserten Durchblutung des beteiligten Gewebes. Der Sauerstoff- und Nährstofftransport zur Muskulatur wird gefördert“, so Lutz Graumann.

Ursprünglich stammt diese Methode aus dem Spitzensport und Top-Athleten nutzen die leichte Aktivität auch noch am Ruhetag. Doch hier sollten Unterschiede zwischen Hobby- und Profi-Sportlern gemacht werden. So ist beispielsweise das Joggen nicht als aktive Regeneration zu sehen, da der Impact, der durch den Aufprall entsteht und der damit verbundene Stress im Körper einfach zu hoch ist. Wenn Profi-Radfahrer an Ruhetagen dann doch 2 bis 3 Stunden unterwegs sind, muss man zwei Punkte berücksichtigen: Erstens ist Radfahren Ihr Beruf; und zweitens achten sie penibel darauf, in den untersten Intensitäten unterwegs zu sein. Ein Hobby-Radsportler kann sich dagegen die Zeit im Regenerationsbereich ehrlich sparen und kommt vielfach mit einem klassischen Ruhetag besser zurecht.

Eine Ausnahme von dieser Regel kann man machen: Nach einem harten Wettkampf oder sehr sehr intensiven Training kann es Sinn machen, am nächsten Tag eine lockere Runde – maximal 60 Minuten – im KB-Bereich zu drehen, um die schweren Beine aufzulockern. Allerdings sollte dann mindestens ein echter Ruhetag folgen.

Eine zwei- bis dreistündige Tour im unteren GA1-Bereich wäre für einen Hobbysportler schon eine richtige Einheit mit einem Trainingsreiz. „Diesen Stress will man ja genau an solch einem Tag nicht haben, da man sonst andere Mechanismen zur Reparatur unterbricht“ erklärt Lutz Graumann.

Regeneration-Tipp: Ernährung

Der erste Gang nach dem Training sollte zum Kühlschrank führen, denn jetzt gilt es alles das zu ersetzen, was bei der Belastung verlorenging. Neben den geleerten „Flüssigkeitstanks“ sollten Ausdauersportler auch die Kohlenhydratspeicher schnell wieder auffüllen. Was viele Hobbysportler dagegen vergessen, ist der Verzehr von eiweißreicher Kost. Diese hilft nämlich den durch die harte Beanspruchung angegriffenen oder ermüdeten Muskeln wieder Instand zu setzen.

„Am einfachsten ist es daher Flüssigkeit, Kohlenhydrate und Proteine in einem aufzunehmen. Neben den speziellen Recovery-Getränken hilft auch Schoko-Bananenmilch“, sagt Dr. Lutz Graumann. In der Milch stecken Proteine und Aminosäuren, das Kakaopulver und die Banane enthält unterschiedliche Zuckerarten. Die Einnahme von Protein zusammen mit Kohlenhydraten hat noch einen weiteren großen Vorteil: „Der Zucker öffnet die Zellen und so kann das Protein viel schneller an die zerstörten Muskelfasern gelangen“, so Graumann.

Wer gleich nach dem Training isst und trinkt, tut seinem Körper noch einen weiteren wichtigen Gefallen. „Durch die Belastung des Trainings und des Wettkampfs entsteht ein sogenanntes Open Window, in dem der gestresste Organismus viel anfälliger für Infekte ist“, sagt Dr. Graumann. „Wenn ich dann dem Körper signalisieren, dass ich ihm bei der Regeneration durch Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme helfe, steht er weniger lang unter Stress und kann das Fenster schneller schließen“, so der Mediziner.

Regeneration-Tipp: Hydrotheraphie – Kältebäder & wechselwarmes Duschen

Die Profis bei der Tour de France genehmigen es sich nach fast jeder Etappe – ein Eisbad. Es verbessert nicht nur die Durchblutung, sondern lindert auch schnell Muskelschmerzen nach strapaziösen Etappen bzw. Trainingseinheiten. „Durch die extreme Kälte des Wassers ziehen sich die Blutgefäße zusammen, was dazu führen soll, die Einblutungen bei minimalen Muskelfaserrissen zu verringern“, sagt Dr. Lutz Graumann. So lässt sich die Heilung dieser Mikroverletzungen beschleunigen und die Muskelfunktion verbessern – zu diesem Schluss kommen aktuelle Untersuchungen.

„Den größten Effekt hat solch ein Bad direkt im Anschluss an das Training oder den Wettkampf. Einfach bis zur Hüfte für sieben bis zehn Minuten im kalten Wasser – optimal sind sieben bis 15 Grad – abkühlen“, erklärt Dr. Lutz Graumann. „Gerade im Frühjahrstrainingslager sind ungeheizte Hotelpools ideale Kältebäder“, so Graumann weiter. Und im Anschluss an das frostige Vergnügen eine Viertelstunde auf der Rolle locker ausradeln.

Da das für viele Hobbyradsportler allerdings mehr Stress als Vergnügen impliziert, hat der Doc einen zugegeben viel praktikableren und angenehmeren Tipp:  nämlich wechselwarmes Duschen.

Der Mix aus Wärme und Kälte sorgt für eine sehr gute Durchblutung des Muskels. Die Kälte entzieht den Muskeln das Blut und es werden so verstärkt die angefallenen Stoffwechselendprodukte abtransportiert. Bei Wärme öffnen sich die Kapillare, und sauerstoffreiches Blut kann zurück in den Muskel fließen. Wer es noch nie probiert hat, sollten seinen Organismus Schritt für Schritt an die Kälte gewöhnen: Zunächst beim Duschen einfach mal den Temperaturregler kurz auf kalt drehen und versuchen wahrzunehmen, was im Körper geschieht. Dabei ruhig atmen. Mit  zwanzig Sekunden warm duschen starten, gefolgt von fünf Sekunden kalt, dann wieder zwanzig Sekunden warm – fünf Sekunden kalt und abschließend nochmal zwanzig Sekunden warm.

Regeneration-Tipp: Schlaf

Der Schlaf zählt zu den kostbarsten Frischzellenkuren, weil er das kostet, was keiner mehr hat – Zeit. „In der Ruhephase repariert sich der Körper durch die Ausschüttung von Wachstumshormonen und Bildung neuer Immunzellen selbst“, sagt Dr. Lutz Graumann. „Durch die Stimulierung des Parasympathikus entspannt sich die Muskulatur – ihr Tonus verringert sich, Herzfrequenz und Blutdruck sinken“, so Graumann weiter. Generell empfiehlt der Mediziner mindestens sieben eher acht Stunden zu schlafen und sich eine gewisse Schlafhygiene anzueignen, zu der feste Einschlafzeiten und Rituale wie das Lesen eines Buches oder das Hören ruhiger Musik anstatt Fernsehen gehören.

Wer die Zeit hat, kann auch im Anschluss ans Training ein kurzes Nickerchen machen – den sogenannten Power-Nap. Dieses 10 bis 20 Minuten dauernde Schläfchen, bei dem die Tiefschlafphase nicht erreicht wird, signalisiert dem Körper, dass er jetzt mit der Wiederherstellung beginnen kann. Doch Vorsicht: Dieser Schlaf zwischendurch kann den klassischen Nachtschlaf beeinflussen bzw. dafür sorgen, dass man am Abend nicht so müde wie gewohnt ist. Daher nie nach 16:00h ein Nickerchen mehr machen!

Studien belegen übrigens auch, wohin mangelnder Schlaf führen kann. Wer zu wenig ruht, ist infektanfälliger und verstellt auch oft seine eigene innere Uhr, die aber gerade für viele Abläufe in unserem Organismus extrem wichtig ist. Wie guter Schlaf funktioniert und was man auf was man hier achten sollte, erfahren Sie in einem weiteren Artikel auf Alpecin Cycling.

Regeneration-Tipp: Kompressionsbekleidung

Wer sich bei Jedermann-Radrennen und vor allem Triathlons umschaut bekommt, den Eindruck, dass die hohen Kompressionsstrümpfe die gute, alte kurze Radsocke ablösen. Nicht nur stilistisch eine Todsünde, auch die Wirkung, während der Rennradfahrens ist umstritten. „Durch die Bewegung des Sportlers allein ist der Rückstrom des verbrauchten Blutes durch die Venen eh schon gewährleistet – in diesem Fall bedarf es gar keine Kompressionsbekleidung“, sagt Dr. Lutz Graumann.

Sinn machen die engen Klamotten aber nach dem Sport. „Sie minimieren Schwellungen in der Muskulatur und verbessern die Wiederherstellung des geschädigten Gewebes – das zeigen Studien“, so Doc Graumann. Da Rennradfahren in erster Linie die Muskulatur im Oberschenkel und Po beansprucht, sollten anstelle von Kompressions-Strümpfen dann aber -Tights angezogen werden. „Ideal ist es, die lange Hose in der Nacht nach dem harten Training oder Wettkampf zu tragen“, sagt Dr. Graumann.

Regeneration-Tipp: Massage

Mit geübten Handgriffen lassen sich Verspannungen und Verhärtungen lösen. Eine tolle Sache – vorausgesetzt der Sportler ist das professionelle Kneten gewohnt. Wer sich allerdings nur ab und zu in „fremde Hände“ begibt, sollte sich auf einiges gefasst machen. Denn gerade die Behandlungen, die in Tiefe gehen, lassen den Muskel noch zusätzlich ermüden“, sagt Dr. Lutz Graumann. „Das führt dann oftmals bei Neulingen hinterher zu einem veritablen Muskelkater“, so Graumann weiter. Der Mediziner bevorzugt eher eine kostengünstigere, wenngleich nicht ganz schmerzfreie Eigenmassage mit der Blackroll – einer speziellen Schaumstoffrolle. „Durch den Druck und die Bewegung werden Muskeln und Faszien gegeneinander verschoben und lösen so entstandene Verklebungen und Verspannungen in der Muskulatur. Zudem verringert sich der durch den Sport gesetzte Muskeltonus“, so der Doc.

Tipp: Die besten Blackroll-Übungen

Regeneration-Tipp: Sauna

Für viele Rennradfahrer ist die Sitzung in der „Hitzekammer“ während eines Trainingslagers schon zum Ritual geworden. Zwar verbessert sich durch den Wechsel zwischen Hitze und Kälte die Durchblutung in der Muskulatur sowie dem Gewebe, aber der Saunagang kann auch schaden – besonders nach harten Einheiten. „Gerade bei intensiven Belastungen kommt es zu den Einblutungen in der Muskulatur; die Hitze der Sauna öffnet die schon vorgeschädigten Zellen und Gefäße noch weiter, so dass in der Folge die Regenerationsphase sogar verlängert ist.“, sagt Dr. Graumann. Sein Tipp: Sauna-Session auf den Ruhetag verlegen.

Fotos: Henning Angerer, Mick Kirckman