Profi Brennan Wertz über das Wörthersee Gravel Race

26.04.2024

Der US-amerikanische Gravel-Profi Brennan Wertz schreibt exklusiv für Alpecin Cycling eine Gravel-Kolumne über Rennen, Training und Equipment so wie alles was dazu gehört.

Die erste Kolumne findet hier. In der aktuellen Kolumne berichtet Brennan über seine Teilnahme am Wörthersee Gravel Race in Österreich. Das ist sein erstes Rennen 2024 im Rahmen der UCI Gravel World Series, bei der er sich für die Gravel-Weltmeisterschaften im Herbst in Belgien qualifizieren wollte:

„Außer Spesen, nichts gewesen“ wie Ihr auf Deutsch sagt. Oder „good legs, bad luck“ wie wir Radsportler in den USA sagen. So könnte das Resümee meines Trips zum Wörthersee Gravel Race lauten. Aber es war tatsächlich ganz anders. Denn es war für mich viel mehr als nur ein Rennen.

Natürlich bin ich hauptsächlich nach Österreich gereist, um ein starkes Rennen zu fahren und mich im Idealfall gleich für die Gravel-Weltmeisterschaften in Belgien zu qualifizieren. Aber es hat nicht sollen sein.

Schon in der ersten von den drei zu fahrenden Runden hatte ich ein „Mechanical“. Was war passiert? Der Umwerfer eines Kontrahenten kam in die Speichen meines Vorderrades und fast alle meine Speichen wurden durchgesäbelt. Ich schaffte es gerade noch zur Verpflegung, aber da gab es keinen Ersatz, so dass ich aufgeben musste.

Bis dahin hatte ich aber großen Spaß. Gestartet bin ich noch mit riesigem Respekt und war auch ziemlich nervös, denn es war ein großes Profi-Starterfeld. Es wurde schnell gefahren und die Positionierung vor den Anstiegen war extrem wichtig. Das kennen wir in den USA nicht in dem Maße. Aber ich kam gut damit zurecht und war auch vorne mit dabei. Bis eben zu diesem schicksalhaften Moment. Shit happens! Denn das war das einzig wirklich „Doofe“ in dieser Woche.

Die Tage selbst am und um den Wörthersee konnte ich genießen. Mich faszinieren Berge ja eh und deshalb war ich wohl von Beginn an geflasht von dem Panorama mit den Karawanken am Horizont. Hinzu kam, dass wir mit dem Wetter solch ein Glück hatten. Kaum ein Tropfen Regen und am Rennwochenende Sonnenschein.

Doch was noch viel entscheidender war, war die gesamte Stimmung. Das Event war top-organisiert, aber trotz allem familiär. Wir Profis waren fast alle im Schlosshotel untergebracht und es hat uns an nichts gefehlt. Die Gastfreundschaft in diesen Tagen kann man nur mit „unbeschreiblich“ beschreiben.

Apropos Freundschaft. Richtig gefreut habe ich mich, Paul Voß wiederzusehen. Und auch Caro Schiff, die ich bislang nur vom Unbound aus dem vergangenen Jahr kannte, habe ich wiedergetroffen. Und das Schöne an der Gravel-Community ist, dass man immer wieder neue Leute kennenlernt. So bin ich mit Nicolas Roche einen Tag lang zusammengefahren. Und ich habe mich auch super mit Jade Treffeisen verstanden und konnte hier meine Deutschkenntnisse anwenden.

Die Woche verging sehr schnell. Am Samstag vor dem Rennen habe ich noch ein Fotoshooting organisiert. Ich wollte das neu designtes Kit meines Bekleidungsausrüsters Q36.5 in Szene setzen. Denn es matcht perfekt mit der Lackierung meines ebenfalls neuen Gravelbikes, dem Mosaic GT-1 i45 aus Titan. Beides wurde rechtzeitig vor dem Rennen am Wörthersee fertig.

Zum Rennen ist fast alles geschrieben – außer dass ich ein sehr offensives Reifen-Set-up entschied. Ich hatte mir fürs Rennen die Barlow Pass von Rene Herse in 38 Millimeter aufgezogen. Slicks – und eigentlich eine gute Wahl. Allerdings war es am Rennmorgen durch den Tau noch etwas feucht, so dass ich etwa defensiver durch die Kurve fahren musste. Das hat natürlich auch was mit meinem hohen Körperschwerpunkt zu tun. Mit meiner Körpergröße von 1,96 Meter sitze ich natürlich schon hoch über dem Tretlager und weniger kompakt als die meisten anderen Fahrer.

Der Frust über das Ausscheiden war dann aber schnell vergessen. Wir haben im Anschluss alle noch zusammengegessen und den Renntag ausklingen lassen. Da ich meinen Heimflug erst für Dienstag gebucht hatte, wollte ich am Montag noch eine lange Tour fahren. Doch ohne Vorderrad. Aber hier half mir Julius, der Organisator des Rennens und besorgte mir Ersatz. So hatte ich die Chance, eine unglaublich schöne Runde zu fahren. Über den Wurzenpass fuhr ich nach Slowenien und dann weiter nach Italien. Die Ruhe und die Schönheit der Berge konnte ich so noch mal voll auskosten. Schöne Singletrails, Rivercrossing-Passagen, breite schnelle Schotterwege – es war alles dabei, obwohl ich einfach der Nase nach gefahren bin. Rückblickend muss ich sagen, dass das einer meiner schönsten, wenn nicht sogar der schönste Tag auf dem Gravelbike überhaupt war.

Ein perfekter Abschluss meiner ersten Europareise 2024. Ich hoffe, es folgen noch weitere. Der Wörthersee ist auf jeden Fall ein Top-Revier zum Graveln beziehungsweise für ein Trainingslager. Obwohl ich die Dolomiten sehr liebe, fand ich es hier schöner, da alles ein wenig relaxter war.

Ach ja – und eine Rechnung mit dem Wörthersee Gravel Race habe ich ja auch noch offen. „See ya next year“

Brennan

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Brennan Wertz im Kurzportrait

Brennan zählt zu den bekanntesten Gravel-Profis in den Vereinigten Staaten. Ursprünglich war er Elite-Ruderer und in dieser Disziplin auch Weltmeister im Achter bei den U23- Weltmeisterschaften 2018. Aus gesundheitlichen Gründen wechselte er dann hauptberuflich aufs Rad und ist seit nunmehr drei Jahren Gravel-Profi.

Zu seinen größten Erfolgen auf Schotter zählen Siege beim Huffmaster Hopper, King Ridge Hopper sowie Shasta Gravel Hugger und Gravel Octopus. Hinzu kommen Top-Platzierungen bei den Gravel Worlds, bei den Belgian Waffle Ride Utah, Kansas und California sowie beim berühmten Steamboat Gravel.

Im vergangenen Jahr wurde er starker Dritter bei nationalen US-Meisterschaften und qualifizierte sich so für die Weltmeisterschaften in Italien, an denen er als Helfer für Keegan Swenson teilnahm. Swenson wurde am Ende nur knapp von Alejandro Valverde geschlagen und belegte Rang vier.

Brennan Wertz wohnt nördlich von San Francisco, hat an der Stanford University Soziologie und Germanistik studiert.

Fotos: Moritz Sauer, Tomasz Druml