Laufen als Alternativ-Training für Rennradfahrer

15.11.2022

Im Winter die Form halten, ohne bei Wind und Wetter auf dem Rennrad zu sitzen? Einfach mal Laufen ausprobieren! Alpecin Cycling erklärt, wie der Einstieg „schmerzfrei“ gelingt und wie Rennradfahrer am meisten davon profitieren können.

Quo vadis? Wohin des Weges fragen sich Rennradfahrer dieser Tage, wenn die Tage kürzer, kälter und nasser werden. Die Sonne scheint nur noch selten zwischen der tiefliegenden Wolkendecke durch. Zeit, um das Rennrad über den Winter einzumotten und selbst in die wohlverdiente Saisonpause zu gehen. Eine Möglichkeit, wenngleich die schlechteste, denn die über die Monate mühsam erworbene Form geht doch sehr schnell wieder „flöten“.

Was es braucht, um die Leistungsfähigkeit bei Laune zu halten, sind weiterhin Reize durch sportliche Aktivität. Doch viele Radfahrer haben einfach keine Lust im Winter das Rad bei Wind und Wetter weiterdrehen zu lassen – weder auf der Straße noch im Gelände. Es macht zugegeben wenig Spaß, wenn einem die Gischt ins Gesicht schlägt oder der Dreck um die Ohren fliegt und man dabei auch noch auskühlt. Auch das auf der Stelle treten bei Fahrten auf dem Indoor-Trainer ist trotz virtueller Welten nicht jedermanns Sache. Wer trotzdem seine Fitness, seine erworbene Form und auch das Gewicht erhalten will, muss sich nach anderen Ausdauersportalternativen umsehen.

Hoher Trainingsreiz beim Laufen

„Fisch schwimmt, Vogel fliegt, Mensch läuft.“ So treffend beschrieb Laufikone und Olympiasieger Emil Zatopek schon in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, das Talent des Menschen zum Laufen. Und hat er recht?

„Wer partout im Winter nicht Radfahren will, für den ist das Laufen eine wirklich gute Alternative, da der Trainingsreiz beim Laufen höher ist als beim Radfahren. Es gibt keine Rollphasen und das Laufen weist keinen so hohen Wirkungsgrad als das Radfahren auf“, sagt Björn Geesmann, Sportwissenschaftler und Leiter des Trainingsinstituts HYCYS. Will heißen: Es muss mehr Energie in den Vortrieb investiert werden als beim Radfahren, was zu einem höheren Sauerstoffumsatz führt. Eben das, was man mit Training erreichen will. Zudem kräftigt das Laufen auch noch den kompletten Rumpf, da Bauch- und Rückenmuskeln während der Bewegung Haltearbeit verrichten müssen.

Mal ganz ehrlich. Laufen kann eigentlich jeder und es frisst im Vergleich zum anderen Ausdauersportarten viel weniger Zeit und Geld. Um sich zum Laufen fertig zu machen, braucht es gerade mal fünf Minuten. Klamotten an, in die Schuhe rein und schon geht es los. Für Läufer gibt es auch kein schlechtes Wetter, Laufstrecken lassen sich überall finden und dank gut beleuchteter Straßen sowie Gehwege ist Dunkelheit kein Hindernis. Auch die Ausrüstung kostet – verglichen mit anderen Sportarten – wenig. Ein paar gute Laufschuhe gibt es für 100 bis 150 Euro. Dazu eine lange Hose und Laufsocken.

Alle anderen Bekleidungsstücke haben Rennradfahrer eh schon im Schrank. Durch die ständige Bewegung kühlt man nicht so aus. Durch die geringere Geschwindigkeit und die kürzere Bewegungszeit bleibt man meist nahe dem Startpunkt und kann so bei Probleme schnell umkehren. Und das Risiko in der Dunkelheit übersehen zu werden ist auf dem Fußweg vergleichsweise minimal im Vergleich zum Fahren auf der Straße,

Jetzt werden einige von ihnen entgegnen: „Schon ausprobiert, hat nicht geklappt, sein gelassen. Dem sei entgegnet: Wagen Sie den Neuanfang! Aber langsam.

Langsam beginnen und vorsichtig steigern

Zugegeben es wird zu Beginn für einige nicht ganz einfach sein, denn: „Laufen ist für Rennradfahrer Fluch und Segen zugleich, da die passiven Strukturen – Bänder, Sehnen und Gelenke – durch den ungewohnten Bewegungsablauf mehr arbeiten müssen“, sagt Björn Geesmann. Beim Radfahren werden diese kaum beansprucht, beim Laufen dagegen ist die Arbeit der passiven Strukturen, die an den Abstoß- und Aufprallbewegungen beteiligt sind, das A und O, um sich überhaupt dauerhaft fortzubewegen.

Und hier liegen der Fehler bzw. das Unwissen vieler Laufeinsteiger, die vom Rennradfahren kommen. Durch das gut ausgebildet kardiovaskuläre System ist der Rennradfahrer problemlos in der Lage schnell und lange zu laufen. Wäre da nur nicht die ungewohnte Belastung und die in vielen Fällen nicht vorhandene Lauftechnik.

Laufeinheit richtig vorbereiten

Da die passiven Strukturen sich nur sehr langsam anpassen, sollten zu Beginn kürzere Einheiten absolviert werden. 30 Minute reichen hier völlig aus – und diese müssen auch nicht am Stück gelaufen werden“, sagt Björn Geesmann. Erst 10 bis 15 Minuten locker laufen, dann eine kurze „lohnende“ Pause machen, in der man sich dehnt oder kleiner Stabilitäts- oder Kräftigungsübungen einstreut, wie z.B. einbeinige Kniebeuge, ehe wieder weitergelaufen wird. In dieser Pause können sich die passiven Strukturen sowie der Rückenmuskulatur erholen etwas er holen und die zweiten 15 Minuten können dann wieder frisch gelaufen werden.

Da die Einheit verglichen mit dem Rennradfahren doch sehr kurz ausfallen, sollte man die Zeit für eine gute Vorbereitungsphase und Cool-down nutzen. „Bitte nicht vom Sofa in die Laufschuhe springen“, warnt Björn Geesmann. Einige „Movement Prep“-Übungen auf der Blackroll oder Ganzkörperübungen aus dem Yoga, Pilates oder Functional Training helfen die kinetische Kette zu aktivieren und den Körper auf das vorzubereiten, was kommt. Gleiches gilt für den Abschluss der Einheit. Hier helfen Blackroll-Massagen der vorderen und hinteren Oberschenkel- sowie der Schienbeinmuskulatur, dem Iliotibialband sowie der Plantarfaszie, die Muskulatur und Faszien wieder geschmeidig zu machen, den Muskeltonus zu reduzieren und typischen Läuferbeschwerden vorzubeugen. All das hilft im Übrigen zu Beginn auch den zu erwartenden „Muskelkater“ zu reduzieren.

Wer beginnt, sollte zu Anfang nicht mehr als drei bis vier Einheiten pro Woche absolvieren. Nach drei bis vier Woche der Eingewöhnung sollte eher an den Wiederholungen werden als am Umfang gedreht. Als Steigerung auf fünf Einheiten pro Woche und erst dann die Laufdauer sukzessive verlängern beziehungsweise Programme oder Intervalle ins Training einbauen.

Intensität richtig steuern

In Sachen Belastungssteuerung empfiehlt Björn Geesmann, mehr auf sein Gefühl zu achten als auf die Herzfrequenz. Diese wird am Anfang durch die ungewohnte Belastung eher zu hoch sein als zu niedrig. Wer dann doch nach Zahlen laufen möchte, kann beispielsweise von seiner maximalen Herzfrequenz abgeleitet bei 70 bis 80 Prozent laufen. Oder, die in einer Leistungsdiagnostik bestimmten Trainingsbereiche, sollten um nicht mehr als 15 bis 20 Schläge überschritten werden.

Ach ja und wenn es dann doch mal zwickt in den Beinen, den alten Sportpsychologen-Trick anwenden. Sich nicht auf diese Stelle konzentrieren, sondern seinen Fokus auf das Positive legen wie zum Beispiel die gleichmäßige Atmung, die Landschaft etc.

Fotos: On running