Rennbericht Gran Fondo Schleck: Formcheck in Luxemburg
Team Alpecin-Jedermann Arne Hulstein nutzte den Gran Fondo Schleck als Formtest und Vorbereitungsrennen – auf dem Weg zur L‘Etape du Tour. Hier schildert der Hobbyfahrer aus den Niederlanden, wie es ihm bei der
Breitensportveranstaltung in Luxemburg erging:
„Als ich ins Team Alpecin aufgenommen wurde, hatte ich nur sehr wenig Erfahrung mit dem Rennradfahren. Und da ich in den Niederlanden, also dem plattesten Land Europas, wohne, hatte ich auch überhaupt keine Vorstellung davon, wie es ist, mit dem Fahrrad echte Berge zu erklimmen. Kein Wunder also, dass unser Trainingslager in Südtirol für mich also ein echter Schock war. Die erste Fahrt sollte eine „leichte“ Runde von 80 Kilometern sein, damit unser Coach Florian Geyer vom Radlabor und unser Sportlicher Leiter unseren Formzustand einschätzen konnten. Nun, ich kannte meine Fitness. Daher war ich ganz hinten in der Gruppe und fürchtete jeden noch so kurzen Anstieg. Nicht wirklich ideal, wenn man bedenkt, dass unser Saisonhighlight die L’Etape du Tour war. Ja, eine richtige Etappe der Frankreichrundfahrt 2018 und nicht irgendeine. Die erste Bergetappe mit vier unglaublichen Anstiegen. Berge der schwersten Kategorie. Als ich in Italien mit mir und dem Berg kämpfte, wusste ich, dass ich clever Zwischenschritte setzen musste, sonst würde ich die L’Etape du Tour schaffen.
Eines Abends sprach ich im Trainingslager mit unserem Kameramann Max, der mir vom Gran Fondo Schleck erzählte. Dessen 150 Kilometer und nur 2000 Höhenmeter seien ungefähr die Hälfte von dem, was ich bei der L’Etape du Tour absolvieren musste. Außerdem lag das Event in der Mitte meiner Vorbereitungszeit. Es klang nach einer großartigen Idee. Ich zögerte nicht lange und sagte zu.
Bei meiner Ankunft in Luxemburg am Tag vor dem Rennen bemerkte ich, wie anders es war, ein Rennen allein zu fahren, ganz ohne unser Team Alpecin. Plötzlich musste ich mein Hotel suchen, einen Parkplatz finden und in der Schlange stehen, um meine Startnummer zu erhalten. Zum Glück hatte ich durch Alpecin und Max meine Verbindung zu Fränk Schleck. Der Ex-Profi, der 2006 das Amstel Gold Race gewann und 2011 Dritter der Tour de France wurde, ist Gründer und Organisator dieser Breitensportveranstaltung. Im Wesentlichen war sein Rat, zügig zu beginnen und dann an jedem Hügel nochmal zu beschleunigen; typisch Rennfahrer eben.
Am Morgen des Starts war ich sehr nervös; ich hatte nicht so gut geschlafen und jetzt stand ich am Start mit so vielen Leuten, die alle viel fitter aussahen als ich. Aber es gab kein Zurück mehr und ich hatte mir auch fest vorgenommen, das Rennen zu beenden. Denn das Finishen war ein wichtiger weiterer Schritt für mich in Richtung L’Etape. Denn ich fühlte, wenn ich hier und heute das Rennen beenden werde, dann werde ich auch in Frankreich erfolgreich sein.
Der Startschuss fiel – und plötzlich waren alle anderen Mitstreiter weg. Warum? Ich hatte mir überlegt, nicht zu schnell anzugehen, aber die Rechnung ohne die anderen Fahrer gemacht.
Im Nachhinein betrachtet war das eine dumme Entscheidung, denn das bedeutete, dass ich nach dem Start ganz allein fuhr. Da ich keine Erfahrung mit dem Fahren in Gruppe bei einem Rennen hatte, entwickelte sich der Gran Fondo Schleck zu meinem eigenen 150-Kilometer-Zeitfahren. Wenn ich zu einer Gruppe aufschloss, würde ich sie schnell hinter mir lassen, da ich dachte, ich könnte ja schneller fahren. Eine großartige Idee, aber eben nur eine Idee. Denn in der Realität befand sich die Gruppe dann an meinem Hinterrad und ich führte sie an, bis ich ausgepowert war. Dann überholten sie mich. Tatsächlich verbrannte ich so viel Energie, dass ein französischer Fahrer tatsächlich zu mir an die Spitze kam und mir sagte, ich würde mich wie ein Idiot verhalten. Aber ich wusste es nicht besser und machte weiter, in Ermangelung von Erfahrung.
Fotogalerie des Gran Fondo Schleck 2018 in Luxemburg
Das Radfahren in Luxemburg lässt sich so charakterisieren: Es war wirklich landschaftlich schön und sehr, sehr hart. Da lange Anstiege wie im Gebirge fehlen, konnte ich keinen richtigen Rhythmus finden. So hielt ich mich an Fränks Rat und drückte die Hügel hoch, fuhr hinunter, erholte mich dabei, und trat auf der Ebene wieder voll in die Pedale. Es war, als würde mich die Straße dazu einladen, alles zu geben und mit Karacho hindurch zu fahren. Scharfe Kurven, kurze und knackige Anstiege, flache Rollerabschnitte durch Wälder oder entlang der Flüsse, bettelten förmlich darum, mit Schwung und mit voller Power genommen zu werden. Es schien mir, als wäre es eine Beleidigung für die Schönheit des Landes, nicht voll in die Pedale zu treten und mein Bestes zu geben.
Die finalen Kilometer zurück in Richtung Ziel waren für mich eine Mischung aus Schmerz und Erleichterung. Ich war so kaputt wie selten zuvor. Meine Herzfrequenz war so hoch, dass der Puls an der Schädeldecke pochte. Alles, wonach ich mich sehnte, war die weiße Ziellinie. Es war mein zweites Finish bei einem Rennen. Mein Erstes war bei der Skoda Velotour Frankfurt-Eschborn, da lief es besser, als ich es erwartet hatte. Darüber war ich glücklich. Aber jetzt war ich in Luxemburg und hatte unweigerlich das Gefühl, dass ich das Rennen in den Bergen bei der L’Etape nicht packen würde.
Ich war so erschöpft und kaputt, dass ich nach überqueren der Ziellinie zur nächsten Parkbank fuhr, mich darauf fallen ließ und vor Erleichterung, es geschafft zu haben, weinte. Ich brauchte dann eine Stunde und eine heiße Dusche, um mich wiederzufinden. Ich erholte mich langsam beim Essen. Danach stieg ich ins Auto, um nach Hause zu fahren. Und da fing es an. Diese unerklärliche Sache, die passiert, wenn man Rennen fährt. Vor einer guten Stunde hätte ich geschworen, so etwas nie wieder zu tun. Nie mehr wieder würde ich dieses Rennen fahren. Aber als ich zurückfuhr, dachte ich über das Rennen nach und über das, was ich geleistet hatte. Ich war stolz darauf, dass ich es geschafft hatte; aber ich wollte auch herausfinden, wie ich es besser hätte machen können. Wie kann ich meine Zeit verbessern? Vielleicht wird mir das Jahr 2019 eine Antwort darauf geben, denn ich fürchte, ich werde mich erneut dieser Herausforderung stellen. Vielleicht sehe ich dann dort den einen oder anderen von Euch…”
Fotos: Veranstalter, Serge Waldbillig, Alpecin Cycling
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„De rit van jeleven“, was soviel bedeutet wie die Saison Deines Lebens, erlebte Arne Hulstein beim Team Alpecin. Vom Arzt aufs Rad gesetzt, wurde der Niederländer von Trainingsfahrt zu Trainingsfahrt immer besser, finishte die L’Etape bravourös und verbesserte seine Vitalwerte enorm.