Workshop: Fahrrad-Kette wachsen

23.11.2022

Seine Kette am Rennrad, Zeitfahren oder Gravelbike zu wachsen, bringt enorm viel Vorzüge. Welche genau das sind, gibt es hier zum Nachlesen. In einer ausführlichen Schritt-für-Schritt-Anleitung erklärt Tuning-Experte Marcus Baranski, „Der Baranski“, wie man selbst seine Kette wachst.

Schritt 1: Kette waschen und trocknen

Damit das verflüssigte und heiße Wachs gut auf und vor allem in die Kette kommen kann, muss man die Glieder gründlich von der ursprünglichen Fettpackung befreien. Das geht im ersten Schritt durch Waschbenzin in einem Einmachglas. Eine oder mehrere Ketten werden hier über ein paar Durchgänge geschüttelt, bis das Benzin klar bleibt. Je nach Hersteller dauert das etwas länger: Shimano-Ketten benötigen drei bis vier Durchgänge, SRAM-Kette meist nur zwei.

Das Waschbenzin lässt sich danach übrigens gut wiederverwenden, wenn man es durch einen Kaffeefilter aus Papier laufen lässt. Achtung: Macht das bitte nur an der frischen Luft und tragt idealerweise einen Atemschutz. Wichtig, egal mit welchem Anspruch ihr beim Wachsen unterwegs seid, wichtig ist, dass die Kette hierbei so fettfrei wie möglich wird. Einfach weil das Wachs auf blankem Metall besser anhaftet als auf einem Fettfilm.

Tuning-Tipps:

  • Alle, die noch ein bisschen mehr Potenzial aus der Kette herauskitzeln möchten, fahren die neue Kette auf einem sauberen Antrieb vorher eine halbe Stunde ein, und zwar mit absichtlichem Schräglauf und vielen Schaltvorgängen. Die Idee dahinter: Nur so wird sie erstmalig überhaupt von innen poliert und die Kontaktflächen optimal auf das folgende Wachs-Bad vorbereitet. Stellt euch das vor wie bei einer Lackierung, auch hier wird leicht angeschliffen, damit der Lack besser hält.
  • Beim anschließenden Auswaschen ist der Unterschied von einer fabrikneuen zu einer eingefahrenen aber sonst auch neuen Kette frappierend. Der Metallabrieb samt Fettresten färbt das frische klare Waschbenzin tiefschwarz. Mit dem Filtern wird das ab hier dann eher schwierig.
  • Das letzte Quäntchen an Fabrikschmiere und Metalllabrieb kann man jetzt noch per Ultraschallgerät und einem Spritzer alkalischer Reinigungsflüssigkeit aus der Kette zaubern. Ihr werdet euch wundern, wie schwarz es auch aus neuen eingefahrenen Ketten im Ultraschallbad blubbert.
  • Danach wird auch der leichteste Rückstand von allem per Ethanol aus der Kette gewaschen und diese wird zum Ablüften aufgehängt, bevor es dann endlich ist Wachs geht.

Zu eurer Beruhigung: Beim Nachwachsen der dann gefahrenen Kette ist all das nicht mehr nötig. Selbstredend geht danach aber bitte auch nichts mehr mit Öl drauf, sonst ginge das ganze Prozedere ja wieder von vorne los.

Übrigens: Alles an Flüssigkeiten, was hierbei anfällt ist ein Fall für den Recyclinghof!

Schritt 2: Kette in Wachsbad eintauchen

Die blitzblanke und fettfreie Kette taucht jetzt in das heiße Wachs ein. Das Einschmelzen und anschließende Baden der Kette im Wachs findet entweder simpel in einem Kochtopf statt, wobei ihr nicht auf über 100 Grad gehen dürft. Oder ihr setzt wie ich auf einen Schongarer, den es für wenig Geld im Netz gibt.

Egal, in welcher Form ihr das Wachs kauft, ob als Granulat oder wie bei Molten Speed Wax als Pucks, es muss hierzu einmalig eingeschmolzen werden und auf knapp zirka 90 Grad erhitzt werden. Dadurch wird es extrem dünnflüssig und kann dann perfekt ins Innere der Kette eindringen. Damit dabei auch die wichtigen Additive anhaften, empfiehlt es sich, das Wachs-Bad vorher kräftig umzurühren und die auf einem Metallhaken aufgefädelte Kette kräftig durch das Wachs zu rühren. Benutzt dabei am besten Handschuhe, das Wachs ist jetzt ja ziemlich heiß und es wird auch mal woanders als auf dem Kettenstrang landen. Zwei bis drei Minuten reichen locker, danach ist die Kette „voll“ mit Wachs und ihr könnt sie nach dem Abtropfen über dem Topf oder Schongarer zum Erkalten aufhängen.

Wenn das Wachs danach einen Moment steht, setzten sich die Zusätze oft unten ab, das sieht dann ein Bisschen aus wie Sedimente in einem Fluss. Rührt das danach einfach wieder um, bevor die nächste Kette gewachst wird.

Das verbliebene Wachs im Topf härtet dann zu einem großen Klumpen aus und kann danach immer wiederverwendet werden. Ich empfehle statt einem simplen Kochtopf immer den Schongarer. Die gibt es für kleines Geld und dort ist immer eine Temperaturbegrenzung eingebaut, ursprünglich damit das Essen nicht anbrennt. So könnt ihr das heiße Wachs auch mal aus den Augen lassen und geht sicher, dass es nicht anfängt, deutlich über 100 Grad zu gehen, wodurch es anfängt zu stinken und letztendlich auch an Volumen verliert. Ein Paket mit 500 Gramm hält, wenn man es richtig macht und die Ketten über dem Bad abtropfen lasst, locker für 15 Ketten und mehr.

Schritt 3: Kette wieder gelenkig machen

Wenn die Kette wieder kalt ist, bitte nicht wundern, die ist jetzt steif wie ein Brett. Ihr brecht sie jetzt über ein Rundholz, Kunststoffrohr oder ähnliches wieder ein und macht sie so wieder gängig, um sie auf das Rad montieren zu können.

Das finale Einfahren findet dann allerdings erst auf dem Rad statt. Meist reichen ein paar Minuten samt ein paarmal durch alle Gänge schalten und die Kette ist bereit für den Einsatz. Je nach Schaltgruppe kann die Schaltung speziell hinten etwas rasseln, das gibt sich aber schnell, Wenn die Schaltung vorher richtig justiert war, dann fangt jetzt bitte nicht an, daran rumzustellen. Nach einer halben Stunde ist die Kette auf jeden Fall so wie sie nach dem Wachsen sein soll. Ein paar Wachsflocken werden jetzt auf den Kettenstreben zu finden sein, die könnt ihr einfach abwischen, das ist alles völlig normal und harmlos. Manchmal kann es vorkommen, dass sich überschüssiges Wachs auf der Kassette zwischen dem 10er-, 11er- und 12e-r Ritzel ablagert. Damit die Kette da nicht springt, könnt ihr das einfach per Schraubendreher entfernen.

So und jetzt viel Spaß mit vielen sauberen Kilometern und immer schön Kette rechts!

Tuning-Tipp

Für alle Nerds, die das letzte Bisschen Tuningpotenzial für Ihren Wettkampf nutzen empfehle ich die Kette eine Stunde einzufahren und eventuell dann noch mit einem Pulver wie etwa dem Speed Powder von Molten Speed Wax nachzulegen. Das ist allerdings wirklich marginal und bringt vermutlich am meisten im Kopf.

Equipment fürs Wachsen der Kette:

  • Eine oder mehrere idealerweise fabrikneue Ketten
  • Ein Wachsprodukt, wie etwa die zwei Pucks von Molten Speed Wax mit 500 Gramm
  • Ein großes Einmachglas zum Auswaschen der Kette(n)
  • Saubere Putzlappen, gern aus Frottee
  • Küchenpapier zum Auswischen der schmutzigen Behälter
  • Einen Schongarer oder zur Not einen Kochtopf mit Thermometer
  • Einen Haken zum Auffädeln der Kette, die damit im Wachs geschwenkt wird
  • Eine Möglichkeit, Ketten zum Trocknen und Aushärten aufzuhängen
  • Zeitungspapier zum Unterlegen
  • Ein Paar Handschuhe
  • Ein Rundholz oder ähnliches, um die frischgewachste Kette wieder gängig zu machen

Tuning-Tipps fürs Equipment

Dieses Zubehör macht es noch eine Ecke professioneller – für das letzte Watt und beste Performance von Wachs:

  • Smart-Trainer oder Rolle samt sauberem Antrieb, um die Kette vor allen anderen Schritten einzufahren.
  • Ein Ultraschallgerät als i-Tüpfelchen, um den letzten Fettreste samt Abrieb aus der Kette herauszuwaschen. Je mehr Heiz- und Ultraschallleistung umso besser. Ein Wasserkocher kann sonst auch helfen.
  • Alkalisches Ultraschall-Reinigungsmittel, etwa vom deutschen Hersteller Allpax.
  • Ethanol, um die letzten Reste von allem inklusive Reinigungsmittel von der Kette zu bekommen. Merke: Blank is key!

Zu guter Letzt, was immer gut ist

  • Ein Atemschutz und viel frische Luft beziehungsweise Belüftung.
  • Passende Kettenschlösser und -zangen statt Nietverschluss, um die Ketten schnell auf- und wieder abzumontieren.
  • Eine Kettenmesslehre, um zu wissen, ob sich ein weiterer Wachs-Durchgang überhaupt noch lohnt.

Text: Marcus Baranski
Fotos: Marcus Baranski